Da weint der Tiger: Kunst im Lantz’schen Park Düsseldorf
Es ist schon ein so etwas wie ein Sommerritual für kulturbewusste Spaziergänger mit Humor: Kunst suchen im Lantz’schen Park! Seit 2019 werden in der 14,5 Hektar großen Grünanlage in der Einflugschneise von Lohausen alle Jahre wieder mit dem Segen der Düsseldorfer Kunstkommission neue skulpturale, performative und ziemlich kuriose Konzepte ersonnen. „The Park as Lover“, den Park als Geliebten, präsentiert nun Katharina Klang, Co-Direktorin des Kunstvereins Bielefeld, Ex-Chefin der Sammlung Philara und Lantz’sche Kuratorin der Saison.
Lover? Nun ja. Tatsächlich hat man den schönen Garten recht gern, den der reiche Kaufmann Heinrich Balthasar Lantz (1762-1828) einst den Freiherrn von Lohausen abkaufte und zum stolzen Großbürgersitz mit Herrenhaus ausbaute. Ein Refugium bis heute, wo die Vögel in hohen Baumkronen zwitschern – wenn sie nicht gerade vom Dröhnen der Flugzeuge aufgescheucht werden. An sonnigen Tagen lohnt sich ein Ausflug dorthin, vielleicht mit Picknick. Die kleine Kunstschnitzeljagd sorgt für Abwechslung und Diskussionen.
Sex mit Bäumen
Wie immer ist der Lageplan keine große Hilfe, eher eine freie Zeichnung. Auch sonst sorgt das hübsche lila Ausstellungsheft, falls man überhaupt eins ergattert, nicht gerade für Klarheit. Aber man liest unter poetisch kursiven Überschriften, was sich hinter den Büschen verbirgt, nämlich „Das animistisch Imaginäre“. Und damit wir’s wissen: „Zwölf internationale wie lokale Künstler:innen reagieren auf abgrenzende Setzungen wie Natur/Kultur, Tier/Mensch, Mann/Frau mit spielerischen Haltungen und nehmen die symbiotischen Beziehungen sowie die schöpferischen und transformatorischen Fähigkeiten aller Wesen in den Blick.“ Aha.
Um mich anzupassen, könnte ich mich heute mal als Efeu lesen. Das passt ganz gut, denn am Ende der Linden-Allee hinter der Kapelle schlagen Annie Sprinkle & Beth Stephens, ein queeres amerikanisches Künstlerpaar vor, im Rahmen einer fröhlichen „Ökosexualität“ mit einem Baum anzubandeln. Über einen Lautsprecher im Geäst einer Linde geben sie in Endlosschleife ihre Anweisungen: „Listen deeply,“ gut zuhören! Rinde und Knubbel streicheln, den Baum „with your whole body“, mit dem ganzen Körper umfassen und ihm sagen: „Thank you! I love you, tree!“
Tränen und Pilze
Bäume umarmen tut immer gut, wobei die Linde sich nicht wehren kann. Vielleicht weint sie ja heimlich wegen der aufdringlichen Menschen – genau wie der weiße Plüschtiger, den der 34-jährige Hamburger Gerrit Frohne-Brinkmann auf ein Mäuerchen an der Lantz’schen Villa gesetzt hat. Unaufhörlich rinnen dem lebensgroßen Kuscheltier still die künstlichen Tränen aus den Augen – ein Protest gegen Züchtung und Gefangenschaft solcher Geschöpfe zu Zwecken des Showgeschäfts.
Die Absicht ist immerhin deutlich. Ganz im Gegensatz zu den Ideen von Asli Hatipoglu, einer in den Niederlanden lebenden Köchin und Künstlerin, die mit Hefe und Bakterien arbeitet und „Fermentationsprozesse als Metapher für tieferliegende Auseinandersetzungen“ betrachtet. Eher ratlos betrachtet der Mensch die über Leuchtkästen gespannten Kombuchahäute, auf denen bräunlich ein Teepilz gärt: „A Hive for the Other Beings“ soll das sein, eine Art Bienenstock für andere Wesen. Insekten sind eingeladen, davon zu naschen.
Obst für die Vögel
Irgendwie rührend. Wie die „Mulde“, die von der im letzten Jahr verstorbenen Bildhauerin und Tieraktivistin Lin May Saeed aus Bronze gegossen wurde. Etwas Regen hat sich darin gesammelt und soll an die Wasserstelle aus dem Gilgamesch-Epos erinnern, wo sich Mensch und Tier gemeinsam laben. Den Menschen enthoben ist das Obst, das Rosilene Luduvico und Takeshi Makishima, ein Künstlerduo aus Düsseldorf, hoch auf abgebrochenen und gerade gesägten Baumstämmen platziert hat – als Nahrung für Vögel und Krabbeltiere. Das Stillleben soll vergehen, nur zwei keramische Blätter an den Stämmen bleiben bestehen.
Robuster erscheint da der „Twister“ der in Berlin lebenden Polin Zuzanna Czebatul: Zwei über vier Meter hohe Obelisken, spiralförmig verschlungen, stehen auf der Wiese wie eine der älteren Stahlskulpturen, die zum Park gehören. Aber der Eindruck trügt: Das riesige Monument ist aus Styropor und Expoxitharz, grau lackiert. Als wären die alten Symbole von Herrschaft und Potenz weich geworden. Da möchte man ja gleich nochmal den Baum umarmen.
Video in der Grotte
Auf dem Weg, in der Grotte hinter der Kapelle, ist das raffinierteste Werk der Schau zu entdecken: In einem Rahmen aus silbernem Geäst flimmert, singt und spricht da ein Video („Pandemonium“), das von dem Düsseldorfer Künstlerpaar Hedda Roman (Hedda Schattanik und Roman Szczesny) mit Hilfe Künstlicher Intelligenz geschaffen wurde. Sich wandelnde Wesen, Wellen, Musik, Poesie und eine blaugesichtige Schönheit ziehen uns unheimlich an. Hat ja doch was, die Rätselkunst im Park.
Was, wann und wo
Die diesjährige Skulpturenschau im Lantz’schen Park, Düsseldorf, Lohauser Dorfstraße, wurde von Katharina Klang im Auftrag der Kunstkommission kuratiert und trägt den Titel „The Park as Lover“. Bis zum 15. September sind Objekte und Installationen von zwölf internationalen Künstler*innen zu sehen, es gibt auch ein paar Führungen, Performances und Workshops. Der Park ist offen, Eintritt frei. Nähere Informationen unter www.kunstkommission-duesseldorf.de