Momente: Sammlung Stoschek im Schauspielhaus Düsseldorf

Die Videokunst braucht ihr eigenes Reich, um die Betrachter ganz und gar zu becircen. So wie in der Stoschek Foundation, wo die Säle höhlenhaft dunkel und die schalldichten Wände aus Glas sind. Aber die ehemalige Rahmenfabrik an der Schanzenstraße ist jetzt ein Jahr lang wegen Sanierung geschlossen – und die Stiftung präsentiert ihre „zeitbasierte Medienkunst“ anderswo im Düsseldorfer Stadtraum. Melancholischer Titel: „Die Zeit, die bleibt“. Erster Streich: „Shifting“ (Verschiebung) im Foyer des Schauspielhauses.

Jung und ambitioniert: Kuratorin Lou von der Heyde vor einer Projektion auf Betonwand im Foyer des Düsseldorfer Schauspielhauses. Foto: bikö
Lou von der Heyde, jung, eloquent und heiter, hat imponierende Ambitionen. Nach drei Jahren Kunstarbeit in Paris absolviert die 27-jährige Berlinerin zwei Master-Studiengänge in „Curatorial Studies“ und „Critical Studies“ in Frankfurt und Wien. Sie arbeitet viel in vollen Zügen. Und sie ist Stipendiatin des „Curatory & Research Residency Program“, das die Sammlerin und Großmäzenatin Julia Stoschek 2019 gründete. Lou untersucht die Ursprünge der Medienkunst in NRW und sorgt außerdem dafür, dass die Foundation während der Schließung nicht vergessen wird. Das offene Foyer des Düsseldorfer Theaters am Gründgens-Platz ist Schauplatz einer Ausstellung mit neun Video-Arbeiten aus der coolen Szene.
Flüchtige Blicke

Platz für die Videokunst: Die Ausstellung “Shifting” lockt ins offene Foyer des Schauspielhauses. Foto: bikö
Schummrig genug ist es ja im Pfau-Bau. Wer die Öffnung am Nachmittag nutzt, kann sich in Ruhe den flimmernden Werken widmen, den Anfang abwarten, Kopfhörer aufsetzen, bis zum Ende gucken. Wenn das Theaterpublikum gegen Abend kommt, werden es eher flüchtige Blicke sein, aufgeschnappte Momente, Zufallseindrücke. Das, glaubt Lou von der Heyde, passt schon. Das Fetzenhafte, Fragmentarische gehört ohnehin zu den Eigenschaften der Videokunst. Wie in der Episode „Succubus“, die im Garderobengang auf eine Jalousie projiziert wird. Eine „Atmosphäre der Unvollständigen“ wollen Tarren Johnson und Joel Cocks mit ihren Probenszenen aus Kalifornien schaffen, auch wenn die „clouds of incertainty“, die Wolken der Verunsicherung, aufziehen.
Um Ungewissheiten geht es auch in dem Video „intimate yell“ der dänischen Künstlerin und DJ Courtesy, die zu Club-Rhythmen ihre Friends beim Tanzen, Flirten und sich Abwenden zeigt. „Breadcrumbing“ (Brotkrümel verteilen) heißt die Art, Zuwendung nur in kleinen Gesten zu zeigen und dann wieder zu entziehen. Die digitale Kommunikation erzeugt ihre kleinen Dramen und großen Tragödien. Die Pariserin Christelle Oyiri erzählt in „Hyperfate“ vom Schicksal schwarzer Rapper, die nach schnellem Aufstieg oft fatal enden. Die Australierin Lila-Zoé Krauss hingegen lässt ihre Fantasie schweifen und erscheint auf dreierlei Bildschirmen als schräg programmiertes „Girl“, das durch eine träumerische Science-Fiction-Oper geistert.

Neben der Foyer-Bar geht es in dem Video “Hyperfate” von Christelle Oyiri um das Schicksal schwarzer Rapper. Foto: bikö
Natürlich schön
Leichter zugänglich und konzentrierter ist Emma Rosenzweigs Film „Underneath the Bridge“. Die Dänin hat inmitten eines Kopenhagener Parks eine Outdoor-Beautyklinik aufgebaut, wo lächelnde Expertinnen am Kunden feilen. Eine auffallend hübsche junge Frau will sich dort unbedingt verändern lassen und lässt sich nicht von ihrer zornigen Mutter, einer Feministin der alten Schule, davon abhalten. Ihr Streitgespräch unter Bäumen am Weiher ist eine typische Debatte der Gegenwart. „Sie zerstören ihre Gesichter und fliehen vor der Natur“, klagt die ungeschminkt schöne Mutter, während ihr Kind die Eingriffe als Akt der Selbstbestimmung wahrnimmt.

Vor dem Hofgartenfenster steht eine Videoskulptur von Eli Coplan, der den Polarisationsfilter vom Bildschirm entfernt hat. Eine aufgezeichnete Nachrichtensendung schwebt im Raum, der Monitor bleibt weiß. Foto: bikö
Oben, auf der Galerie, geht es noch um eine Influencerin, die in einer entweihten Kirche rätselhafte Dinge tut (Klein: „Psalm’s Trust“). Beeindruckender ist allerdings ein Ausschnitt der „Cabaret Crusades“ des Ägypters Wael Shawky, der, ganz old-school, mit expressiven Keramik-Marionetten ein düsteres Kreuzzug-Märchen erzählt.
Was, wann und wo?
Bis zum 30. April zeigt die Julia Stoschek Foundation im Foyer des Düsseldorfer Schauspielhauses, Gründgens-Platz, eine Auswahl von Video-Arbeiten unter dem Titel „Shifting“. Öffnungszeiten: 24.-26. April von 14 bis 19.30 Uhr, 27. April von 10 bis 18 Uhr, 28. und 29. April von 17 bis 20 Uhr, 30. April 14 bis 20 Uhr. Am 26. April, 15.30 Uhr, gibt es eine Lesung mit Olga Hohmann, Jan Koslowski, James Massiah und Emma Rosenzweig. Der Eintritt ist frei. www.jsfoundation.art