Poltergeist: K21 Düsseldorf erinnert an Mike Kelley
Seine Kuscheltiere haben sich durchgesetzt. Sie sind sicher jedem Kultursuchenden schon mal irgendwo aufgefallen: Bündelungen zerdrückter, schmuddeliger Bären, Hasen und anderer Kreaturen, die nicht wie sonst in Kinderzimmerecken, sondern in Museen erscheinen. Deplatziert. Sehr seltsam. Der Amerikaner Mike Kelley (1954-2012) liebte derlei Schabernack. Er spielte mit Erinnerungen, Ticks, Ängsten und Begierden. Humorvoll und ein bisschen irre. Die Kunst, fand er, hat Ähnlichkeit mit der Pubertät. Sie darf also auch nervig sein. Langweilig ist sie jedenfalls nicht in der leuchtenden, flimmernden, tönenden Kelley-Schau im Düsseldorfer K21.
„Ghost and Spirit“ lautet der Untertitel, Gespenst und Geist. Wie ein Gespenst spukt Mike Kelley durch die Ausstellung, die da in seinem Geist mit Hilfe der von ihm gegründeten Stiftung entstanden ist. Sein Werk, glaubt die Direktorin Susanne Gaensheimer, habe „an Relevanz und Bedeutung nicht verloren“. Mit der Einschätzung steht sie nicht allein in höchsten Kollegenkreisen. Die Schau wurde von der Londoner Tate Modern organisiert, geht noch ins Stockholmer Moderna Museet und war bereits in der Bourse de Commerce zu sehen, dem neuen Tempel der Pinault-Collection in Paris. Mary Clare Stevens, die Direktorin der Kelley-Foundation, ist very pleased über die Düsseldorfer Variante: „You are complety in Mike’s world“, man befinde sich hier total in Mikes Welt.
Ein Mann als Banane
Dafür gesorgt hat Kurator Falk Wolf, der die Videos, Objekte, Installationen, Pläne und Modelle in zeitlich aufeinander folgenden Kapiteln arrangiert hat. Damit hört es schon auf mit der Ordnung. Kelley, Sohn eines Hausmeisters und einer Kantinenköchin aus Michigan, gründete während seines Kunststudiums die Punk-Band („The Poetics“) und behielt den wilden Spirit. Kunst, fand er, dürfe dysfunktional sein, zu nichts taugen. Die angesagte Minimal Art war nicht nach seinem Geschmack, die meisten Konzepte waren ihm zu streng. Er mochte es verrückter und simulierte stattdessen in der Foto-Textreihe „The Poltergeist“ von 1978 die Besessenheit eines Mediums durch eine übersinnliche Macht.
Das aus viktorianischen Séance-Bildern bekannte Ektoplasma, das dem hübschen jungen Künstler da aus Nase und Ohren dringt, ist Watte, der Ausdruck aber glaubwürdig spirituell. Nicht lang grübeln, das passt nicht zu den Performances, die Kelley mit Freunden veranstaltete. Requisiten wie Pappröhren, Trommeln, Trichter und Tonbänder werden nun als Reliquien heilig gehalten, genau wie das gelbe Kostüm, das er 1983 im Video „The Banana Man“ trug. Sieht nach einer suspekten Kinderbespaßung aus, und da haben wir schon den Übergang zu den Kuscheltier-Installationen, mit denen Mike Kelley in den 1980er-Jahren Aufsehen erregte.
Arena der Kuscheltiere
Er sammelte niedliche Dinge auf dem Flohmarkt oder in der Nachbarschaft. Am liebsten hatte er selbst Gehäkeltes und Genähtes, von Kindern und Omas nach Gebrauch Aussortiertes. Aus zahlreichen Basteleien dieser Art, einem Gewimmel von Schmusezeug, entstand ein Wandbehang, der auf die „Love Hours“ der Herstellung hinweist und zugleich auf „The Wages of Sin“, den Lohn der Sünde. Eine pinkfarbene Plüsch-Riesenschlange auf dem Boden zieht einen Wust knuffiger Teile hinter sich her – wie Ausscheidungen. Ein paar Stoffdackel stehen in Reih und Glied auf einer Wolldecke. Worauf warten sie nur? Auf fiese Spiele, wie sie in leicht unappetitlichen Nacktperformances über die verlorene Unschuld der Kindheit angedeutet wurden? „Arena“ heißt die Werkreihe, wozu auch eine Häkeldecke gehört, deren Wölbungen einige Tiere verbergen.
Worum geht es da? Missbrauch? Auf diese Idee, behauptete Mike Kelley, brachten ihn erst die Betrachter mit ihren Interpretationen. Das war ihm recht, obwohl er mutmaßlich eine behütete katholische Kindheit hatte. Die Ideen der Anderen, fremde Kreativität inspirierten ihn. Durfte auch banal sein. Er liebte ernst gemeinte Ufo-Geschichten genauso wie die Comics von Superman, der ja vom anderen Stern kam. Bis zu seinem frühen Tod (vermutlich Selbstmord) variierte Kelley bunte Modelle, leuchtende Zeichnungen, Videos und Fantasien über „Kandor“, der Hauptstadt von Supermans untergegangenem Heimatplaneten.
Supermans Gartenzwerg
Nur Superman-Experten wissen, dass Kandor mitsamt der Bevölkerung auf Mini-Format geschrumpft und unter einer Glasglocke aufbewahrt wurde. Kelley schuf die Türme und Häuser dieser Stadt immer neu – bis er sie zu farbigen Harzklumpen werden ließ, bewacht von einem Gartenzwerg.
Wer das alles ernsthaft zu ergründen versucht, ist selber schuld. Es führt nur in die Konfusion, die von Mike Kelley durchaus angestrebt wurde. Punk eben. Im letzten Saal der Schau wird wüst gefeiert: „Day Is Done“, am Ende des Tages, so nannte Mike Kelley 2005 ein veränderbares Gesamtkunstwerk aus Fotos, Videos und Musik. Er war über 50, aber immer noch in der künstlerischen Pubertät, sammelte Bilder von Schulaufführungen und Halloween, von Engeln und Vampiren, um das in Filmsequenzen nachspielen zu lassen. In der Ecke flattert ein roter Vorhang vor dem Schatten einer imaginären Tänzerin. Es zuckt und spukt recht lustig. Eine Leuchtschrift verspricht: „Tonight Gospel Rock“. Ob das alles wirklich auf Dauer relevant ist oder getrost verschwinden kann, wird die Zukunft zeigen.
Was, wann und wo?
„Mike Kelley: Ghost and Spirit“. Bis 8. September in der Kunstsammlung NRW, K21, Ständehausstr.1. Di.-So. 11 bis 18 Uhr. Zur Eröffnungsparty am 22. März ab 19 Uhr, mit DJ und Rave, ist der Eintritt frei. Der ambitionierte und reich illustrierte Katalog aus dem Hirmer Verlag kostet 45 Euro. www.kunstsammlung.de