Großer Rülpser: „Mephisto“-Farce im Schauspielhaus Düsseldorf
Es geht also, verspricht der Untertitel, um „Gründgens, Mann und die deutsche Seele“. Filmemacher Jan Bonny („King of Stonks“) und sein Co-Autor Jan Eichberg haben Klaus Manns Schlüsselroman „Mephisto“ verarbeitet. Schon 1936 untersuchte der todtraurige Sohn des Nobelpreisträgers Thomas Mann die Rolle der Kunst im faschistischen System. Doch Reflexion gibt es nur im Programmheft. Die von Bonny selbst inszenierte Krawallschau „Man muss sich Mephisto als einen glücklichen Menschen vorstellen“ nutzt die Literatur leider nur, pardon, als Wichsvorlage.
In ständiger Erregung wird auf der Bühne gerammelt und gehechelt, als Witz auch sehr lange mit einem Bockwürstchen masturbiert. Die Fans im Publikum lachen sich kaputt. Ihre Idole erscheinen (wegen der nackten Wahrheit?) in Unterhosen, kreischen und spucken sehr viel zwischen höhnischen Goethe-Rezitationen, verschmieren Ekliges, produzieren beachtliche Rülpser und verspritzen den Inhalt unzähliger Bierdosen. Das sechsköpfige Team zeigt vollen Einsatz und Mut zum schlimmsten Klamauk. Wenn das von Gründgens beschworene „Theater als heiliger Raum“ hier zerschlagen werden soll – das ist gründlich gelungen.
Auf dem Friedhof
Dabei befinden wir uns auf einem von Alex Wissel entworfenen Friedhof mit Grabsteinen für Klaus Mann (der sich 1949 umbrachte), den sonst nicht erwähnten Künstler Martin Kippenberger, den offensichtlich verpönten Filmproduzenten Bernd Eichinger („Der Untergang“) und – geschmackloser geht immer – den lebenden Bundeskanzler Olaf Scholz. Über allem schwebt ein Riesen-Euro und eine Pappversion von Peter Rübsams Gründgens-Statue. Spiegel zeigen in dem Chaos die Zuschauer, denn die sollen sich schämen, weil Gründgens, der sich mit den Nazis arrangierte, „noch immer ein Held der bürgerlichen Mitte“ sei.
Mag sein. Aber es gab natürlich schon viele Auseinandersetzungen mit der schillernden Rolle von Gründgens. Sogar das Denkmal, das ihn hinter dem Vorhang verschwinden lässt, verweist auf die Geheimnisse des Mannes, dessen Paraderolle der Mephisto war und der das Schauspielhaus nach dem Krieg wiederbelebte. Eine seriöse Debatte interessiert Bonny jedoch nicht. Er will provozieren und zwirbelt die hysterische Show hoch in die Gegenwart, wo im Chor Begriffe aufgesagt werden wie „Instagram und Rheinmetall“ oder „Kaiser Franz gegen Adorno“. Soll wohl die Intellektualität des Unterfangens belegen.
An den Galgen!
Wer das nicht zu würdigen weiß, rückt gleich in die Nähe rechtsradikaler Kulturjäger. „Warum sind wir schon wieder so weit?“ wird wiederholt gefragt, und eine Truppe der (haha!) „Alternativen Steiger für Deutschland“ buddelt einen Tunnel vom Kyffhäuser-Denkmal bis zum Schauspielhaus im natürlich eitlen und blöden Düsseldorf, um dort das Theater zu bereinigen. Alle künstlerischen Figuren müssen sich am bereit stehenden Galgen erhängen. Finden die Fans übrigens auch lustig.
Das haben die Schauspieler nicht verdient. Dem begabten Thomas Schubert in der Rolle des Henrik Höfgen alias Gründgens wäre ein ernsthafter Auftritt zu wünschen. Claudius Steffens macht im wahrsten Sinne eine gute Figur als Klaus Mann, hat aber keine Chance auf eine differenzierte Darstellung. Während die zarte Blanka Winkler sich in clownesken Männerrollen verausgabt und Cathleen Baumann mal als Göring, mal als Barbara/Erika Mann kaspert, chargieren die Männer mit Kunstbusen und ollen Perücken. Nach knapp zwei pausenlosen Stunden mischen sich tatsächlich ein paar Buhrufe in den üblichen Premierenjubel.
Weitere Vorstellungen
Das Stück „Man muss sich Mephisto als einen glücklichen Menschen vorstellen – Gründgens, Mann und die deutsche Seele“ von Jan Bonny und Jan Eichberg wurde auf der kleinen Bühne des Düsseldorfer Schauspielhauses uraufgeführt. Weitere Vorstellungen am 26. Oktober, am 2., 10. und 12. November sowie am 5. Dezember.