Galerien in Düsseldorf: Hinter den Spiegeln
Eine private Galerie ist kein Museum. Man zögert, ohne direkte Kaufabsicht über die Schwelle zu treten, die Tür zu öffnen, vielleicht sogar zu klingeln. Dabei kann man die Düsseldorfer Kunsthandlungen durchaus als kleine Kunsthallen betrachten – und besuchen. Gerade, wenn die Vernissage mit ihrem Gedränge und ihren Gesellschaftsspielen vorbei ist, sind hier ruhige Begegnungen mit Bildern und Objekten möglich. Eine Freude für Kunden und für Liebhaber*innen. Drei aktuelle Beispiele aus der Altstadt:
Sies + Höke: Claudia Wieser, Henning Strassburger
Das elegante weiße Ladenlokal gleich vorne an der Poststraße ist nur ein Teil der prosperierenden Düsseldorfer Galerie von Nina Höke und Alexander Sies. Im Hinterhaus und in den oberen Etagen gibt es weitere Ausstellungsräume. Die größte Entdeckung ist allerdings, was man gleich sieht: das einzigartige Werk der in Berlin lebenden Künstlerin Claudia Wieser (51). Ihre monumentalen Bilder sind Wandteppiche, die sie als digitale Collagen am Computer entwirft und von hochspezialisierten Webereien in Belgien und den Niederlanden verwirklichen lässt.
Alle Linien und Farben entstehen aus unzähligen Fäden, die sich – wollig, glitzernd, zart oder grober – zu fantastischen Kompositionen fügen. Man erkennt Ornamente, geometrische Formen, Pflanzenteile und sogar das Profil einer antiken Göttin. Wie Gobelins in alten Schlössern gestaltet und wärmt so ein textiles Bild den Raum und wird zum, so der Titel der Schau, „Auratic Object“, Objekt mit Aura, mit ganz besonderer Ausstrahlung. Schon die Bauhaus-Meister*innen vollendeten mit solchen Werken die Ästhetik einer modernen Wohnkultur. Und Claudia Wieser hat keine Angst vor der Grenze zum dekorativen Handwerk. Im Kontrast zu den Teppichen zeigt sie kühle Skulpturen und konstruktive Wandobjekte aus Kacheln sowie einen Kreis aus spiegelnden Dreiecken.
Aber Sies + Höke kann auch ganz anders. Wer lieber jugendfrische Malerei mit einem gewissen Witz sehen will, wird die Serie „HIGH“ von Henning Strassburger schätzen. Der 41-Jährige hat der Abstraktion abgeschworen und mit den Rotschopf „ALPHAKENNY“ ein Alter Ego in die Welt gesetzt, das er wie auf Spielkarten verdoppelt und mit Attributen variiert. Mal hält der doppelköpfige Kenny einen Maiskolben, mal eine Knarre, eine Meissner Tasse, eine Farbpalette. Und grinst. Immer happy. Ziemlich crazy. Wilde Gute-Laune-Kunst.
Galerie Clara Maria Sels: „Je suis“, vier Positionen
Im ersten Stock des Kunstzentrums an der Poststraße hat Clara Maria Sels ihre helllichte Galerie mit schrägen Galeriefenstern. „Je suis“, ich bin, nennt sie die derzeitige Ausstellung, doch es geht eigentlich nicht um das Zeigen, sondern um das Verbergen der menschlichen Identität. Die Düsseldorfer Fotokünstlerin Corina Gertz arbeitet konsequent mit „Abgewandten Porträts“. Man sieht nicht das Gesicht der Modelle, nicht die Umgebung. Nur den Rücken und das Gewand. Der Rest ist Imagination. In der Serie DOAR (Deutsche Oper am Rhein) fotografierte sie Menschen in Theaterkostümen. Ein Torero aus „Carmen“ hat da ein leuchtendes lila Cape über die Schulter geworfen.
