Einsames Geschäft: „Homeoffice“ im Schauspielhaus Düsseldorf
Zuerst war es nur eine Notlösung. Zur Vermeidung von Ansteckungsgefahren während der Pandemie wurde das Büro wie ein Minenfeld gemieden. Man setzte auf digitale Verbindungen und blieb zu Hause im sogenannten Homeoffice. Kostensparend für die Firmen, bequem für die Arbeitnehmer: Das Modell blieb in Mode. Aber hat es uns Glück gebracht? Oder sind wir alle vereinsamt und ein bisschen verrückt geworden? Das untersucht der japanische Theatermacher Toshiki Okada in einem kuriosen Stück, das fern seiner Heimat am Düsseldorfer Schauspielhaus uraufgeführt wurde. Titel? Natürlich „Homeoffice“.
Der Jubel im Premierenpublikum war frenetisch wie immer, die Zahl der Fans und Freunde des Ensembles ist inzwischen Legion. Dazwischen saßen allerdings etliche ratlose Zuschauer, vornehmlich aus der älteren Generation. Denn was sie gesehen hatten, ist kein durchgeformtes Drama mit nennenswerter Handlung und Entwicklung. Es geht zwar auch um ein paar wirre berufliche Absichten, aber zu hören sind hauptsächlich Gedanken und Assoziationen, die ziemlich langweilig wären, wenn die Beteiligten nicht die ganze Zeit beachtliche Leibesübungen zeigen würden.
Innere Bewegung
Das ist Okadas Spezialität: Seine Schauspieler sollen sich während der Vorstellung von etwas bewegen lassen, was er „Imagination“ nennt. So will er das Verborgene zeigen: all die Unruhe, Anspannung, Aggression und Abwehr, die der Mensch fühlt, während er still vor dem Computer sitzt. Das hat durchaus Witz. In Ansgar Prüwers Bühnenbild aus sechs verschiedenen, bunt eingerichteten und wie ein Puppenhaus arrangierten Räumen trainiert das voneinander getrennte „Projektteam“ nach Kräften zu rhythmischer Hintergrundmusik. Ein Gemisch aus Yoga, Qi Gong, Tai Chi, Pilates, Kniebeugen. Sollte man sich angewöhnen.
Über Hocker und Küchentisch unten rechts turnt und windet sich Thomas Hauser als Motogirõ, ein Alter Ego des Autors. Tatsächlich spricht er zwischendurch auch Japanisch (es gibt mehrsprachige Übertitel). Dieser Motogirõ bezeichnet sich als Schriftsteller, der Figuren ins Spiel bringt. Zugleich ist er der Mann, der seiner Firma durch ein verkorkstes „Glücksversprechen“ statt guter Geschäfte einen Shitstorm eingebracht hat. Die Chefin im lila Salon oben rechts (Sonja Beißwenger) ist nicht amüsiert. Sie hat allerdings drängendere Sorgen: eine Krähenplage auf der Straße, die Vögel reißen Müllsäcke auf, alles ist verpestet. Ein Alptraum?
Geister überall
Kilian Ponert links oben spielt den braven Krawattentyp Tsubasa, der sich fürs digitale Meeting ein Airbnb-Zimmer mit starkem WLAN gemietet hat. Leider nur mit Bett, ohne Tisch und Stuhl. In verzweifelten, sehr akrobatischen Verrenkungen versucht er, vor dem Laptop eine vorteilhafte Position für die Übertragung zu erlangen. Dabei entledigt er sich zunächst seiner Hosen und läuft am Ende nackt auf den Balkon. Fertig mit den Nerven. Das ist auch die anmutige Expertin Tamachan (Blanka Winkler), die zwischen Umzugskisten vergeblich eine Internetverbindung sucht. Sie ist aus der alten Wohnung geflohen, weil sie dort Gespenster sah.
„Geister“ heißt es im Stück. Ein ernsthafter Begriff für den Autor und Regisseur Okada. Die entsprechenden Philosophien lässt er Joe formulieren (Rainer Philippi), einen reiferen Kollegen in einer hippiehaften Kuschelhöhle mit Gitarre. Dieser Joe bezweifelt, dass in einem digitalen Meeting der gleiche „Grad der Realität“ erreicht werden kann wie bei leiblichen Begegnungen. Dabei ist der virtuelle Reiz endlos multiplizierbar und dominant: „Gegenüber dem Bild hat der Körper keine Chance.“ Am Ende bleibt die gruselige Erkenntnis: „Wir sind der Welt nur als Geister verbunden.“
Und mit Gesang
In wachsendem Unbehagen zappeln die Personen, fangen an, ihren Text zu singen wie ängstliche Kinder im Keller. Es ist absurd, aber ganz ulkig. Claudius Steffens, der als ein Mann namens Ryuji vor dem Handy zackige Gesten performt, macht schließlich einen Handstand. Das System steht auf dem Kopf. Und plötzlich gibt es Zweifel, ob der IT-Ingenieur Hajime (von Belendjwa Peter in perfektem Oxford-Englisch gegeben), der die Künstliche Intelligenz perfekt einsetzen kann, selbst überhaupt ein Mensch ist.
Oder ist er eine KI, die sich als Mensch ausgibt? So sympathisch, schlau, in farbenfrohen Klamotten? Das Team im Stück kann das nicht wissen, weil keine wirklichen Begegnungen stattfinden. Nur auf der Bühne kommt es dazu, in der virtuellen Welt. Dabei widersteht Okada als Regisseur, und das ist bemerkenswert, allen Verlockungen der Technik. Die Schauspieler fixieren ihre Laptops zwar die ganze Zeit, aber die Bildschirme sind weiß. Sie zeigen absolut nichts. Denn das Theater kann sich zum Glück noch ganz in der Wirklichkeit ausdrücken.
Weitere Vorstellungen:
„Homeoffice“ von Toshiki Okada wurde unter der Regie des Autors im Großen Haus des Düsseldorfer Schauspielhauses uraufgeführt. Die nächsten Vorstellungen stehen am 26. April, am 4. und 28. Mai auf dem Spielplan. Mit japanischen und englischen, bei Sprachwechsel deutschen Übertiteln. Die Aufführung dauert anderthalb Stunden, ohne Pause. Tickets unter www.dhaus.de