Wär doch gelacht! Kom(m)ödchen Düsseldorf und die Weltlage
Das Leben ist ein Kabarett, meine Damen und Herren. Mitten im Spiel überholt die Politik die Satire. So geschehen bei der Premiere des neuen Kom(m)ödchen-Programms „Don’t look back“. Mit der Trump-Wahl hatte man ja noch rechnen können. „Der Horrorclown ist wieder da“, war der aktuelle Kommentar. Aber dann, in der Pause, sorgt Germany für Breaking News. Der Kanzler entlässt den FDP-Finanzminister, Regierungskrise, Neuwahlen. Und patsch, der ganze Anfang des Programms, eine Serie von Ampel-Scherzen, kann weg. Muss neu geschrieben werden. Martin Maier-Bode, der Moderator des Ensembles, reagiert spontan mit komischer Verzweiflung. Und die Show geht fulminant weiter. Riesenapplaus!
Die Welt ist in Schieflage, in höchster Gefahr. Während wir an gendergerechten Sprachregelungen feilen, haben machtbesessene Männer aus dem Tollhaus der Gegenwart die Herrschaft übernommen. Man könnte in Depression versinken – wenn es das politische Kabarett nicht gäbe, jene klugen Narren, die uns das Gefühl geben, in all dem Schlamassel immer noch souverän und frei zu sein. Bestens gelaunt kommt das Stammpublikum zur Premiere in seine geistige Zuflucht: das gemütliche Kom(m)ödchen unter dem Betonklotz der Kunsthalle.
Freche Luzie
Oben an der Treppe, unter dem Foto des heiligen Kabarett-Gründerpaars Kay und Lore Lorentz, steht der einstige Junior und jetzige Prinzipal Kay Lorentz mit seiner Frau Elke und seiner Tochter und Nachfolgerin Luzie und empfängt die Gäste. Küsschen-Küsschen, man plaudert und trinkt in fröhlicher Enge ein Gläschen von „Kay sein Wein“ (einem Sauvignon Blanc) oder den Limoncello-Prosecco-Cocktail namens „Freche Luzie“. Beschwingt geht es in den kleinen Kuschelsaal mit der schwarz gestrichenen, verschnörkelten Kommödchen-Kulisse zum „Voraus- und Rückblick“ der besonderen Art, vorgeführt im spritzigen Quartett.
Themen gibt es genug, es war ein nerviges Jahr in Deutschland. Nicht nur mit einer „Regierung, die auf sich selbst keinen Bock hat“ und den Triumphen der AFD („Drecksfaschisten“), auch mit der Erkenntnis, dass die Infrastruktur im Land kaputt ist wie die Brücke von Dresden. Mit der „Technologie-Offenheit“ hapert es sowieso, „weil wir lieber faxen“. Bürokraten füllen weiter Aktenordner mit Formularen im Amtsdeutsch: „Wir sind ein Volk von Schreibtischtätern.“ Und singen mal eben ein Retro-Lied nach Max Raabes „Tag wie Gold“.
Der Herr Cookie
Das Netz mag schlecht sein. Aber der digitale Handel floriert – wir werden alle zu Opfern absurder Automatismen. Das zeigt ein köstlicher Sketch über ein Kaufhaus, das mit den Mitteln eines Online-Shops arbeitet. Kein Anprobieren der gewünschten beigen Hosen, kein Mitnehmen. Heiko Seidel, der Klassenclown im Ensemble, gibt mit Kissenbauch den beflissenen „Herrn Cookie“, der sich sämtliche Daten des Kunden merkt und gleich für „Personalisierte Werbung“ (Penisverlängerung) sorgt. Natürlich braucht der Kunde einen Benutzernamen und einen irre komplizierten Zugangscode, den er sich nicht merken kann. Und kann am Ende nur auf Lieferung hoffen. Das dürfte aber dauern, denn bei der Post dürfen sogar Briefe inzwischen „selbst entscheiden“, wann sie ankommen.
Ist ja nicht die einzige Herausforderung in unserem schönen neuen Alltag. Stichwort: Öffentliche Verkehrsmittel. Nur „Extreme Travellers“ wagen noch die Reise mit Bus und Bahn von Düsseldorf nach Düren. Aachen wird zur versunkenen Stadt („Atlantis mit Printen“). Kaiser Karl, hören wir, wollte dort gar nicht begraben werden, „er wartet nur seit 1200 Jahren auf den Interregio nach Trier“. Zumindest weiß er nichts von der heutigen Wohnungsnot, die einen Stapel Pappkartons am Straßenrand zum „Tiny House“ auf dem Immobilie-Markt macht.
Kiffen verboten
Ein bisschen albern ist manches, darf’s auch sein. Wir wollen uns ja dringend amüsieren und freuen uns über die Modenschau der überflüssigsten Kleidungsstücke, präsentiert von Daniel Graf, der eine weiße Zopfperücke aufsetzt und den näselnden Bruder von Karl Lagerfeld mimt. Übergangsjacke, Zehenschuh, Hoodies für Männer ab 55 sind zu verachten. Es darf nach Herzenslust gelacht werden – auch über die konstituierende Sitzung des Hubbelrather Cannabis Clubs, wo Althippie Holger zum pedantischen Vorsitzenden wird und den Mitgliedern laut Vereinssatzung das Kiffen verbietet. Der Fundus der Realität ist unerschöpflich.
Gaststar im Ensemble: Susanne Pätzold, blonde Comedy-Giftmischerin anstelle der durch TV-Verpflichtungen verhinderten Maike Kühl, bewährt sich mühelos in vielfältigen Rollen und Kostümen. Sie ist bei „Markus Lanz“ eine von drei Sahra Wagenknechts (aus Selbstherrlichkeit hat sie sich klonen lassen) und besteht darauf, dass die Düsseldorfer „Alaaf“ sagen. Das mit dem „Helau“, Herr Lanz, „wollen Ihnen die bürgerlichen Medien nur einreden.“ Als Jörg Schönenborn, Meinungsforscher beim WDR, erläutert Frau Susanne im steifen Anzug herrlich absurde Statistiken („Frieden, Fritten, Freibier“). Und schließlich schmettert sie als Andrea Berg im goldenen Kleid eine Hymne für die SPD: „Ja, ich will!“ Das Publikum liebt es. Denn die Lage ist hoffnungslos, aber lustig.
Auf ins Kabarett
„Don’t Look Back“, das neue Ensemble-Programm des Düsseldorfer Kabaretts Kom(m)ödchen am Kay-und-Lore-Lorentz-Platz (Kunsthalle), wird in den kommenden vier Monaten immer wieder gespielt. Die nächsten Vorstellungen sind vom 10. bis 13., vom 16. bis 20. November sowie am 25., 26. und 30. November. Tickets für 35,50 Euro unter Tel. 0211 / 32 94 43 oder online unter www.kommoedchen.de