Neue Duftmarke: Düsseldorfs „Große“ soll ein Kunstfest werden
Auch die Kunst, und sei sie noch so betörend, braucht ein straffes Management. Als der Bildhauer Michael Kortländer 2010 „Die Große“ Düsseldorfer Ausstellung übernahm, war die Leistungsschau der vereinten Künstler vom Rhein heruntergewirtschaftet wie das Haus, in dem sie stattfand. Heute, nach der Sanierung des Ehrenhofs und der Professionalisierung der Struktur, ist die „Große“ zum beliebten Ereignis des Sommers geworden. Das soll auch so bleiben unter der Leitung des Franzosen Emmanuel Mir, der mit dem Segen Kortländers weitermacht und ab Sonntag seinen ersten Versuch präsentiert. Veränderungen? Sehr zart.
Ein Mensch des Wortes sei er, sagt der promovierte Kunsthistoriker Mir. Dabei hatte er es zunächst selbst mit der praktischen Kunst probiert und Bildhauerei studiert – in seiner Heimatstadt Nizza und an der Akademie Düsseldorf. Doch Doktor Mirs Leidenschaft wurde dann die Kunstvermittlung und kulturelle Bildung, weshalb ihm nun auch die Jugendarbeit bei der „Großen“ besonders am Herzen liegt: „meine Duftmarke“. Eine von ihm erfundene „Große Soirée“ soll nun jeden Donnerstagabend die Kunst zum Fest für Jung und Alt machen. Es gibt Musik und Food-Trucks draußen am Brunnen vor dem offenen Haus. Leider nur mit Eintrittskarte (12 Euro).
Alles wird teurer
Die „Große“ will und muss auch Geld einnehmen – schon zum Wohle der teilnehmenden 165 Künstler*innen, die von der Jury aus einer Schar von 1300 Bewerbern auserkoren wurden. Alle hoffen nicht nur auf Beachtung, sondern auch auf Kundschaft. Allein die Stadt, die 135 000 Euro an Fördergeldern zahlt, hat außerdem noch einen Ankaufsetat von 86 000 Euro in der Tasche. Betuchte Sammler können fünf- bis sechsstellige Summen investieren, und selbst das beliebte „Kleine Format“, bisher für ein paar hundert Euro zu haben, rückt an ein neues, höheres Limit: 1000 Euro oder auch ein bisschen mehr wie eine Knabenfigur von Nele Waldert (1400 Euro). „Alles ist teurer geworden“, meint der Chef lapidar, aber es gibt sie zum Glück noch, die erschwinglichen Schätzchen ab etwa 400 Euro.
Wer nichts kaufen will oder kann, darf trotzdem schauen und fühlen und sich freuen. Insgesamt sind im Kunstpalast und im NRW-Forum etwa 650 Werke zu finden – ein beachtliches Pensum an Malerei, Grafik, Skulpturen und Objekte, sehr wenig Video, so gut wie keine spröden Konzepte. „Die Große“ ist in ihrer Breite einem bürgerlichen Kunstverständnis zugänglich. Und zeigt dabei eine neue Empfindsamkeit, die uns in diesen harschen Zeiten nur sehr gut tun kann.
Poesie und Wucht
Eine poetische Subtilität haben viele Arbeiten – von den Seifenblasen, die Gaby Baltha im Prozess des Zerplatzens mit einer Röntgentechnik erfasst hat („Fragile“) über die schwarzweiße Regenfotografie der Düsseldorfer Japanerin Hiroko Inoue bis zu den „Totenskizzen meines Vaters“, die Claudia van Koolwijk vor zehn Jahren in graue Seide stickte. Die Künstlerin ist 2023 selbst gestorben und wird so von der „Großen“ geehrt, wie auch andere, die nicht mehr leben.
Aber es gibt auch höchst vitale, raumgreifende Installationen wie Paulina Hoffmanns achteinhalb Meter lange „Störung des Gebräuchlichen“, wofür sie schwarze LKW-Planen mit Schnüren in einer bildhauerisch akzentuierten Art zusammengenäht hat. Das Ding hängt wie eine verrückte Mauer zwischen Decke und Boden. Alke Reeh hingegen, die Trägerin des diesjährigen Kunstpreises der Künstler, lässt ihre Werke schweben.
