Düsseldorf: Evangelische Kirche arbeitet Fälle sexualisierten Gewalt auf und bittet Betroffene sich zu melden
Auch in der Evangelischen Kirche ist es zu Fällen von Missbrauch gekommen. Bekannt sind Vorfälle aus den 1960er- und 1970er-Jahren durch einen inzwischen verstorbenen Kirchenmusiker an zwei Kindern bzw. Jugendlichen. Da der Beschuldigte in den Kirchenkreisen Düsseldorf, Leverkusen und Moers tätig war, erfolgt derzeit dort eine institutionelle Aufarbeitung. Aufgrund der bisherigen Erkenntnisse werden weitere Betroffene vermutet. Sie sowie mögliche Zeug*innen werden gebeten sich zu melden. Der Wuppertaler Sozialpädagogen Prof. Dr. Fabian Kessl begleitet die Aufarbeitung wissenschaftlich.
Die Evangelische Kirche gesteht ein, dass alle beteiligten kirchlichen Ebenen damals nicht die notwendigen Konsequenzen gezogen haben und dem Mann die weitere Beschäftigung ermöglichten. Denn der Beschuldigte war wegen sexualisierter Gewalt an Schulkindern in den frühen 1960er Jahren einschlägig vorbestraft worden.
Der Kirchenmusiker nahm 1957 erstmalig eine Organistenstelle in der Kirchengemeinde Düsseldorf-Eller an und unterrichtete als Aushilfslehrer an Düsseldorfer Volksschulen. Von Februar 1964 bis Juni 1966 war er als Kirchenmusiker in der Evangelischen Kirchengemeinde Burscheid im Kirchenkreis Leverkusen angestellt. Von Dezember 1967 bis zum Jahr 1986 war er in der Düsseldorfer Luther-Kirchengemeinde tätig und übernahm ab Herbst 1974 auch eine Tätigkeit als Chorleiter in der Kirchengemeinde Friemersheim im Kirchenkreis Moers. Später wechselte er in das Gebiet der Evangelischen Landeskirche von Baden und war dort bis 2012 ebenfalls beruflich und ehrenamtlich als Kirchenmusiker aktiv.
Bei den bekannten Fällen handelt es sich um Taten an zwei Kindern bzw. Jugendlichen in der Evangelischen Luther-Kirchengemeinde in Düsseldorf. Die Meldungen beziehen sich auf Zeiträume in den 1960er- und 1970er-Jahren.
Heinrich Fucks, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Düsseldorf: „Auch bei uns wurde weggeschaut, weil nicht sein konnte, was nicht sein darf. So wurde die Kirche ein weiteres Mal an den Betroffenen schuldig. Was ihnen angetan wurde, ist ein unfassbares Unrecht. Wir hoffen, dass sich durch den öffentlichen Aufruf weitere Menschen bei uns melden. Wir möchten dieses Unrecht ihnen gegenüber anerkennen, Verantwortung übernehmen und ihnen die notwendige Unterstützung bieten.“
Aufarbeitung der Evangelischen Kirche
„Im Zuge der Aufarbeitung, die unter Mitwirkung von Betroffenen durchgeführt wird, sollen Erkenntnisse über die Gewaltkonstellation und Machtstrukturen gewonnen sowie Ursachen und Versäumnisse ermittelt werden. Die Ergebnisse sollen dazu dienen, Betroffenen Gehör und Anerkennung zu verschaffen, die kirchlichen Prozesse und Maßnahmen zur Prävention sexualisierter Gewalt zu verbessern und eine Kultur der Fürsorge und Sicherheit für Schutzbefohlene in der Evangelischen Kirche zu stärken. Die Kosten tragen die Evangelische Kirche im Rheinland sowie der Evangelische Kirchenkreis Düsseldorf jeweils zu einem Drittel, die Kirchenkreise Leverkusen und Moers jeweils zu einem Sechstel. Der Kirchenkreis Düsseldorf koordiniert den Aufarbeitungsprozess gemeinsam mit der landeskirchlichen Stabstelle für Prävention, Intervention und Aufarbeitung.“
Katja Gillhausen koordiniert alle Aktivitäten im Themenfeld Aufarbeitung und Prävention sexualisierter Gewalt innerhalb der rheinischen Landeskirche. Sie betont: „Bereits am Beginn des Prozesses sehen wir, dass kirchliche Institutionen versagt und Schutzbefohlene eben nicht geschützt haben. Im Rahmen der Aufarbeitung gehen wir den vielen Fragen auf den Grund, die sich zu diesem Fall ergeben haben und noch ergeben werden. Wir möchten das Geschehene lückenlos nachvollziehen und verstehen – damit wir daraus lernen und unsere heutige Präventionsarbeit verbessern können.“
Ansprechpersonen
Die Evangelische Kirche hat Kontaktstellen eingerichtet und Personen benannt, um Betroffenen die Möglichkeit von vertrauliche Gesprächen zu geben und über Hilfsangebote zu informieren. Menschen, die selbst sexualisierte Gewalt durch den Beschuldigten erfahren haben oder Angaben als Zeug*innen machen möchten, werden gebeten, sich zu melden.
Ansprechstelle für den Umgang mit Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung der Evangelischen Kirche im Rheinland: Claudia Paul, Telefon 0211 4562-391, E-Mail claudia.paul@ekir.de
Vertrauenspersonen im Kirchenkreis Düsseldorf
- Nils Davidovic, Telefon 0211 95757-798, E-Mail nils.davidovic@ekir.de
- Pfarrerin Heike Schneidereit-Mauth (ab 30.09.2024), Telefon 0211 95757-709, E-Mail heike.schneidereit-mauth@ekir.de
Vertrauenspersonen im Kirchenkreis Leverkusen
- Veronika Kuffner, Telefon 02174 8966-142, E-Mail veronika.kuffner@kirche-leverkusen.de
- Martin Ohlendorf, Telefon 0214 382724, Mobil 0163 7370824, E-Mail martin.ohlendorf@diakonie-leverkusen.de
Vertrauenspersonen im Kirchenkreis Moers
- Andrea Kröger, Mobil 0176 7353 9283, E-Mail a.kroeger@kirche-moers.de
- Konrad Donaubauer, Mobil 0157 54109172
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