Kunst will kuscheln: „Der rote Faden“ im KIT Düsseldorf
Sticken, fädeln, weben? Das ist schön. Aber kann ein Werk daraus werden? Lange Zeit war die Handarbeit im Alltag beliebt, in der Kunst aber eine Randerscheinung. Selbst Bauhaus-Meisterinnen, die Malerei in Teppiche umsetzten, wurden eher gönnerhaft betrachtet. Das ist anders, seit die maliziöse Spinnenfrau Louise Bourgeois (1911-2010) auch mit Nadel und Faden arbeitete und die deutsche Star-Künstlerin Rosemarie Trockel monumentale Bilder stricken ließ. In der jüngeren Szene geht man unbefangen, manchmal fast naiv, mit textilen Materialien um. „Der rote Faden“ zieht sich jetzt durch Düsseldorfs unterirdische Ausstellungshalle KIT.
Gleich vorne, wo der Tunnel niedrig zuläuft, hat offenbar eine Meerjungfrau ihre „Gaben für die Unendlichkeit“ ausgebreitet. Wie Wellen am Strand sind da Perlenschnüre arrangiert. Außerdem bastelte Sofía Magdits Espinoza, 1995 in Texas geboren und an der Düsseldorfer Akademie ausgebildet, allerlei Ketten und Zierrat aus Muscheln. Hier und da liegt ein Glitzerstein. Wer will, darf selbst ein bisschen kreativ werden. Weiter unten lädt Sofía sogar dazu ein, an einem lose gewebten „Himmel“ (Cielo) zu arbeiten. Darf ruhig schief und löchrig sein. Viele Besucher*innen in vergangenen Ausstellungen haben schon mit Begeisterung mitgemacht. Sehr einladend liegen dicke blaue Wollknäuel am Boden.
Textile Umarmung
„Das Textile umarmt uns die ganze Zeit“, so zitiert Kuratorin Jessica Gilles die junge Künstlerin, die selbst mit großer Herzlichkeit arbeitet. „Pachamama“, heilige Mutter Erde, nennt Sofía Magdits Espinoza ein schwebendes Teppichobjekt mit Feldern in Erdtönen und hölzernen Perlen, „Alles, was die Nacht brachte“ sind dunkle Fäden, aus denen wie Sterne goldene Ringe blitzen. Keine Angst vor Behaglichkeit hat auch die Ukrainerin Viki Berg (31), früher Kharkiv, jetzt Berlin. In der Tradition ihrer Heimat knüpft, nein, tuftet sie kuschelige Blumen, da „nur das Schöne das Schlechte aufhalten kann“.
Aber die plastischen Riesenblumen, die auf einer grünen Strickwiese blühen, sehen fast ein bisschen unheimlich aus. Hat die rote Blüte nicht sogar ein Teufelsgesicht? „Monster Garten“ nennt Viki Berg die Installation, denn auch Emotionen wie Angst und Wut sollen hier wachsen. Allerdings tun sie nichts Böses. Sie wollen nur spielen, wie auch die gestickten Bilder der Koreanerin Hyunjin Kim, die in Düsseldorf studierte und mit Garn auf die Leinwand malt: Blumen, Fischlein, Netze, abstrakte Formen. So perfekt, dass man erst aus der Nähe sieht, dass die vermeintlichen Pinselstriche gespannte Fäden sind.
Markise wird Bild
Strenger und künstlerisch herausfordernder sind die textilen Arbeiten des Düsseldorfer Akademie-Absolventen Erik Mikaia (geboren 1988). Er benutzt gebrauchte Stoffe, die er bleicht und verwandelt. Auf eine alte Nylon-Markise, die immer noch Spuren von Regen und Schmutz zeigt, zeichnete er ein paar schwebende Linien und machte daraus eine fünf Meter hohe „Leermenge“. Kommt auf dem rohen Beton des Saales sehr gut zur Geltung.
Mit wandfüllenden Bahnen, deren Kräusellinien an die Fluten des Rheins erinnern sollen, bespannte Mikaia die spitze hintere Ecke des Raums. Zwei Leuchtbogen scheinen von hinten durch die Stoffe und sorgen für geheimnisvolles Licht. Auf Sitzkissen kann man es sich bequem machen. Die Kunst in dieser Ausstellung will nicht provozieren. Sie will kuscheln.
Was, wann und wo?
„Der rote Faden – Viki Berg, Erik Mikaia, Hyunjin Kim, Sofía Magdits Espinoza“: bis 15. September im KIT (Kunst im Tunnel) an der Düsseldorfer Rheinpromenade, Mannesmannufer 1b. Di.-So. 11 bis 18 Uhr. Eintritt: vier Euro, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre frei. www.kunst-im-tunnel.de