Kopf und Fuß: Digitale Kunst an Sneakers im NRW-Forum Düsseldorf
Überlebende aus dem mittleren 20. Jahrhundert erinnern sich vielleicht noch: Niemand wollte jenseits der Sportstunde müffelnde Turnschuhe tragen. Der modisch interessierte Mensch von heute hingegen zieht seine Sneaker(s) gar nicht mehr aus. Die sportlich bunten Treter sind nicht nur bequem, sondern auch schwer angesagt. Manche Modelle werden zu Sammlerstücken, sehr teuer. Der Lust am „Sneaker“ geht die neue Schau im NRW-Forum Düsseldorf nach. Erwachsenere Besucher*innen interessieren sich dortselbst vielleicht mehr für die faszinierende Digitalkunst des Tim Berresheim: „Neue alte Welt“.
Von den Tricks der KI, der allseits gefürchteten künstlichen Intelligenz, hält Berresheim nichts. Der bodenständige 49-jährige, der ursprünglich Studien der Malerei betrieb, legt Wert auf die Feststellung, dass der Computer nur sein Werkzeug ist – „wie der Faustkeil für den Steinzeitmenschen“. Mit neuesten Technologien, Laserscans und Computer Generated Imagery (CGI), schafft er in seiner „digitalen Höhle“ ein „Bild von der Welt“. Subtil, fantasievoll, rätselhaft. Eine tatsächliche Höhle, deren Strukturen er auf der Schwäbischen Alb in mühseliger Kleinarbeit über anderthalb Jahre eingescannt hat, zeigt ihre Formen jetzt an den Wänden des NRW-Forums.
Fantasie der Gegenwart
Der seltsame grüne Riesenvogel, der da, sehr plastisch, wie ein weises Tier aus einer Märchenwelt seinen Schnabel reckt, ist am Computer aus einer kleinen Zeichnung gewachsen – so wie viele andere Figuren und Dinge in der Kunst von Tim Berresheim. Anders als die Höhlenskizzen der menschlichen Vorgeschichte werden die Spuren, die er hinterlässt, in Jahrtausenden wahrscheinlich verschwunden sein. Das akzeptiert er und arbeitet „für das Hier und Jetzt“. Gern auch mit Kindern. Die haben für ihn zum Beispiel schwingende Linien gezeichnet, die dann ein Pilot mit einem Sportflugzeug in den Lüften nachvollzog. Aus den elektronischen Aufzeichnungen der Loopings wiederum entstand am Computer eine „Himmelszeichnerei“, digital koloriert von kindlichen Buntstiftmalereien.
Der kreative Mensch nutzt die Technik, spielt souverän mit ihr – so liebt es Berresheim. Manches wird dadurch überdeutlich, wie die Struktur eines baufälligen Hauses, dessen Räume und Treppen er vor dem Abriss genau erfasste, um daraus ein digitales Fantasiegebäude mit unwirklichen Türmen und Brücken zu bauen. Aber auch ohne detaillierte Erklärung kann man die Ausstellung des Tim Berresheim genießen, wo bunte Gestalten aus der Augmented Reality (Erweiterten Realität) durch Stadtparks tanzen und eine Mariengrotte mitten in einem Künstleratelier erscheint. Alles ist möglich in einem digital erschaffenen Werk, wie in der Malerei. Nur noch flexibler und noch verrückter. Alles fließt – auch die Kunst.
Objekte der Begierde
Das kann man vom anderen Thema nicht sagen. Die „Sneaker“ der gleichnamigen Schau stehen starr in Vitrinen hinter Glas. Als sorgfältig gehütete Leihgaben von Firmen und Sammlern dürfen sie natürlich weder anprobiert noch angefasst werden. Wir sind ja nicht im Schuhgeschäft, sondern im Museum. Allerdings werden nur Kenner und Liebhaber des internationalen Sneaker-Wesens die Exponate zu schätzen wissen. Davon gibt es allerdings genug, das beweisen die „Sneakerheads“, die vor Geschäften campen, um ein begehrtes neues Modell zu ergattern oder auf Wiederverkaufsforen im Internet mit Objekten der Begierde spekulieren. Vier- bis fünfstellige Verkaufssummen sind keine Seltenheit in der Szene. Besonders seltene Einzelpaare sollen sogar sechsstellig kosten, man glaubt es kaum.
Es ist ein gigantisches Geschäft, das schon auf den Schulhöfen beginnt, wenn sich die Kinder gegenseitig um die neuesten Nikes beneiden. Könnte sein, dass einige ältere Besserwisser*innen das Anheizen dieses Hypes in einem Kulturinstitut eher kritisch sehen. Die Jugend hat sicher ihren Spaß daran, zumal der Kunstvermittlerin und Kuratorin Alina Fuchte eine stimmungsvolle Inszenierung gelungen ist.
Superstar der Schuhe
In einem finsteren Kabinett gleich am Eingang leuchten die Marty McFly Nikes mit LEDs und automatischem Schnürverschluss, die 1989 für die Science-Fiction-Komödie „Zurück in die Zukunft“ entworfen und 2016 in limitierter Edition auf den Markt gebracht wurden. Sowohl die Original-Filmschuhe als auch das Markt-Modell, knöchelhoch und ziemlich klobig, werden da präsentiert wie das Gold von Troja. Weiter geht es mit dem gestreiften Adidas-Modell „Superstar“, das seit den 1970er-Jahren von Basketball-Spielern getragen und in den 1980er-Jahren von der Popmusik entdeckt wurde. „My Adidas“ war der Hit der Hip-Hop-Band RUN-D.M.C.. Noch berühmter wurde der „Air Jordan“, den die Konkurrenzfirma Nike im Namen des Basketball-Superstars Michael Jordan auf den Markt brachte und die hier in allen zwölf Farben als komplette Kollektion präsentiert werden. Der entzückte Fan darf die Erregung mit einem kleinen Wurf ins Netz abbauen. Schaumstoffbällchen liegen bereit.
Kein Zweifel: Wer mit Namen wie „Dunk Low Pro SB NYC Pigeon“ (2005, Nike) oder „Instapump Fury OG Villains Pack“ (2016, Reebok) etwas anzufangen weiß, kann hier sein Schuhparadies finden. In einer nach Greenwashing riechenden Ecke werden neue, angeblich ökologisch akzeptablere Produktionsmethoden angedeutet. Komplizierter ist die Abteilung „Future“, wo es um Echtheitszertifikate und 3-D-Druckverfahren geht. Statt für sich selbst kann man auch schicke Sneaker für den Avatar kaufen. Rein digital. Die drücken garantiert nicht.
Was, wann und wo?
Die Ausstellungen „Sneaker“ und „Tim Berresheim: Neue alte Welt“ im Düsseldorfer NRW-Forum, Ehrenhof 2, sind ab Samstag, 17. Februar, für das Publikum geöffnet. Di.-So. 11 bis 18 Uhr, Do. bis 21 Uhr. Eintritt: 9 Euro. Führungen und Begleitprogramm unter www.nrw-forum.de