Düsseldorf: Verwaltungsgericht fällt Urteil zu Polizeimaßnahmen bei Demo im Juni 2021
Knapp drei Jahre nach dem eigentlichen Ereignis wurde am Mittwoch (10.4.) über die polizeilichen Maßnahmen während der Demonstration gegen das Versammlungsgesetz NRW am 26. Juni 2021 vor der 18. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf verhandelt. Gleich drei Klagen waren eingereicht worden (Aktenzeichen: 18 K 4774/21, 18 K 4927/21 und 18 K 5786/21) und bis alle Urteile gefällt waren, vergingen rund neun Stunden.
Bereits am 15. Juli 2021 hatte das Bündnis „Versammlungsgesetz NRW stoppen – Grundrechte erhalten!“ vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf Klage eingereicht, um die Rechtswidrigkeit der Polizeieskalation feststellen zu lassen. Zu den Klägern gehörten unter anderen der Anmelder und Versammlungsleiter der Demonstration, Martin Behrsing und Mischa Aschmoneit, sowie die Bündnissprecherin Gizem Koçkaya. Sie waren von der Festsetzung während der Demonstration betroffen. Die Polizei hatte 338 Demonstrationsteilnehmer*innen, darunter zahlreiche Minderjährige, über Stunden auf einer Straßenkreuzung festgesetzt.
Ziel der Klage war festzustellen, dass das Anhalten des Demonstrationszuges, die Kesselung der Demonstrierenden sowie der Ausschluss der gekesselten Teilnehmer*innen von der Versammlung, rechtswidrig war. Die Kläger argumentieren mit einer mehrstündigen Freiheitsentziehung, sowie dem Fehlen sanitärer Anlagen während des Freiheitsentzugs.
Das Verwaltungsgericht urteilte, dass die im Rahmen der Versammlung ergangenen Maßnahmen des Polizeipräsidiums Düsseldorf gegenüber fünf der insgesamt sieben Kläger rechtmäßig gewesen seien. Der Ausschluss aus der Versammlung, die Ingewahrsamnahme, die Identitätsfeststellung sowie die erkennungsdienstliche Behandlung gegenüber drei Klägern wurde als ordnungsgemäß gewertet, da sich die drei räumlich innerhalb eines Blocks befanden, der durch Seitenbanner abgegrenzt wurde. In diesem Block hätten teils vermummte Personen die Versammlung über einen längeren Zeitraum durch Widerstandshandlungen und Körperverletzungsdelikte gegenüber den Einsatzbeamten gestört. Durch die räumliche Nähe zu diesen Störern durften die Einsatzbeamten davon ausgehen, dass auch die drei Kläger zur störenden Gruppierung zuzurechnen waren.
Zwei Kläger, die sich nicht innerhalb dieses Blocks, sondern nur in der Nähe befanden, hatten Erfolg. Die polizeilichen Maßnahmen gegen sie seien rechtswidrig, da die Einsatzbeamten hätten erkennen können, dass sie aufgrund ihres Verhaltens und ihrer räumlichen Distanz nicht dem Störer-Block zugerechnet werden konnten.
Die Kammer vertrat die Auffassung, dass das teilweise Anhalten des Demonstrationszugs mit dem Einziehen der Polizeiketten zum Ausschluss des Störer-Blocks eine rechtmäßige Maßnahme darstellt, da die Alternative gewesen sei, die gesamte Versammlung aufzulösen. Es sei die Aufgabe der Versammlungsleitung gewesen die Störungen zu unterbinden.
Das Bündnisses „Versammlungsgesetz NRW stoppen! – Grundrechte erhalten“ sieht die Urteile als Teilerfolg an, will aber weitere Rechtsmittel einlegen. Bündnissprecherin Gizem Koçkaya: „Die Polizei hat versucht, meine Arbeit als Pressesprecherin des Bündnisses zu kriminalisieren, indem sie mir gewalttätige Störungen unterstellt hat, obwohl nichts davon zutraf. Ich habe am Tag der Versammlung auf Herbert Reuls freiheitsfeindliches Gesetzgebungsvorhaben hingewiesen. Das Gericht musste der Polizei offenbar erklären, dass sie unliebsamen Protest nicht grundlos kesseln darf! “
Die Anmelder und Versammlungsleiter der Demonstration, Martin Behrsing und Mischa Aschmoneit sind enttäuscht vom Urteil. „Der heutige Tag ist jedoch auch eine bittere Niederlage“, kommentierte Aschmoneit. „Das Gericht hat unsere Klage im Übrigen abgewiesen, weil es sich die Perspektive der Polizei zu eigen gemacht und das Märchen einer von der Demonstration ausgehenden Eskalation geglaubt hat. Wir haben in der Verhandlung mehrfach dargelegt, dass die Polizei von Beginn an eine Eskalationsstrategie gefahren ist und wir sie frühzeitig, aber erfolglos darauf hingewiesen haben. Zudem war anhand des Videomaterials klar erkennbar, dass sich der Demonstrationszug zur Zeit der Einkesselung entspannt bewegte. Es war eine politische Entscheidung, dass die Lage eskalieren soll, um sich nicht mit unserem politischen Anliegen auseinandersetzen zu müssen“, so Aschmoneit weiter.
Gegen die Urteile kann jeweils ein Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt werden, über den das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.