Düsseldorf: „Ausbildung statt Ausbeutung“ skandieren 1000 Medizinstudierende vor dem Landtag
Fünf Jahre lang dauert das Medizinstudium, bevor die Studierenden im sogenannten „Praktischen Jahr“ (PJ) die Praxis im Klinikalltag kennenlernen sollen, um anschließend ihr drittes Staatsexamen abzulegen. Ziel des „PJ“ ist die Vorbereitung auf die selbständige ärztliche Tätigkeit. Seit Jahren schon kritisieren die PJ’ler die schlechten Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen an den Kliniken. Eine Demonstration rund um die Uniklinik Düsseldorf im Juli 2023 brachte keine Verbesserung der Situation, obwohl den zuständigen Politiker*innen die Missstände deutlich beschrieben wurden.
Schon damals lauteten die Forderungen
- Anhebung der PJ-Aufwandsentschädigung auf den BAföG-Höchstsatz bundesweit, da viele Studierenden diesen Teil ihres Studiums durch Zweitjobs selbst finanzieren müssen.
- Trennung von Krankheits- und Fehltagen (begrenzte Krankschreibung im PJ ermöglichen). Denn aktuell dürfen sich Studierende im „Praktischen Jahr“ nicht krankmelden. Werden sie krank, werden ihnen die Ausfalltage von ihren 30 freien Tagen abgezogen.
- Einführung strukturierter PJ-Ausbildungsprogramme (Implementierung des Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalogs Medizin, NKLM)
- 30 Tage Lernzeit zwischen PJ-Ende und Staatsexamen (Anpassung der Fristen in der Ärztlichen Approbationsordnung)
Da seitdem nicht geschehen ist, gingen die Medizinstudierenden der Fachschaften Aachen, Bonn, Bochum, Bielefeld, Düsseldorf, Essen, Köln und Witten am Mittwoch (19.6.) gemeinsam auf die Straße. Vom Düsseldorfer Hauptbahnhof zogen sie zum Landtag, wo am Nachmittag der Gesundheitsausschuss tagte.
Eindrucksvoll skandierten die Tausend „Ausbildung statt Ausbeutung“ und „wir haben Bock auf faires PJ“. Geplant war vom Orga-Team Giulia Ritter, Präsidentin der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd), Erik Busse und Ferdinand Breuning von der Fachschaft Düsseldorf ein Zusammentreffen mit den gesundheitspolitischen Sprechern von CDU, Bündnis 90/Die Grünen, SPD und FDP. Sehr zu ihrer Freude nahm sich auch NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann Zeit und sprach zu den Studierenden.
Laumann bekräftigte die Forderung nach einer guten Ausbildung und betonte, dass sowohl im Hörsaal und in der Klinik den Studierenden Wertschätzung entgegengebracht werden müsse. Einige der Schilderung über Missstände an den Kliniken hätten ihn erschreckt, bekannte der Gesundheitsminister. Allerdings seien viele Punkte in der Approbationsordnung festgelegt und die sei Sache des Bundes. Pfiffe erhielt Laumann für seine Aussage, dass das PJ formal zum Studium gehöre. Daher sei die Bezahlung über BAföG oder die Eltern zu regeln, denn die Krankenhäuser würden nicht im Geld schwimmen. Laumann gab zu, dass obwohl das Thema im Schwarz-Grünen-Koalitionsvertrag stehe, zu lange nichts geschehen sei. Allerdings sei auch Ina Brandes, NRW-Ministerin für Kultur und Wissenschaft, für die Kliniken zuständig und nicht das Gesundheitsministerium allein. Er schlug den Studierenden vor zeitnah einen runden Tisch ins Leben zu rufen, an dem sich die beiden Ministerien, die Studierenden und die Kliniken zusammensetzen. „Dies ist mein redlicher Versuch die Situation zu verbessern, mehr kann ich heute nicht machen“, erklärte Laumann.
Im Anschluss diskutieren die Mitglieder des Gesundheitsausschusses Susanne Schneider (FDP), Meral Thoms (Grüne), Marco Schmitz (CDU) und Rodion Bakum (SPD) mit den Studierenden über den politischen Stand der Verhandlungen zum FDP-Antrag zum Fairen PJ. Alle vier Politiker*innen wollen die Forderungen der Studierenden unterstützen. Ferdinand Breuning von der Fachschaft Düsseldorf betonte, wie dringlich die Veränderungen im Praktischen Jahr seien. PJ’ler sollten aus Angst vor Fehltagen nicht länger krank zur Arbeit im Klinikum erscheinen.
Für das Bündnis aus allen Fachschaften der Medizin NRWs war die Demonstration ein erster Erfolg: “Wir haben heute alle wichtigen Köpfe der Gesundheitspolitik zusammengebracht und uns öffentlich deren Unterstützung zusichern lassen. Jetzt müssen konkrete Handlungen folgen und der Minister muss seine Zusagen einhalten. Wir haben alle Bock darauf, als Ärztinnen und Ärzte zu arbeiten und wollen uns das nicht durch ein schlechtes Praktisches Jahr nehmen lassen”, so Erik Busse von der Fachschaft Düsseldorf.
Ob es noch vor der Sommerpause eine Einladung zum versprochenen Runden Tisch geben wird, bleibt abzuwarten. Klar ist, dass die Studierenden nicht locker lassen werden.