Tor, Tor! Die Fußballshow am Düsseldorfer Schauspielhaus
Tja, liebe Fans der Bühnenkunst, ihr müsst nun tapfer sein! Vorbei ist die Zeit, als man im Theater noch sicher war vor der Sportschau und ihren (nicht für jeden nachfühlbaren) Aufgeregtheiten. Auf dem Gründgensplatz, gleich vor dem Düsseldorfer Schauspielhaus, wurde eine der Fan-Zonen für die kommende oder auch drohende Europa-Meisterschaft eingerichtet. Und im neuen Bemühen, die ganze Welt zu umarmen, hat Intendant Wilfried Schulz beschlossen, die diesjährige Open-Air-Inszenierung ganz dem heiligen Leder zu widmen. „Glaube, Liebe, Fußball“ heißt ein Theater-Fan-Spektakel von Peter Jordan und Leonard Koppelmann.
Damit das Publikum gleich in Stimmung kommt, hopsen an die 50 bunt geschminkte Statisten in Jubellaune auf die Bühnentribüne. Sophie Stockinger und Thomas Kitsche als Capo und Capa geben die Einheizer und üben mit dem Megaphon die ersten Hymnen. Alle sollen mitsingen: „Schalalalalala …“ Und so. Zum Glück sitzen viele begeisterte junge Leute im Publikum, die irgendwas mit Theater machen. Die alten Premierengäste, die in Decken gewickelt auf feuchtkalten Stufen hocken, lahmen noch. Dabei hat ihnen Intendant Wilfried Schulz zuvor versichert, dass „die Schnittmenge zwischen Theater- und Fußballfans sehr groß“ sei. Mag stimmen, aber will man das zusammenwerfen?
Und alle singen
Wir befinden uns jedenfalls mental in der Düsseldorf-Arena. Stilgerecht gibt es an Buden ein Bit für sechs Euro und, wenn’s denn sein muss, einen lauwarmen Prosecco für zehn. Bratwürste und fetttriefende Pommes verbreiten ihre dominanten Gerüche, die Mayo kleckst, gern auch in den Sitzreihen. Wie beim Public Viewing demnächst am selben Ort. Schon klar, das Theater identifiziert sich ganz mit dem Sportevent, denn, so verriet Regisseur Koppelmann einer Tageszeitung, Fußball könne „durchaus zivilisatorisch“ wirken. Also grübeln wir nicht wie Handke 1970 über die Angst des Tormanns beim Elfmeter. Wir spielen einfach mit: „Olé, olé, olé, olé!“
Eine Handlung braucht man nicht. Nur zwei konzentrierte Schauspieler, die als Fernsehkommentaren in der Glasbox die Show zusammenhalten: Die Komödiantin Bettina Lamprecht als Claudia Brunswick-Schleiermacher und Sebastian Tessenow als Dieter von Gehlen beherrschen den Ton der anschwellenden Erregung: „Das ist Fußball, das ist Leidenschaft!“ Es wird, mit bunt gemischten Video-Szenen aus vergangenen Meisterschaften, ein Endspiel fantasiert, das sich, mit Verlängerung und Elfmeter-Schießen, zum oft beschworenen „Herzschlag-Finale“ steigert.
Schnell mal lachen
Atemlos wird kommentiert und analysiert, unterbrochen von Durchsagen (Maskottchen verloren), klamaukiger Werbung (Anti-Schuppen-Shampoo), einem Flitzer in Unterhosen. Ganz wie im richtigen Sendungsleben versuchen Außenreporter zwischen feixenden Fans, ihre Interviews zu führen und produzieren hohles Zeug. Florian Lange wechselt blitzschnell die Perücken und imitiert mit schwankender Treffsicherheit die üblichen Promi-Experten wie Günter Netzer, Paul Breitner, den in Wahrheit verstorbenen „Schimmi“ Szymaniak, einen kuriosen Sportmediziner und Trainer Trapattoni mit dem berühmten Sermon von der „Flasche leer“: „Ich habe fertig.“ Eigentlich ist der mäßig lustige Text eine Sammlung von Sprüchen und Zitaten aus den einschlägigen Sendungen, immer wieder unterbrochen vom schmissigen Liedgut: „Ja, sind wir im Wald hier?“
Die Ironie schwächelt. Auf eine kritische Sicht wird verzichtet, schließlich wollen die Sponsoren gute Stimmung verbreiten. Heikle Situationen im Fan-Wesen werden mit Fackeln, Tennisbällen und Qualm angedeutet, aber schnell weggelacht. Die meisten Fans in diesem Spektakel – vom Kind bis zum Senior – sind nette Leute, sie sollen es sein. Es gibt ganz nebenbei ein kleines, unerhebliches Liebesdrama zwischen Jungs, Mädchen und Mädchen, rasch vom Jubel übertönt. Um mit einer Fußballweisheit zu sprechen: „Irgendwie muss es zu Ende gehen.“ Das dauert glücklicherweise nicht lange. 90 Minuten. Abpfiff.
Mehr Sport im Theater
Das Theater-Fan-Spektakel „Glaube, Liebe, Fußball“ von Peter Jordan und Leonhard Koppelmann wird von der Stadt Düsseldorf und der Stiftung Fußball & Kultur EURO 2024 gefördert und findet in der Fan-Zone vor dem Schauspielhaus am Gründgens-Platz statt. Die nächste Vorstellung am Sonntag, 26. Mai, ist ausverkauft. Weitere Termine: 31. Mai, 1., 2., 7., 9. und 13. Juni. Am 14. Juni werden Auszüge der Show zur Eröffnung der UEFA EURO 2024 in Düsseldorf gezeigt (geschlossene Veranstaltung). Danach gibt es in der Fan-Zone abwechselnd Theater mit Tickets und Public Viewing mit freiem Eintritt. Das Junge Schauspiel zeigt im Kleinen Haus das Kinderstück zum Thema Fußball: „Spielverderber“. Informationen unter www.dhaus.de