In der Serie „Flächen weiterdenken“ spannte sie orangefarben leuchtende, sich überkreuzende Zeltstoff-Bahnen in eine Saalecke der ersten Etage, gleich unter das Oberlicht. Ein geheimnisvolles Flugobjekt. Perfekt ergänzt wird das fulminante Werk durch Alke Reehs markante Wandobjekte aus Holz, mit weißer Kreide grundiert, die ebenfalls mit Geometrie und Architektur spielen.
Frauen gewinnen
Ganz anders arbeitet die 1990 geborene Sophie Ullrich, die erst 2018 die Akademie verließ. Sie ist eine Malerin durch und durch, verbindet abstrakte, in Farben schwelgende Hintergründe mit figurativen, comichaften Elementen und witzigen Einfällen. Ein Händchen an einem schlangenhaften Arm greift da nach einem Glückskeks: „it could be better but it’s good enough“ schmunzelt ein Titel.
Humor zeigt auch Christina Böckler mit ihren Collagen über „Frauen in Führungspositionen“, geklebt aus Tapeten, Polsterstoffen und Fotografien, die altmodische Gattinnen und Muttis zeigen. Von becircender Originalität ist Stefanie Pürschlers „Samsonite“, Menschen im Museum, fotografiert und kunstvoll gedruckt auf einen Karton der bekannten Koffermarke. Es ist übrigens keine Absicht, dass alle bisher erwähnten Beispiele von Künstlerinnen sind. Aber es könnte schon sein, dass Frauen „Die Große“ dominieren.
Wunderbar verwirrt
Auch draußen vor der Tür überzeugen die wie eine schwingende Zeichnung auf die Wiese gesetzten Bronzeringe von Anja Schubert („Das Offene“) mehr als die klobige gelbe „Wirbelsäule“ ihres Kollegen Frederic Bahr. Vorbei an beiden Werken geht man ins NRW-Forum, wo der Serbe Dejan Sarić mit einem „Place to be“ die männliche Ehre rettet. In einem von außen schmucklosen Pavillon verbirgt sich ein Spiegellabyrinth mit hängenden Acrylglasscheiben, die mit farbigen Streifen bemalt sind und die Sinne wunderbar verwirren.
Auf der anderen Seite des Forums wird die Malerei monumental – mit einer expressiven Abstraktion von Max Fintrop und einer blühenden Fantasie von Sophie Esslinger. Ein unnötig großes Auditorium in der Mitte wurde für eine Soundinstallation der Klasse von Sabrina Fritsch eingerichtet. In einer Art Interview geht es da um die Helligkeit von Sternen und die Frage nach der Ordnung am Firmament. Wer brav zugehört hat, darf hinten noch eine skurrile Entdeckung machen. Die hübschen Blütenzeichnungen von Klaus Dauven sind Putzlappen, die er in Schmutz getaucht und mit Hilfe einer Schablone und eines Hochdruckreinigers bearbeitet hat. Aus allem kann Romantik werden.
Was, wann und wo?
„Die Große“ Düsseldorfer Kunstausstellung am Ehrenhof wird am Samstag, 22. Juni, um 18 Uhr im Kunstpalast eröffnet, ein zweiter Teil der Schau ist im NRW-Forum zu sehen. Bis 28. Juli. Di.-So. von 11 bis 18 Uhr. Die Abendöffnung am Donnerstag (bis 21 Uhr) wird jeweils zur „Großen Soirée“ mit Musik und Food-Trucks. Jeden Sonntag um 11.55 Uhr startet „Die Große Matinée“ mit Diskussionen und Performances. Der Eintritt kostet 12 Euro. Katalog mit allen Künstlern und Preisen: 10 Euro. Ein kostenloser Audioguide von Experten und (sehr schön) Schüler*innen des Wim-Wenders-Gymnasiums kann vor Ort unkompliziert und kostenlos aufs Handy geladen werden.