Kunst-Triennale Brügge 2018: Begehbarer Spagat zwischen Tradition und Innovation
Die ballonartigen Skulpturen namens „Aerocene“ von Tomás Saraceno, in dessen begehbare Installation „in orbit“ sich Besucher im K21 in Düsseldorf schon mal gern hängen, sind in Brügge nur noch in einem Video zu bewundern. Doch die Kunst-Triennale in dem auch ohne besonderen Anlass beschaulichen mittelalterlichen Städtchen lässt sich noch bis zum 16. September besuchen. Bis dahin ist das Stadtbild im Wortsinn kunstvoll gestaltet von 15 teilnehmenden Architekten und Künstlern.
Der gelungene Spagat zwischen Tradition und Innovation ist vielerorts erlebbar und sogar begehbar, deshalb nicht nur für Kulturbürger, sondern auch als Familienausflug mit Kindern empfehlenswert. „Liquid City“ – die flüchtige Stadt ist das Thema dieser zweiten Triennale nach 2015. Es gab diese Art Veranstaltung schon einmal in den 60-er Jahren. Doch sie geriet, keiner weiß so recht warum, in Vergessenheit. In diesem Sommer lebt sie wieder auf in einem Parcour entlang der Grachten und sogar darauf und darin. Beispielsweise auf den mehr als 100 Quadratmetern von „The Floating Island“.
Guter Start: Eine halbstündige Grachtenfahrt vermitttelt einen Einstieg in Brügge. Im Hintergrund: Skycraper.
Die koreanischen Architekten der Gruppe OBBA haben elastische Netze gesponnen als Geländer, die einen über Wasser halten. Kinder schaukeln auf großen Knoten in den Seilen. Oder sie springen an anderer Stelle in der Stadt ins Wasser vom Pavillon „Selgascano“. Weithin sichtbar schlängelt er sich wie ein entzündeter roter Blinddarm auf der Gracht, verankert auf einer Plattform für ein temporäres Schwimmbad. Da hält an heißen Tagen noch nicht einmal der Hinweis auf Blaualgen ab.
Kunst in Signalfarbe: der Pavillon „Selgascano“.
Star der Triennale ist aber zweifellos „Skycraper“, ein Blauwal der sich in der Nähe des Standbilds von Jan van Eyck aus dem Kanal erhebt. Er besteht aus weltweit in Meeren gesammeltem Plastikmüll, eine absolute Fleißarbeit des New Yorker StudioKCA und seiner freiwilligen Helfer des Hawaii Wildlife Funds. „The Bruges Whale“ wird wohl auf den meisten Selfies zu sehen sein, von vorn an Land, von hinten während der halbstündigen Grachtenrundfahrt als Einstieg in die Stadt- und ihre Kunst-Geschichte.
Augenblick in der "flüchtigen Stadt" – Brügge
Nur auf den ersten Blick weniger Spektakuläres wie die wehenden Vorhänge der Gruppe G.O.D verstecken sich in Hinterhöfen mit oft malerischen Innengärten. In denen lassen sich in aller Stille so ganz nebenbei auch vergangene Gemeinschafts-Wohnkonzepte studieren. Nicht weniger bemerkenswert als die moderne Kunst, verweisen sie doch ebenso wie der beliebte Blauwal auf brandaktuelle gesellschaftliche Prozesse. Die thematisierte flüchtige Stadt stehe für Offenheit, Erneuerung, Zusammenarbeit und Dialog, erklärte ihr Bürgermeister Renaat Landhueyt zum Start im Frühjahr. Alles fließt. Vielleicht auch eine neue Nachdenklichkeit inmitten manchmal allzu reißfest erscheinender Touristenströme in dem UNESCO-Weltkulturerbe Brügge.
Hier geht’s lang
Triennale Brügge 2018 Liquid City – flüchtige Stadt. Zeitgenössische Kunst und Architektur in der historischen Innenstadt, noch bis 16. September, Installationen und Ausstellungen zugänglich von Montag bis Sonntag 12 bis 18 Uhr. Eintritt frei. www.triennalebrugge.de
Es gibt Führungen zu Fuß und mit dem Rad. Info und Reservierung: visitbruges@brugge.be
Erlebnistour für Familien (3 – 12 Jahre) bis 9. September, sonntags, für Erwachsene: 5 Euro, Kinder kostenlos www.ticketsbrugge.be
Zentraler Infopunkt mit Ausstellung zur Entstehung der verschiedenen Installationen, nebenan lauschiger Café-Terrasse URB EGG mit Liegestühlen, 12 bis 22 Uhr: Poortersloge, Kraanrei 19
Anreise mit dem Auto oder von Düsseldorf praktisch mit dem Thalys bis Brüssel, weiter mit einem Regionalzug in einer knappen Stunde nach Brügge – nach Sondertarifen fragen!