Gegen den Hass: Szenische Collage in der Zentralbibliothek Düsseldorf
Klingt so schön, der Satz: „Wir werden wieder tanzen!“ Doch es geht um Entsetzen, Todesangst, Trauma. Der Satz stammt von Mia Schem, einer jungen Israelin, die am 7. Oktober 2023 auf der Nova Rave-Party feiern wollte und von Hamas-Terroristen verletzt, entführt, gequält wurde. Nach 50 Tagen Gefangenschaft in lichtlosen Tunneln kam Mia durch einen Austausch frei und ließ sich die Worte „We will dance again“ auf den geschundenen Leib tätowieren. Eine Selbstermutigung, die jetzt zum Titel wurde für eine ergreifende szenische Lesung in der „Herzkammer“ der Zentralbibliothek Düsseldorf.
Es war das schlimmste Pogrom seit dem Holocaust: 1139 Menschen, darunter zahlreiche Kinder, wurden bei dem Überfall der Hamas in Kibbuzim und dem Musikfestival ermordet, 5400 verletzt, 250 als Geiseln entführt. Einhellig hätte die Empörung der Welt sein sollen. Doch in vielen Städten kam es zu öffentlichen Jubelbezeugungen von Anhängern der Hamas. In der szenischen Lesung heißt es deutlich: „Der Antisemitismus ist seit dem Massaker entfesselt.“
Cohens Halleluja
Initiatorin des literarisch-kritischen Programms ist Sophie Brüss, eine jüdische Theatermacherin aus Köln, die zur Expertin für den offenen und den versteckten Hass wurde, als sie SABRA gründete, die in Düsseldorf angesiedelte Servicestelle für Antidiskrimierungsarbeit, Beratung bei Rassismus und Antisemitismus. Mit „Wir werden wieder tanzen!“ versucht sie aufzuklären – mit Lyrik, Kommentaren, knallharten Zeugenaussagen und Songs von schmerzhafter Schönheit: „Draußen herrscht Krieg, aber wir werden versuchen, es Ihnen angenehm zu machen.“
So singen Sophie Rüss und die Schauspielerin Gerrit Pleuger erst einmal ein Lied, das jeden berührt: das sehnsüchtig gebrochene „Hallelujah“ des jüdischen Dichters und weltweit geliebten Barden Leonard Cohen, von dem sie auch noch einen melancholischen Walzer mitgebracht haben: „Dance me to the end of love“. Leidenschaftlich spielt dazu der Pianist Roman Salyutov. Es ist eine Show der bitteren Erkenntnis. Dazu passen auch viel ältere Texte wie zum Beispiel das „Wiegenlied“, das Selma Meerbaum-Eisinger 1941 schrieb: „Hör doch die Schüsse dort in der Nacht – / ach, vielleicht ist dein Vater schon tot!“
Poesie und Härte
Eindringlich zitiert der Kölner Schauspieler Jürgen Reinecke unter anderem Nelly Sachs und ihre „Völker der Erde“: „Zerstöret nicht das Weltall der Worte!“ Aber das stille Publikum darf es sich hier nicht mit Poesie gemütlich machen. Es geht Sophie Rüss vor allem um die Botschaft, dass „Israel der Stachel im Geist aller modernen Antisemiten“ ist. Zahlreiche Texte werden zitiert (leider ohne Quellenangabe), in denen besonders den Intellektuellen, Feministinnen und Friedensaktivisten eine Verirrung des Standpunktes vorgeworfen wird: Statt sich vehement gegen den Terror der Hamas zu stellen, würden sie Israel zur Mäßigung auffordern.
Mit dem Zeit-Kolumnisten Maxim Biller äußert man die provokante Ansicht, dass gerade die Freiheitsbeschwörer der 68er-Generation den neuen, subtileren Antisemitismus ausgelöst haben: „Israelkritik ist das Methadon der Antisemitismus-Junkies.“ Juden in Europa fühlten sich zunehmend unsicher, angefeindet, ausgegrenzt. Antisemitismus sei immer der Anfang weitreichender Feindseligkeiten. „Wenn Sie nichts tun“, so Sophie Brüss, „dann gehen die Juden, und die europäische Freiheit wird begraben.“ Betroffener Beifall.