Raffinesse: Fotografie in der Sammlung Philara Düsseldorf
Wow-Effekte sind nicht dabei. Während man in der Fotoschau des Kunstpalastes sieht, wie Größe die Wahrnehmung manipulieren kann („Size matters“), zeigt die private Sammlung Philara vorwiegend bescheidene Formate aus der eigenen Sammlung. Aber es lohnt sich, genauer hinzusehen. Und nachzuspüren. Unter dem Titel „In Abwesenheit“ haben Direktorin Julika Bosch und ihre Kollegin Hannah Niemeier etliche Fotografien zusammengestellt, auf denen etwas zu fehlen scheint: eine Person, eine Erklärung. Rätselhaftigkeit ist den Werken von 20 Künstler*innen aus der Vergangenheit und Gegenwart gemeinsam.
Was die Niederländerin Germaine Kruip in die Welt gesetzt hat, ist gar kein Foto, nur ein Lichtbild im wahrsten Sinne des Wortes. Ein beleuchteter Spiegel am Boden wirft ein rundes Licht an die Wand („Untitled Circle“). Man erwartet eine Projektion, aber da kommt nichts. Nur der eine oder andere Schatten der Anwesenden. Die wundern sich und versuchen, in zwei zierlichen glänzenden Goldkugeln des Installationsmeisters Olafur Eliasson den titelgebenden „Gaze of Versailles“, einen Blick auf das Prachtschloss, zu erhaschen. Doch sie erkennen nur die eigenen Gesichter, winzig.
Hinter dem Vorhang
Was hinter dem verschwommenen „Vorhang“ von Jan Paul Evers ist, kann niemand wissen. Nur fantasieren. Selbst das entfällt vor einer Abstraktion von Thomas Ruff, der in den 1980er-Jahren berühmt wurde für seine überdeutlichen Porträts und nun mit digitalen Tricks eine Komposition schuf, die entfernt an alte Fotogramme erinnert, bei denen Gegenstände direkt auf Fotopapier belichtet wurden. Nur beherrscht diese Arbeit den Raum durch ihre Größe: zweieinhalb Meter. Size matters, wir wissen es aus dem Kunstpalast.
Mickrig wirken dagegen im coolen Ambiente der ehemaligen Fabrikhalle kleine Formate wie eine schwarz-weiße Foto-Collage des Münchner Akademie-Professors Gregor Hildebrandt, der die rauchende Diseuse Ingrid Caven mit den Fingern in die aufgeklebten Bänder einer Tonkassette greifen lässt, als sei das eine Harfe. „Ein Lied von Wiederkehr“ heißt das Bild nach einem Chanson, aber der Ton ist längst verklungen wie die Erinnerung an die schrägen, politisch herrlich unkorrekten Konzertabende der Diva und Fassbinder-Gefährtin.
Künstliche Tränen
In einem Kabinett wäre die Arbeit besser zur Geltung gekommen – so wie das berühmte tränende Frauenauge von Man Ray („Les Larmes“ von 1932), das als abgesegneter Abzug von 1987 zur Sammlung gehört. Da heult es in mondäner Schönheit auf dunkelblauer Wand, während ein Video von Taiyo Onorato und Nico Krebs zwei Tänzer*innen („Dancers“) zu einer fluiden Figur vereint, weil von der einen nur die Beine und von der anderen nur der Oberkörper zu sehen ist. Hier sorgen die Fehlstellen für Heiterkeit. Äußerst beunruhigend sind hingegen die kärglichen Möbel, ein Koffer und eine Matratze, die Ricarda Roggan in verschiedene armselige fensterlose Räume platziert hat. Schauplätze von Not und Erniedrigung, obwohl niemand zu sehen ist.
Die Abwesenheit spielt ihre Rolle – sowohl bei den seltsam leeren Häusern, die Thomas Struth um 1990 serienweise fotografierte, als auch auf den von Menschen wimmelnden Reportage-Fotos, die Jef Geys 1969 bei der Tour de France machte – nur ohne den siegreichen Eddy Merckx. Irritation gehört zum Konzept. Auch bei der schönen schwarzen Frau, die den Rock einer europäisch anmutenden Robe aus afrikanischen Stoff rafft (Tamray Kudita, „Sight Unseen III“). Oder bei „Laura“, dem blonden Opfer aus der Serie „Twin Peaks“, die bei Martina Sauter wie ein hübsches Gespenst um eine abstrakte Ecke guckt.
Was, wann und wo?
„In Abwesenheit“. Fotografien und mit der Fotografie verbundene Werke. Bis 8. September in der Sammlung Philara, Birkenstr. 47a, Düsseldorf. Geöffnet: Fr. 16 bis 20 Uhr, Sa./So. 14 bis 18 Uhr. Eintritt frei. Spenden willkommen. www.philara.de