Kunst und Krieg: Gemischte Gefühle im Bilker Bunker Düsseldorf
Als die Mauer gefallen war und alle an das Ende des Kalten Krieges glaubten, wurde das Luftschutzbauwerk Nr. 25 bunt angemalt. Und in den letzten Jahren verwandelten die Projektentwickler der Firma „KÜSSDENFROSCH“ den Betonklotz an der Aachener Straße 39 in ein Kulturzentrum mit Bar, Disco, Mode, Yoga, Kunst. Auf dem Dach entstanden fünf Luxus-Penthäuser für den extravaganten Lifestyle. Alles cool im Bilker Bunker? Angesichts der jüngsten Entwicklungen auf Erden ist die Unbefangenheit leider verschwunden. Man besucht die alte Festung mit gemischten Gefühlen. Dazu passt eine Ausstellung der Initiative „Reporter ohne Grenzen“.
Es sind eben doch nicht nur Handy-Schnappschüsse von zufällig anwesenden Zeugen, die ein Bild von Kriegen und Krisen liefern. Nach wie vor wagen sich Profi-Fotograf*innen in die Gefahrenzonen, um ihren Moment der Wahrheit einzufangen. Oft am Rand der spektakulären Geschehnisse. So fotografierte die belarussische Reporterin Violetta Savchits im Minsker Protestsommer 2020, wie eine junge Frau mit einem weißen Ballon in der Hand einen vermummten Polizisten von hinten verzweifelt umarmt. Er wendet sich ab. Was weiter geschieht, weiß man nicht. Nur, dass die Demonstrationen niedergeschlagen wurden und Diktator Lukaschenko heute fest an der Seite Putins marschiert.
Stille Mahnung
Für die aus dem Solinger Zentrum für verfolgte Künste übernommene Ausstellung „Keine Freiheit ohne Pressefreiheit“ wurden einzelne Aufnahmen stark vergrößert und so zwischen den schroffen Bunkerwänden platziert, dass sie zu Mahnmalen werden. Man sieht junge Männer, die 2021 nach dem Militärputsch in Myanmar vor dem Rathaus in Yangon für die Freilassung der verhafteten Regierungschefin Aung San Suu Kyi demonstrieren, während Polizisten für den Einsatz strammstehen. Der Fotograf bleibt anonym – aus Sicherheitsgründen.
Andrés Cardona aus Kolumbien nennt seinen Namen – und zeigt in einer Foto-Installation seine Familie, die gezeichnet ist von Wunden und Verlusten, erlitten im ewigen Scharmützel zwischen der FARC-Guerilla und den Streitkräften der Regierung, die Cardonas Eltern töteten. Subtiler arbeitet die in den Niederlanden geborene Fotokünstlerin Anoek Steketec mit ihrem Projekt „Love Radio“. In Ruanda, wo vor 30 Jahren die aufgestachelten Hutu ein Massaker unter den Tutsi anrichtete, vereint eine Rundfunk-Seifenoper namens „Musekeweya“ (Neue Morgendämmerung) das Volk in friedlicher Aufmerksamkeit. Doch die Bilder, die Steketec von gebannten Hörern und diesigen Landschaften gemacht hat, haben etwas Düsteres, Bedrohliches. Nicht geheuer, wie die Weltlage.
Dunkler Star
Während die Fotografien im dritten Stock nur kurz zu sehen sind, gehören die unteren Etagen des Bunkers noch bis Januar Anys Reimann. Die afro-europäische Rheintochter war schon Diplom-Ingenieurin und Designerin, bevor sie von 2012 bis 2020 an der Düsseldorfer Kunstakademie studierte. Eine spät Berufene, deren Mal-Foto-Collagen von kraftvollen weiblichen Fantasiegeschöpfen nach kurzer Zeit die Kuratoren, Sammler und Betrachter betörten. Mühelos behaupten sich die Bilder nun in den Bunkerräumen. Eine nackte Amazone mit hochhackigen Stiefeln hockt vor einem pechschwarzen Hintergrund und liefert den Titel der Schau: „Dark Star Backyard“ (Dunkler Star Hinterhof).
Vielbrüstig breitet Mutter Natur („The One of Plenty“) in hellem Licht die Arme aus, während sich ein Akt in der Finsternis als „Morgendämmerung“ erweist und eine „Circe“ den Blick ins Ungewisse zieht. Nicht zu übersehen ist auch eine vier Meter lange Riesin aus aufgeblasenem Polyester, die unter der Decke schwebt wie eine Reihe rätselhafter kleiner Objekte („Strange Fruits“). Das Paradies ist verloren, erzählen nicht nur die spukenden Figuren und Fragmente auf dem Triptychon „Paradise Lost“. Anys Reimanns Kunst der prächtigen Beunruhigung wird sich weiter durchsetzen.
Was, wann und wo?
Der Bilker Bunker an der Aachener Str. 39 in Düsseldorf hat als gemeinnützige Kunsthalle eingeschränkte Öffnungszeiten: Mi. und Fr. 17 bis 21 Uhr, Sa. 14 bis 21 Uhr und So. 14 bis 18 Uhr. Eintritt: vier Euro. Die Fotoschau „Keine Freiheit ohne Pressefreiheit“ im 3. Stock ist nur bis 16. Dezember zu sehen. Noch bis 8. Januar bleibt die Ausstellung von Anys Reimann, „Black Star Backyard“. Öffentliche Führung: Sonntag, 14. Dezember, 15 Uhr. Am Mittwoch, 11. Dezember, 19 Uhr, gibt es einen musikalischen Rundgang („Recital“). www.bilkerbunker.de