Radikalisierung von Frauen durch den IS – Informations- und Diskussionsrunde bei der AWO Düsseldorf
Im Einflussbereich des Islamischen Staats leben mehrere hundert Frauen aus Deutschland. Was hat sie dorthin geführt? Und welche Präventionsmaßnahmen halten Frauen erfolgreich davon ab, sich dem IS anzuschließen? Zu einer Diskussion dieser Fragen begrüßte Ataman Yildirim von der Integrationsagentur des AWO Familienglobus am Montag (24.10.) mehr als 30 Teilnehmer.
Intensive Diskussion: Was die „Muhajirat“ zum IS zieht, interessierte mehr als 30 Teilnehmer
Sie nennen sich selbst Muhajirat: Muslimische Frauen aus westlichen Ländern, die nach Syrien oder in den Irak ziehen, um dort auf Seiten des Islamischen Staats (IS) am Dschihad teilzunehmen – als Logistikerinnen, Media-Administratorinnen, als Unterstützerinnen und „Kriegsbräute“, vereinzelt wohl auch als bewaffnete Kämpferinnen. „Schätzungen zufolge haben sich etwa 800 Anhänger aus Deutschland dem Islamischen Staat angeschlossen; etwa ein Viertel davon sind Mädchen und Frauen“, erklärte Dr. Ekkehard Rudolph, Islamwissenschaftler des Landeskriminalamtes auf der Informations- und Diskussionsveranstaltung der AWO. In seinem Impulsvortrag über die Muhajirat fasste er den aktuellen Wissenstand für die mehr als 30 Teilnehmer zusammen. Zahlreiche Beraterinnen der AWO und anderer Sozialverbände, ehrenamtliche Helfer, Studierende und Senioren hatten sich zu dieser Veranstaltung im Rahmen der Reihe „Respekt und Mut“ eingefunden. „Weitaus mehr IS-Nachwuchs als aus Deutschland kommt aus Belgien und Frankreich in den Nahen Osten“, informierte Rudolph die Runde. „Insgesamt hat der Zustrom in die Gebiete des IS jedoch deutlich nachgelassen. Im Gegenteil: Viele Frauen wollen den IS wieder verlassen.“
IS-Propaganda setzt auf Romantik
Nicht unterschätzt werden darf die hochprofessionelle Propaganda der Islamisten: Videos und Blogs, die ein romantisches, idyllisches Bild vom Leben im Islamischen Staat zeichnen, finden gerade bei Minderjährigen und jungen Frauen Anklang. „Auch der Wunsch, sich von der engmaschigen Kontrolle durch die eigene Familie zu befreien, spielt sicher eine Rolle für die Hinwendung zum IS“, nannte Rudolph als Grund. Mehrere Teilnehmer, die in der Beratung tätig sind, bestätigten die Einschätzung des Wissenschaftlers.
Eine ebenfalls interessante weibliche „Zielgruppe“ für den IS sind Muslimas, die in ihrer westlich geprägten Umgebung eine strenge Form des Islam praktizieren wollen und dabei auf Unverständnis oder sogar Ablehnung stoßen. „Häufig handelt es sich um Konvertitinnen, die sich auf der Suche nach klarer Orientierung dem Islam zugewandt haben“, so der Hinweis des Islamwissenschaftlers. „Ihnen verheißt der IS volle Akzeptanz und die Möglichkeit, endlich ‚selbstbestimmt‘ leben zu können, also in jeder Hinsicht entsprechend ihrer religiösen Überzeugung.“ Im IS angekommen, erfüllen sich die Erwartungen und Hoffnungen der Muhajirat allerdings oftmals nicht. „Wir wissen, dass auch freiwillig eingereiste Frauen in den IS-Territorien entrechtet und missbraucht werden“, berichtete Rudolph. „Die wenigen, denen die Flucht gelingt, sprechen von einem Leben in der Hölle.“
Die Gesellschaft ist gefordert
Kann Prävention solche Leidenswege abwenden? Je früher eine Radikalisierung erkannt wird, desto besser stehen die Chancen, mit den Betroffenen ins Gespräch zu kommen und sie dazu zu ermutigen, die Botschaften der extremistischen Prediger und die IS-Propaganda zu hinterfragen. Organisationen wie „Wegweiser“ leisten hierbei eine wirkungsvolle Arbeit. „Doch letztlich sind wir alle gefordert“, betonte Dirk Sauerborn, Kontaktbeamter der Düsseldorfer Polizei. „Wir müssen dafür sorgen, dass sich junge Muslime – Frauen ebenso wie Männer – hier in unserer Gesellschaft akzeptiert fühlen. Was sollte sie dann noch am IS reizen?“