Frauen vor! Alles neu in der Sammlung des K20 Düsseldorf
Sie sollen zittern, die Herren im Olymp der klassischen Moderne. Susanne Gaensheimer und ihr Team aus den neuen Kurator*innen-Reihen begegnen der Verehrung von Picasso & Kollegen mit Frauenpower. Werner Schmalenbach, der Gründungsdirektor der Kunstsammlung NRW, ist in ihren Augen vor allem der Mann, der an das männliche Genie glaubte und zu seiner Zeit (1962-1990) nur drei Werke von Frauen für museumsreif hielt. Seit Gaensheimer 2017 die Leitung übernahm, sind viele hundert weibliche und/oder außereuropäische Positionen dazugekommen. Die Sammlung im K20 wird jetzt neu präsentiert – „Von Etel Adnan bis Andy Warhol“.
„Raus ins Museum! Rein in Deine Sammlung!“ ruft der Titel. Doch da wartet keine große Show. Anders als Felix Krämer im Kunstpalast kümmert sich Susanne Gaensheimer mehr um ihre kulturpolitische Mission als um die Begeisterung eines breiten Publikums. Sie und Sammlungsleiterin Vivien Trommer bemühen sich zwar um verständliche (zweisprachige) Aussagen und die Beantwortung einfacher Fragen wie: „Was ist ein abstraktes Bild?“, das textreiche Arrangement in vorwiegend weißen Räumen hat aber etwas Schulmeisterliches.
Triggerwarnung
Immerhin: Wer sein Smartphone immer dabei hat, kann sich beim Rundgang von einem elektronischen „Sound of the Collection“ beschallen lassen. Auch dürfen launige Besucher in einem „Open Studio“ mitten drin einen Stoffsack überziehen und lustige Fotos machen. Könnte allerdings sein, dass sie noch zu verärgert sind über die „Triggerwarnung“, die Kirchners „Mädchen unter Japanschirm“, Noldes „Frauen und Pierrot“, Franz Marcs „Drei Katzen“ und Rouaults „Marocain“ zum Gift der Kunstgeschichte macht. Bei den vielgeliebten expressionistischen Meisterwerken handele es sich, sagt der alarmierende Hinweis, um „Kunstwerke aus der Kolonialzeit, die unter anderem sexualisierte und exotisierende Darstellungen von Frauen enthalten oder rassistische Titel tragen“.
So wird die alte Freiheit der Kunst im Namen der politischen Korrektheit gründlich abgewatscht. Eins muss man der Präsentation lassen: Stoff für Diskussionen gibt es reichlich. Darf man die Brasilianerin Lygia Pape und die Kubanerin Carmen Herrera einfach so „Seite an Seite“ (Saal-Überschrift) mit ihrem weltberühmten Zeitgenossen Piet Mondrian zeigen? Die Antwort ist: Ja, durchaus. Sind Papes Papp-Förmchen aus einem bauhausartigen „Buch der Schöpfung“ und Herreras rote „Struktur“-Skulptur dem „Rhythmus aus geraden Linien“ von Mondrian ebenbürtig? Vielleicht, wenn man Sehgewohnheiten überdenkt.
Begegnungen
Der Rang in der Kunst hat ja viel mit erlernten Namen und Inhalten zu tun. Es ist nicht falsch, eine Sammlung, wie Gaensheimer es ausdrückt, „weiterzudenken“. Auch, wenn manches erzwungen scheint. Auch, wenn es uns irritiert, wenn neben Gerhard Richters monumentalen „Wolken“ (1978) das 2022 entstandene und gleich erworbene Werk einer 1989 geborenen Akademieabsolventin namens Noemi Weber hängt. Deren „Kostbar*e Schwindler*in“ besteht aus zerschnittenen, wild bemalten, mit Ösen versehenen Leinwänden und, so das Schild, „verhandelt die historischen Bedingungen und gegenwärtigen Möglichkeiten der Malerei“. Das Abgesegnete und das Neue kommen in der oberen Etage des Düsseldorfer Tempels der Moderne zusammen. Ob sich das Neue hält, wird sich zeigen. Erst mal schauen wir hin.
Und wir sehen, dass sich die kleinen lyrischen Abstraktionen der in Beirut geborenen Weltbürgerin Etel Adnan (1925-2021) ganz schwerelos halten neben Pierre Bonnards großer, spätimpressionistischer „Terrasse von Vernon“. Die Düsseldorfer Künstlerin und Architektin Anys Reimann, Tochter eines Afrikaners und einer Europäerin, begegnet mit ihren kraftvollen, aus Fotografie und Malerei komponierten „Sitting Belles“ den 100 Jahre alten „Deux femmes nues assises“ des Pablo Picasso. Auf Augenhöhe, nicht nur im wörtlichen Sinn.
Vertrautheiten
Denn das passt auf überraschende Weise – genau wie weiter hinten eine schwarze Schönheit mit Blumen („Friedensaufruf“), die der Nigerianer Peter Uka erst letztes Jahr malte, und Picassos wohlbekannte, tausendfach abgedruckte „Femme au miroir“ von 1937. Ganz witzig schwebt ein ausgestopftes Stoffauge von Wiebke Siem von der Decke über Dali und Magritte in der Abteilung der Surrealisten. Schwach hingegen der Eindruck im großen Saal im ersten Stock, den man über eine Wendeltreppe betritt. Ein Streifen-Wandbild von Bridget Riley und besonders eintönige Strickbilder von Rosemarie Trockel können den Raum nicht prägen. Die starken Bilder von Pollock und Lichtenstein wurden dafür nach hinten verbannt.
Aber: Nicht alles muss jedem gefallen. Über die Auswahl und die Hängung darf gestritten werden. Und vertraute Schätze sind auch noch da: die Traumvögel des Max Ernst („Après nous la materinité“), Fernand Légers monumentale Version von „Adam und Eva“, Chagalls „Jour de fête“, Max Beckmanns „Nacht“ des Grauens, Modiglianis feines „Porträt von Max Jacob“, Paul Klees „Schwarzer Fürst“, das „Kamel (in rhythmischer Baumlandschaft)“, „Heroische Rosen“ und viele andere Kostbarkeiten aus dem poetischen Werk des Malers, der 1933 von den Nazis aus der Düsseldorfer Kunstakademie entlassen und als „entartet“ gebrandmarkt wurde. Mit 88 Werken von Klee aus einer amerikanischen Sammlung begann in den 1960er-Jahren der Aufbau der Kunstsammlung NRW. Sie sind heute noch das Herz des Museums.
Was, wann und wo?
„Raus ins Museum! Rein in Deine Sammlung! Meisterwerke von Etel Adnan bis Andy Warhol“. Die Sammlung der klassischen Moderne in der Düsseldorfer Landesgalerie K20, Grabbeplatz, wurde um Neuerwerbungen bis zur Gegenwart erweitert. Die Präsentation von 180 Werken in 20 Räumen zeigt neben den bekannten Stücken auch zahlreiche weibliche und außereuropäische Positionen. Eintritt: 9 Euro (nur Sammlung). Di.-So. 11 bis 18 Uhr. www.kunstsammlung.de