Lebensfaden: Sheila Hicks in der Kunsthalle Düsseldorf
Der Chef ist seit Monaten abwesend. Krank, mehr wird nicht gesagt. Direktor Gregor Jansen verpasst jetzt leider auch die neue Ausstellung der Kunsthalle – eine bestrickende Zusammenarbeit mit dem Bottroper „Quadrat“. Beide Häuser zeigen das Werk der 90-jährigen amerikanischen Textilkünstlerin Sheila Hicks. Seelenerwärmend. Ihr Leben lang folgte Hicks dem roten Faden ihrer Inspiration und nutzte Garne, Seile, Stoffe wie ein Maler die Farben oder ein Bildhauer den Stein. Wer ihren temperamentvollen Auftritt bei der Düsseldorfer Pressekonferenz sah, mit großem Gefolge, der weiß: Diese Lady hat noch viel Power.
„Was kann man mit einem Faden machen?“ Das war schon Sheilas Frage in den 1950er-Jahren, als sie in Connecticut an der Yale School of Art studierte. Einer ihrer Lehrer war „Quadrat“-Meister Josef Albers, doch sie suchte sich eine sinnlichere Formensprache als die flache abstrakte Malerei. Sie wollte weben, knüpfen, knoten, Schlingen legen, raumgreifender noch als Albers Ehefrau und Kollegin Anni Albers, die selbst textil arbeitete. Nach Forschungsjahren in Mexiko und Chile, wo sie die Kraft der Volkskunst erforschte, zog Sheila Hicks 1964 nach Paris. Bis heute betreibt sie dort ein Studio oder eher eine große Werkstatt, mit vielen Assistenten.
Weiches Gefühl
Sehr zufrieden lässt sie sich erst mal auf einem ihrer Werke nieder: Die raumgreifende Installation „Saffron Sentinel“ (Safran-Wächter) besteht aus knuffigen Bündeln von roten, gelben und weißen Fasern, die mit feinen, fast unsichtbaren Netzen zusammengehalten werden. Im Museum gilt ja in der Regel: Nichts berühren! Aber die Künstlerin selbst ist da nicht pingelig. Sie fordert ihre Bewunderer sogar auf, einmal anzufassen, das Material zu spüren. Die dicken Fäden aus griechischer Wolle zum Beispiel, die wie ein kuscheliger Wasserfall goldgelb und rostrot vom Geländer der Empore hängen und in Knäueln am Boden enden. Oder die helle Fadensäule („Column: Au-delà“), die bis ans Oberlicht reicht, wie ein weiches Stück Architektur.
An der Seitenwand hängen runde Objekte, mit zahllosen Fäden umspannt, kombiniert mit bunt umwickelten Bambusrohren, sogenannten „Redestäben“, die sich auf kultischen Gebrauch in Naturvölkern beziehen. Manchmal arbeitet Sheila Hicks auch einfach nur mit gebündelten und quer umwickelten Fäden, wie man es von Troddeln oder Quasten kennt. Sie macht daraus lange „Lianen“, die sie zu Wandobjekten zusammenfügt.
Sheilas Humor
Ganz klein darf es manchmal auch sein. Die „Minimes“, an Kinderarbeiten erinnernde Stücke, entstehen oft unterwegs am Handwebrahmen, werden verwoben mit Souvenirs wie Muscheln oder Federn, haben ihren eigenen Zauber. Man kommt gerne ganz nah und folgt dem Verlauf der Fäden.
Oben, auf der Empore in der zweiten Etage, wird es noch einmal groß. Unter einem vergleichsweise konventionellen Wandteppich mit Palmenblättern („Le Palmier“) liegen Bodenobjekte aus Fischernetzen, die an Teiche erinnern und an die koreanische Flecht- und Papierkünstlerin Kim Sang Lan. Die Strenge einiger linear komponierter Reliefbilder, die dem alten Albers gefallen würden, bricht Hicks mit einem kleinen Häuflein heller Deko-Stoffe, die sie in der Kunsthalle fand und spontan in die linke Ecke unter den Feuerlöscher knautschte („Left“). Humor gehört auch zum Gewebe der Kunst bei Sheila Hicks.
Monicas Traurigkeit
Das kann man vom Werk einer anderen Amerikanerin nicht sagen. Im Kunstverein, gleich gegenüber unter demselben Dach, zeigt die 1963 in Los Angeles geborene Malerin Monica Majoli zwei Bilderserien, die von Verlustgefühlen geprägt sind, von Traurigkeit. Auf monumentalen Holzschnitten erscheinen Akte schöner Männer, deren Vorbilder Majoli aus erotischen Schwulenmagazinen der 70er- und 80er-Jahre hat. Viele der Boys in sehr aufreizenden Posen (nicht jedermanns Sache) starben später an Aids. Mit weißen Linien und zarten Aquarellfarben macht Majoli sie gewissermaßen zu Geistern.
Die Frauen hingegen, deren fein beleuchtete Gesichter man in der kleinformatigen dunklen Serie „Black Mirror“ erkennt, sind noch sehr lebendig. Es handelt sich um einstige Liebhaberinnen der Künstlerin: Pam, Amy, Judie. Sie ließen sich von der Ex-Freundin fotografieren. Und Monica Majoli malte sie später in zärtlicher Erinnerung, wie Lichtblicke in der Dunkelheit.
Was, wann und wo?
„Sheila Hicks“: bis 23. Februar 2025 in der Kunsthalle Düsseldorf. „Monica Majoli: Distant Lover“ bis 26. Januar im Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, gleiches Haus, zweite Etage. Geöffnet Di.-So. 11 bis 18 Uhr. Eintritt: 6 Euro, bis 18 Jahre frei. www.kunsthalle-duesseldorf.de, www.kunstverein-duesseldorf.de