Herzenssache: „Only Lovers Left“ in der Kunsthalle Düsseldorf
Nie wieder wird hier behauptet, dass die Kunsthalle verkopfte Konzepte verbreitet. Direktor Gregor Jansen erweist sich in diesem Frühjahr als Romantiker. Er präsentiert, was seine Co-Kuratorin Alicia Holthausen eine „Herzensangelegenheit“ nennt: die wahrhaft liebevollen Bilder, Fotografien und Installationen des Künstlerehepaares Margarete Jakschik und Friedrich Kunath: „Only Lovers Left“, nur Liebende bleiben übrig. Der Titel ist geklaut von Jim Jarmuschs Spielfilm „Only Lovers Left Alive“, einer aparten Vampir-Romanze. In der Düsseldorfer Ausstellung geht es allerdings ganz um den sterblichen Menschen und seine Sehnsucht.
Tief im Westen geniert man sich ja immer ein bisschen, gefühlvolle Kunst zu mögen. Die Angst vor neuem Kitsch ist groß. Friedrich Kunath, 1974 in Chemnitz geboren, und seine gleichaltrige Frau und Kollegin Margarete Jaschik, die aus Polen stammt, sind im Osten aufgewachsen. Vielleicht lassen sie deshalb mehr zu. Und obwohl Jakschik bei Becher-Schüler Thomas Ruff in der nüchternen Tradition der Düsseldorfer Fotoschule studierte, entwickelte sie ihren eigenen Stil. Mit Amour und Melancholie. Europäische Romantik, sehr geschätzt in ihrer neuen Heimat Los Angeles, wo das Paar seit 2007 lebt.
Im Abendlicht
In Maggie Jakschiks Werk gibt es wunderbare Wolken, rotgoldene Dämmerungen, Kätzchen und Schwäne, Frauenbeine auf einer Blumenwiese, aber auch verloren in der Ecke liegende Bälle sowie einen einsamen weißhaarigen Herrn hinterm Steuer eines alten Autos. Der Vater der Künstlerin agiert bisweilen als Modell. Eine gewisse Verunsicherung gehört durchaus zum Stimmungsbild, das Friedrich Kunath in Öl fortsetzt. Er malte eine heimelige Hütte im Gebirge, eine Männerhand mit Blumenstrauß, einen modernen Wanderer über dem Nebelmeer, den Schatten eines Paares im Abendlicht, ergänzt mit dem wellenförmigen Satz: „I just need you and some sunsets“, ich brauche nur dich und ein paar Sonnenuntergänge. Das Motiv hat er von einem Foto seiner Frau übernommen.
Die wahre Liebe will Ewigkeit, davon zeugen Skelette und Grabkreuze in inniger Umarmung. Traurig, aber nicht zu sehr. Immerhin schrieb der Künstler in den Himmel: „Looks like we made it“, sieht aus, als hätten wir’s geschafft. Ein Leben voller Liebe. Aber ehe die Schwärmerei überhand nimmt, kommt Ironie ins Spiel, und Kunath lässt drahtgestärkte Sneaker-Schnürsenkel wie Vögel am durchsichtigen Schnürchen durch die Lüfte schweben. Sie scheinen über die Balustrade zu fliegen bis in den hohen Saal, dessen hintere Wand mit Airbrush als pink-türkisfarbener Himmel gestaltet wurde – frei nach dem Cover von Taylor Swifts Album „Lovers“, Lieblingsmusik der elfjährigen Künstlertochter.
Weiter mit Gefühl
Auf dem Boden der Tatsachen hat Kunath einen Tennisplatz installiert, der die Zeichen der Zeit trägt, ein schlappes Netz, ein bisschen Herbstlaub. Die Vergänglichkeit hat hier gesiegt. Ein überdimensionales Erdmännchen ist auf dem Spielfeld umgekippt, ein anderes Nagetier hält eine alte Barbara-Streisand-Platte: „People“. Großes Kino.
Daneben führt eine zierliche Himmelsleiter in ein Vogelhäuschen. Alles ein bisschen crazy, das darf sein. Aus dem Seitensaal gegenüber kommt Musik. Dort liegt lässig ein Bronzemann mit dem Kopf in einem offenen Vogelkäfig und guckt auf einen verglasten Raum voller Bücher, Bilder und Kuriositäten. Es gibt viel zu entdecken und zu spüren in dieser Ausstellung, und eine blaue Neonschrift im Fenster lässt uns lächeln: „Come back romance, all is forgiven“. Komm zurück, Romantik, es ist alles vergeben.
Dazu passt durchaus die neue Ausstellung des Kunstvereins oben im Haus. Denn die Bildwelt von Behrang Karimi ist geprägt durch „starke Emotionalität“, wie Kuratorin und Vereinschefin Kathrin Bentele sagt. Der in Köln lebende Künstler, 1980 im Iran geboren, an der Düsseldorfer Akademie ausgebildet, malt expressive, innige, rätselhafte Szenen. Ein Stillleben mit Blumentöpfen wird zum „Pfand der Erinnerung“. Die „Mutter aller Geduld“ hockt vor einem Fenster. „Plötzlich so leicht und klar“ erscheinen durchsichtige Gestalten in diffuser Landschaft, während im Hintergrund ein Feuer brennt. Zwei skulpturale hölzerne Stühle und ein „Traumbett“ laden zum Platznehmen ein. Über Kopfhörer kann man der Familie Karimi lauschen: Klavierspiel, Kinderstimmen. Die Kunst umarmt das Leben.
Was, wann und wo?
„Only Lovers Left: Margarete Jakschik und Friedrich Kunath“. Bis 9. September in der Kunsthalle Düsseldorf, Grabbeplatz 4. Zugleich zeigt der Kunstverein im selben Haus die Bilder, Zeichnungen und Möbelobjekte von Behrang Karimi: „Pocket Call“. Di. So. 11 bis 18 Uhr. Eintritt: 6 Euro. www.kunsthalle-duesseldorf.de und www.kunstverein-duesseldorf.de