Verstecken auf andere Art spielt der belgische Bildhauer Michaël Aerts. Er bedeckte zum Beispiel eine „Flashy Pink Needle“ mit Blattmetall. Steife Büsten aus dem Königlichen Brüsseler Museum goss er ab, verhüllte sie und schuf daraus versilberte Bronzen, die ein Profil erahnen lassen. Aber unkenntlich. Man sieht nur sich selbst in der glänzenden Oberfläche – genau wie in den spiegelnden Reliefs des ehrwürdigen Schweizer Kunstprofessors Christian Megert (88), der mit der ZERO-Gruppe arbeitete und lange Zeit an der Akademie für die „Integration Bildende Kunst und Architektur“ sorgte. Seine Objekte sind streng konstruiert und doch niemals gleich, weil sie Raum und Figuren wiedergeben und zerlegen.
Ganz anders schließlich sind die kleinen stillen Fotografien von Eva Rubinstein. Die 90-jährige Fotokünstlerin zeichnete mit der Kamera – eine Brücke im Nebel, ein entrücktes Mädchen mit Samtjacke. Die subtile Arbeit der alten Lady liegt der Galeristin besonders am Herzen. Es soll im Herbst eine Sonderausstellung geben.
Galerie Hans Mayer: Jürgen Klauke, „Desaströses Ich“
Er brachte Joseph Beuys und Andy Warhol zusammen – und er prägte die Kunstsammlungen reicher Herrschaften im ganzen Land. Hans Mayer, gebürtiger Ulmer, war zu Lebzeiten sicher der bekannteste Düsseldorfer Galerist. Unermüdlich bis zuletzt. Noch kurz vor seinem Tod Ende 2022 hatte er noch einmal etwas Neues gewagt und das Haus des legendären Kollegen Alfred Schmela an der Mutter-Ey-Straße übernommen. Es ist nicht ganz leicht, in der verschachtelten Bauskulptur, die Aldo van Eyck 1971 in die Altstadt setzte, großzügige Ausstellungen zu arrangieren. Aber die Atmosphäre allein ist pure Kunst.
Im Erdgeschoss residiert jetzt Sohn Max mit einer eigenen Galerie. Im ersten Stock führt die Familie die Galerie Hans Mayer fort und zeigt jetzt bis Juli sechs Fotoarbeiten eines alten rheinischen Avantgardisten, des Kölner Fotokünstlers Jürgen Klauke (heute 80). In selbstironischen Bildinszenierungen beschäftigte sich Klauke mit Identität, Erotik, Körpergefühl. Die ausgestellten Werke, rot glühend an den grauen Betonwänden, entstanden in den späten 1990er-Jahren. „Annäherungsakrobatik“ betreiben da zwei Nackte kopfüber auf einer Bank. „Wahrnehmungskarobatik“ nennt der Fotograf eine majestätische Frau, die, ebenfalls nackt, über einem liegenden Manne thront. Und für die „Bewusstseinserweiterung“ lässt er einen Körper auf einem Tisch über einem anderen schweben. Ganz Klauke, aber irgendwie schicker als in seinen frühen Werken.
Was, wann und wo?
Sies + Höke: Claudia Wieser, „The Auratic Object“ und Henning Strassburger, „HIGH“. Bis 11. Mai, Poststr. 2 und 3, Düsseldorf. Mo.-Fr. 10 bis 18.30 Uhr, Sa. 12 bis 14.30 Uhr. www.sieshoeke.com
Galerie Clara Maria Sels: „Je suis“, Michael Aerts, Corina Gertz, Christian Megert, Eva Rubinstein. Bis 11. Mai, Poststr. 3, Düsseldorf. Di.-Fr. 15 bis 18.30 Uhr, Sa. 12 bis 15 Uhr. www.galerie-claramariasels.de
Galerie Hans Mayer: Jürgen Klauke, „Desaströses Ich“. Fotoarbeiten. Bis 14. Juli. Schmela Haus, Mutter-Ey-Str. 3, Düsseldorf. Di.-Sa. 12 bis 18 Uhr. Die Galerie Max Mayer im Erdgeschoss zeigt bis 22. Juni eine Ausstellung über den belgischen Fotografen und Konzeptkünstler Jef Geys (1934-2018). www.galeriehansmayer.de, www.maxmayer.net