Bittersüß: „Spatz und Engel“ im Theater an der Kö Düsseldorf
Von Zeit zu Zeit braucht der Mensch ein Gefühl von Leichtigkeit: Boulevard! Während das Schauspielhaus pflichtgemäß die Gegenwartskrisen verhandelt, prickelt im Theater an der Kö der Prosecco der guten Laune. Dabei achtet der Chef René Heinersdorff auf Niveau. „Spatz und Engel“ von Daniel Große Boymann und Thomas Kahry ist ein bittersüßes Singspiel um die Freundschaft der Chansonetten Edith Piaf und Marlene Dietrich. Das Stück, umjubelt zwischen Hamburg und der Oberpfalz, wurde jetzt für Düsseldorf von Ute Willing inszeniert.
Ein großes Tamtam braucht man nicht auf der kleinen Bühne mit dem roten Vorhang. Es gibt zwei Chaiselongues, variabel, und an der Seite einen Flügel für den Pianisten Uwe Rössler. Alle Nebenrollen werden von Henry Arnold und Gabriela Lindl erledigt, Henry kann auch noch Akkordeon spielen. Die ganze Aufmerksamkeit aber gehört den beiden Stars: Edith Piaf (1915-1963) wird von Felicitas Hadzik wiederbelebt, Marlene Dietrich (1901-1991) erscheint in der hohen Gestalt von Anne-Catrin Wahls.
Schmerz und Liebe
Die beiden Damen sind Profis im Theater- und Musicalgeschäft, aber selbst nicht so berühmt, dass die Fans bei ihrem Anblick ohnmächtig werden. Sie können sich ganz in die Persönlichkeiten der großen Diven versetzen, deren Haltung, Bewegung, Gesang studieren und imitieren. Die kleinere Felicitas Hadzik steckt im schwarzen Kleidchen der Piaf. Der tapsige Gang, den sie zeigt, war ebenso typisch für den suchtkranken „Spatz von Paris“ wie die großen Gesten, mit denen die Piaf den Schmerz ihrer Chansons unterstrich: „Mon dieu, mon dieu, mon dieu, laissez-le-moi encore un peu mon amoureux …“, mein Gott, lass mir den Geliebten noch ein bisschen, sang sie, nachdem ihr vergötterter Boxer Marcel Cerdan bei einem Flugzeugabsturz starb.
Die Stimme der Piaf hatte eine Fülle und Verzweiflung, die einmalig war. Unerreicht. Aber Felicitas Hadzik kommt nahe heran. Anne-Catrin Wahls, sehr elegant im Marlene-Frack und in der Glitzerrobe, hat es leichter. Denn die Dietrich war ja keine grandiose Sängerin. Sie bannte das Publikum mit ihrem Ausdruck: „Und die Welt war jung“. Man gerät sofort in eine samtene Melancholie. Das berühmte Anti-Kriegslied „Sag mir, wo die Blumen sind“ hauchte Marlene mit rauer Stimme. Anne-Catrin Wahls singt es fast zu gut. Aber sie lässt sich Zeit für die Strophen über Mädchen, Männer und Soldatengräber im Wind, und man könnte weinen über die Aktualität dieser einfachen Verse.
Nichts bereuen
Und so ist das Stück nur zu Teilen eine Komödie. Amüsant wirken die ersten Szenen, als Edith und Marlene sich 1948 backstage in New York kennenlernen und auf Anhieb verstehen. Marlene, die herbe Schöne, die Unnahbarkeit spielt und in Wahrheit eine fürsorgliche, anpackende Natur hat, kümmert sich um die jüngere, stets emotional zerrüttete Edith. Sie vermittelt ihr Auftritte, ermuntert und tröstet sie in Kummer- und Krankheitsphasen. Sie bleiben Freundinnen bis zu Ediths frühem Tod, und sie hatten, davon ist wohl auszugehen, auch eine erotisch flirrende Episode. Marlene war ja der Frauenliebe nicht abgeneigt.
Die kleine stimmgewaltige Edith schenkt der Freundin nicht nur ein Billet d’amour („Vergiss nie, dass ich dich liebe“), sie schenkt ihr auch noch das Recht auf „La Vie en Rose“, neben „Mylord“ einer ihrer großen Hits. Bewegend, dass die beiden Frauen diese Sehnsuchtshymne im Duett singen. Herzzerreißend ist eine der letzten Szenen, wenn die gebrechliche Edith aus dem Rollstuhl aufsteht, um (damals im „Olympia“) ihr großes Bekenntnis zu schmettern: „Non, je ne regrette rien“, nein, ich bereue nichts. Großer Jubel!
Weitere Vorstellungen
„Spatz & Engel: Edith Piaf und Marlene Dietrich, die Geschichte einer Freundschaft“ ist die letzte Produktion der Saison im Düsseldorfer Theater an der Kö, Schadowstr. 11 (Schadow-Arkaden) und steht bis zum 9. Juni auf dem Spielplan. Danach gastieren am 12. und 13. Juni die „Bläck Fööss“ aus Köln. Die neue Saison startet am 27. August mit Jochen Busse in der Komödie „Weiße Turnschuhe“. www.theateranderkoe.de