Tuschgefühle: Brigitte Dümling und Michael Weber im Ross 31 Düsseldorf
Die Formate? Zierlich. 24 mal 30 Zentimeter. „Reisebilder“, sagt Brigitte Dümling. Sie lassen sich jederzeit in Tüten transportieren und passen auch noch in die kleinste Hütte. Doch ihr Ausdruck ist groß. Eine Wucht! Rund 90 expressive Werke zeigen die Düsseldorfer Malerin und ihr Kollege Michael Weber diese Woche im „Ross 31“, der kleinen Kunsthalle in einem Hinterhaus an der Roßstraße, die nach zwei Jahren leider schon wieder geschlossen wird.
Betreiberin Angela E. Engbrox muss neuen Plänen der Vermieter weichen, will aber ohnehin nur noch ihrer eigenen Kunstlaufbahn folgen. Letzte Chance also, den weißen Saal im Hof zu besuchen. „Kontraste“ nennen Brigitte Dümling und Michael Weber ihre Ausstellung von Tuschearbeiten. Er schwelgt in Farbe, sie zeichnet mit dem Pinsel ganz reduziert in einem tiefen Indigo-Blau, Dunkelgrün, nahezu Schwarz auf Weiß. Trotzdem schwingen die Bilder in einem harmonischen Gefühl. Die Künstler inspirieren sich gegenseitig.
Gefühlte Diva
Obwohl sie beide zum Verein der Düsseldorfer Künstler gehören, lernten sie sich vor Jahren ganz woanders kennen – in Paris, wo sie beide eine produktive Zeit lang Gastateliers in der Cité internationale des Arts innehatten. Der Beginn einer konstruktiven Freundschaft. In der Pandemie, als auch die Kunst sich isolieren musste, gewöhnten sie sich an, in einem Raum zu arbeiten, um die Einsamkeiten aufzubrechen und sich gegenseitig zu ermuntern. Tatsächlich gibt es richtige Gemeinschaftswerke wie die „Diva“, deren Farben Gelb und Pink von Weber stammen, während Brigitte Dümling die schwungvolle Kontur hinzufügte. Abstrakt, aber eine Figur lässt sich ahnen.
Das gilt für die meisten Bilder, die im letzten heißen Sommer 2023 in einem gemeinschaftlichen Schaffensrausch entstanden sind – fern von Düsseldorf, am Chiemsee, wo Brigitte Dümling im Haus eines Sammlers ein Zweitatelier einrichten durfte. Man einigte sich auf das gleiche Kleinformat und die Tuschtechnik. Dabei folgte jeder seinen Impulsen. Während Weber „in Farben schwelgte“ und seine Malerei vom Leuchten der Natur bestimmt ist, folgte die Kollegin ihren inneren Bildern.
Gedachte Blüten
So kann die Fantasie bei Weber durchaus blühende Wiesen sehen, das Blau aufspritzenden Wassers, Licht auf Blättern, hier und da vielleicht sogar eine feenhafte Erscheinung im Grün, den Flügelschlag vorüberziehender Vögel, satte Landschaft. Brigitte Dümling hingegen, 1950 geborene Schülerin von Beuys, Grote und Heerich, blieb streng bei der Tuschzeichnung, „konnte nicht mit Farbe arbeiten“. Die Krisen der Gegenwart, „die zerrissene Zeit“ nahmen ihr die Lust am Bunten. Sie setzt mit breitem Pinsel in reduzierten dunklen Tönen ihre Zeichen des Aufgewühltseins auf die kleinen Malflächen. Treffsicher.
Doch es gibt keine gestische Abstraktion ohne Assoziation. Für die Betrachter, aber auch für die Künstlerin selbst, die diesmal Titel ersann. So entstand aus ein paar Schwüngen ein „Halber Mann“. Ein „Torso“ hat große Ähnlichkeit mit dem „Buschfeuer“. Mitgerissen wird der Blick „In der Welle“, eine wilde Bewegung ist der „Hund“, eine gewisse Haltung zeigt der „Herr“. Wirbelndes erinnert an einen „Tornado“, ein Drehen ist der „Derwisch“, eine „Bomba“ ballt sich zusammen. Auch ist es erwünscht, dass jede*r in dieser schönen kleinen Ausstellung eigene Entdeckungen macht.
Was, wann und wo?
„Kontraste“: Tuschearbeiten von Brigitte Dümling und Michael Weber. Bis Sonntag, 23. Juni, im Ross 31, Räume für die Kunst, im Hinterhof Roßstraße 31. Geöffnet an allen Tagen 16 bis 19 Uhr oder nach Vereinbarung. Die Künstler sind anwesend. Zur Vernissage am Mittwoch, 19. Juni, spricht um 18 Uhr Jörg Eberhard, selbst Düsseldorfer Akademiekünstler und bis 2022 Professor für Experimentelle Gestaltung an der Universität Duisburg-Essen. www.ross31-halle.de