Zirkus des Lebens: „Play Dead“ beim Düsseldorf Festival umjubelt
War ja nichts mit dem großen Auftritt. Als die Pandemie alle Welt abbremste, hockten ein paar junge Artisten zusammen in der Wohnung ihres Kollegen Brin Schoellkopf. Lock-Down. Langweilig. Ein bisschen Training musste sein, und wie von selbst entstanden Ideen zu einem Stück Zirkus der anderen Art. Zwischen Tisch und Stuhl. Daraus wurde die phänomenale Performance „Play Dead“ (Totstellen), womit das kanadische Kollektiv „People Watching“ jetzt das Publikum beim Düsseldorf Festival von den Stühlen riss.
Alle sechs Mitglieder der Truppe haben in der Ecole Nationale de Cirque in Québec studiert, sind durchtrainierte Akrobaten und könnten in jeder Las-Vegas-Show glänzen. Aber sie wollen etwas Anderes: ein Körpertheater, das mit den menschlichen Eigenschaften und Marotten spielt, mit der Anziehung und Abstoßung, mit dem Innenleben. Ihre Kulisse ist ein dunkles Wohnzimmer mit altmodischen Möbeln. Dort geraten sie gewissermaßen aneinander. Und zeigen wie zufällig ungeheure sportlich-tänzerische Leistungen.
Tücke des Objekts
Gleich zu Anfang gerät Natasha Patterson in nervöse Zuckungen, die zu schlangenartigen Verrenkungen werden. Allein die Rückbeugen würden jedem wackeren Turner das Kreuz ruinieren. Sabine Van Rensburg, eine langbeinige Schöne mit dem Haarknoten einer Ballerina, hangelt sich den Vorhang hinunter. Sie ist von Haus aus Vertikaltuch-Artistin. Aber sie kann auch auf anmutigste Art mit dem Kleiderschrank kämpfen, windet sich von innen nach außen und oben, legt sich mit Genick und Knöcheln über die Türen, macht sie so auf und zu. Halsbrecherisch!
Wie Raubtiere im Käfig bewegen sich die jungen Leute. Oder wie eingesperrte Kinder. Sie schubsen sich, rangeln, rollen übereinander, blitzschnell, dann folgt ein Handstand oder ein Überschlag. Das alles geschieht so nebenbei, dass man erst mit Verzögerung das Spektakuläre bemerkt. Zwischendurch wird der Tisch gedeckt. Und plötzlich drehen sich die Teller auf vibrierenden Stäben. Einer der Jungs beherrscht die klassische Jonglage. Brin Schoellkopf kann dafür auf den Hälsen von Champagnerflaschen balancieren. Und mit einem Licht als Mikro ein sexy Playback zu Brenda Lees altem Schlager „I’m sorry“ vorführen. Dann knicken dem Tisch die Beine ein, und zwei von den Boys zeigen auf der schrägen Platte das Abrutschen als Pas de Deux. In einem furiosen Finale verwandeln sich Angriffe in Umarmungen, es wird gesprungen, gestürzt, gezerrt, aufgestanden. Das ganze Drama des Menschen.
Information
Noch bis zum 30. September geht das Düsseldorf Festival mit Tanz, Musik und Neuem Zirkus. Tickets an der Kasse im Theaterzelt. Wer mal schnuppern möchte: Samstag/Sonntag zwischen 14 und 16 Uhr gibt es Blue Lounge Jazz in der Theaterbar. Eintritt frei, Spende erbeten. Tickets für das Hauptprogramm an der Kasse. www.duesseldorf-festival.de