Kein Schmus! Sammler Peters-Messer schenkt Düsseldorf kritische Kunst
Genug amüsiert. Der Kunstpalast kann auch anders. Im liebsten Museum der Düsseldorfer, wo das Publikum jüngst zwischen duftenden Blumen, alten Meistern und Tony Craggs berührbaren Skulpturen sehr viel Spaß hatte, werden jetzt mal andere Saiten aufgezogen. „Too Much Future“, zu viel Zukunft, ist der Titel einer Ausstellung von 90 Werken aus einer 300 Stücke umfassenden Kollektion, die der Viersener Betriebswirt, Immobilienunternehmer und Sammler Florian Peters-Messer aus Anlass seines eigenen 60. Geburtstages dem Düsseldorfer Institut geschenkt hat. Und diese Kunst, macht Direktor Felix Krämer deutlich, „will nicht gefallen“.
Das hat man schon im Herbst 2020 gemerkt, als Peters-Messer mit seiner freien Berliner Kuratorin Linda Peitz am Ehrenhof eine Schau von Zorneskunst zusammengestellt hatte: „Empört Euch!“ hieß die und war, wegen des pandemischen Lock-Downs, nur für wenige Tage zu sehen. Mitten drin stand ein drei Meter hoher, mit Schlagzeilen, Nägeln, Bildern gespickter Torbogen („Arch“) des Schweizer Installationskünstlers Thomas Hirschhorn, dem nun ein ganzer Saal mit kruden Werken gewidmet ist.
Wild und crazy
Nur auf den ersten Blick sieht das auf krawallige Art lustig aus, „wild and crazy“, wie auf einem Schild steht. Der heute 67-jährige Hirschhorn thematisiert Gewalt, rot ist bei ihm die Farbe des vergossenen Bluts, die Fotos am „Arch“ und zwischen Sex-Girls auf der Collage „Price of Suspicion“ (Preis des Verdachts) zeigen grässliche Kriegsverletzungen. Florian Peters-Messer, der Spender, sagt, dass er von Hirschhorn „viel gelernt“ habe. Ganz gleich, ob die Vernissagen-Society die Nase rümpft – der Sammler sucht nach Positionen, die sich kritisch mit der Gesellschaft auseinandersetzen: „politisch, soziologisch, psychologisch“. Das, sagt er, „ist Kunst, die mich interessiert und auch immer wieder irritiert“.
Dazu gehören die Konzepte der Französin Sophie Calle, die konsequent Grenzen der Intimität überschreitet. Oder die lebensgroßen Figuren der gebürtigen Düsseldorferin Iris Kettner, die aus Holzskeletten, Lumpen, Draht, Klebeband und schäbigen Klamotten eine verblüffend lebendig wirkende „Reihe“ von Wartenden schuf. Oder die irren Requisiten einer Performance, die der Berliner Aktionskünstler John Bock 2008 aufführte: eine Installation aus Stahlstücken, Samtwürsten, Schläuchen, Klopapierrollen sowie einer Puppe aus Ballonkopf und Männerhemd. Als U-Boot-Kapitän in einem sinkenden Schiff brabbelt der verrußte Bock auf einem Video vor sich hin. Bizarr.
Zu viel Zukunft?
Irgendwas mit Konsum und Überfluss will uns der namenlose Großkubus sagen, den der Berliner Bildhauer Thomas Rentmeister 2005 aus unzähligen Packungen von Papiertaschentüchern baute. Es handele sich, wird versichert, immer noch um die gleichen Bestandteile, denn die Schweizer Marke Linsoft gebe es heute nicht mehr. Eine von vielen Herausforderungen für die Restauratoren der Zukunft. Apropos Zukunft: Der Ausstellungstitel „Too Much Future“ stammt von einem Werk der Düsseldorfer Akademie-Absolventin Rebekka Benzenberg. Die hat ihn wiederum aus dem Song einer DDR-Punkband über die festgelegten Lebensläufe im Ost-Regime geklaut. Mit Blondierungsmittel färbte sie drei Wörter in eine Assemblage aus Pelzen, um gegen Luxus und Tiermissbrauch zu protestieren. Passt alles nicht so recht zusammen, aber neugierig macht der Titel auf jeden Fall.
Eindeutigkeit ist ja kein Muss in der Kunst. Im Gegenteil. Und so darf ruhig gerätselt werden vor der „Hängenden abstrakten Form“ (phallisch oder was?) des transsexuellen Malers Oska Gutheil oder vor einer „Ladenfront“ mit geschlossener Tür in einer rosa Wand, die Sabine Hornig in den Raum stellte. Manche Werke bleiben abstrakt wie die gestisch bemalten Leinwände, die Spuren aus dem Dschungel von Guatemala tragen, wo die Schweizer Malerin Vivian Suter sie zum Trocknen auslegte. Andere wurden direkt aus dem verzweifelten Leben geschöpft wie die in einer Psychiatrie entstandenen Videos und expressiven Kohlezeichnungen des Niederländers Erik van Lieshout. Schmus gibt es nicht in dieser Schau. Aber reichlich Stoff für Diskussionen.
Was, wann und wo?
„Too Much Future. Schenkung Florian Peters-Messer“. Die Ausstellung, kuratiert von Felicity Korn und Linda Peitz, ist ab Donnerstag, 29. August, für das Publikum geöffnet. Bis 5. Januar 2025 im Erdgeschoss des Düsseldorfer Kunstpalastes, Ehrenhof 4-5. Geöffnet Di. bis So. 11 bis 18 Uhr, So. bis 21 Uhr. Im Rahmen einer Performance der Künstlerin Sophia Süßmilch am Freitag, 30. August, ab 18 Uhr werden die schrägsten Umarmungen gesucht: „The Awkward Hug“. www.kunstpalast.de