Düsseldorf: Ökumenischer Kreuzweg beweist seine Aktualität
Von wegen veraltet, nicht mehr zeitgemäß, überkommen, out. Der ökumenische Kreuzweg, den die katholische und evangelische Kirche am Karfreitag (29.3.) gemeinsam veranstalteten und organisierten, hatte an jeder der fünf Stationen topaktuelle Bezüge. So kamen beispielsweise an der Johanneskirche die Kriegstreiber, die Tyrannen in den Blick, die die Welt derzeit mit Waffengewalt überziehen. An der Andreaskirche wurde an die Verantwortung der Mandatsträger und auch jedes einzelnen erinnert. Auch die Missbrauchs-Skandale in den beiden christlichen Kirchen anzusprechen, scheuten sich die Düsseldorfer Geistlichen nicht.
„Jede Woche erwarten uns neue Krisen, neue Konflikte. Davor kann man nicht die Augen verschließen“, so die Pfarrerin an der Neanderkirche Antje Brunotte. „Wir werden bei unserer freien Meinungsäußerung vom Gesetz und bei Demonstrationen von der Polizei geschützt. Das ist in vielen anderen Ländern nicht der Fall.“ Brunotte hatte die Meditationstexte für die insgesamt fünf Stationen des innerstädtischen ökumenischen Kreuzweges verfasst.
Etwas mehr als 200 Gläubige folgten den Worten und den Schritten von Stadtdechant Frank Heidkamp und Superintendent Heinrich Fucks. „Sie werden es erleben. Die Kriegstreiber dieser Tage. Die Despoten, die vor keiner Grenze mehr halt machen, die alles aufs Spiel setzen, die Tausende von Leben auf dem Gewissen haben“, trug Fucks vor der zweiten Düsseldorfer Kreuzwegstation, der Johanneskirche, vor. „Die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen. Und die, die ihnen das ins Gesicht sagen, die verraten und verhaftet werden, gefoltert und verhöhnt, die werden leben.“
So kamen alle Entrechteten in Russland, der Ukraine, dem Iran, Afghanistan, im Jemen, in Israel und dem Gaza-Streifen und überall sonst auf der Welt in den Blick der Düsseldorfer Christen. Denjenigen, die sich nicht ihrer Verantwortung stellen und sich von aufgebrachten Menschenmengen in eine falsche Richtung drängen lasen, wurden vor der Neanderkirche die Leviten gelesen. „Wer Verantwortung hat, trage sie auch. Damals und heute. In unserer Stadt, in unserem Land, in unserer Welt, redet euch nicht raus. Lasst nicht zu, dass der Mob euer Handeln regiert. Denn so kommt das Blut über uns und unsere Kinder. Das haben wir doch erlebt, wie die Vergangenheit unsere Zukunft bestimmt. Nie wieder ist jetzt. Nie wieder ein Mob, der die Unschuldigen in den Tod schickt. Nie wieder Verantwortliche, die keine Verantwortung tragen“, das waren die Worte, die an die vielen antisemitischen Handlungen, ja Straftaten, an die rechtsextemen, antidemokratischen und rassistischen Veranstaltungen der letzten Zeit erinnerten.
Damit aber noch nicht genug, denn auch mit ihrer eigenen Institution gingen die beiden Düsseldorfer Kirchen ins Gericht. „Wie viele sind betroffen von Gewalt und Missbrauch?“, fragte man vor der Andreaskirche. „Auch mitten unter uns. Auch mitten in unseren Gemeinden. Jesus steht an der Seite derer, die leiden, deren Leben zerstört wurde, die sich selbst in unseren Kirchen nicht sicher fühlen.“ Das ist zwar keine Aufarbeitung, aber wenigstens bringt es Gläubigen Christen die Hoffnung, dass sie nicht vergessen sind.
Nicht nur durch das „Nie wieder ist jetzt“ wurde der ökonomische Kreuzweg – neben dem kirchlichen Gedenken an die Leiden und den Tod Christi vor mehr als 2000 Jahren – zu einer hochaktuellen, politischen Veranstaltung.