Düsseldorfer Kunstsuche: Rundgang in der Akademie
Es ist wieder ein Gedränge zu erwarten. Denn die Düsseldorfer lieben den Rundgang in ihrer Akademie. Auch von ferne kommen die Schatzsucher des Kunsthandels, um das große Talent vor der Konkurrenz zu entdecken. Sie werden nichts Kühnes und Spektakuläres finden. Die raumgreifende Bildhauerei hat in der Pandemie schlapp gemacht und macht immer noch einen abgemagerten Eindruck. Die Malerei, die weniger Platz braucht, produziert hingegen allerlei Schönes, sicher gut Verkäufliches. Die Zeit des großen Idealismus ist vorbei. Ins Geschäft zu kommen, ist für junge Künstler*innen von existenzieller Bedeutung.
„Thank you, Kunstakademie Düsseldorf“, steht an der Tür von Raum 1, wo sich die Bildhauerklasse von Rita McBride präsentiert – mit einem Fries farbig gefilterter, fein überzeichneter Landschaftsfotografien. Ein kleiner Amor in den Zweigen, Elfen hier, Vögel da? Das ist hübsch, hat aber wenig zu tun mit den raumgreifenden Installationen, für die McBride selbst berühmt ist. Macht sich hier ein zarter Optimismus bemerkbar? Oder ist es Zaghaftigkeit? Oder beides? Winzig sind jedenfalls die 150 Fäustchen aus Ton, die Katharina Halama aus der Klasse Grünfeld als „Wachsende Arbeit“ auf den Boden der Grünfeld-Klasse gesetzt hat. Die können niemandem etwas tun. Freundlich lächelt da der bürgerliche Rundgänger.
Leeres Schaufenster
In einem anderen Grünfeld-Raum präsentiert Kommilitonin Antonia Jüdt ein ordentliches Glasregal mit zwei Zierkissen im unteren Fach als „Schaufenster I + II“. Ziemlich leer. Vielleicht auch ratlos. In der Klasse des Raumumwandlers Gregor Schneider traut man sich mehr. Saskia Tamara Kaiser macht täglich zweimal eine Performance zum Thema „Muttermilch“ mit barem Busen und handgehäkelter Ammenhaube. Lukas Stoever baute aus einem Klappanhänger einen „Ochsenkarren“ mit blutig roter Beize. Aber da ist auch einfach Hoffnung, Beschwörung. „Alle Menschen werden Brüder“ heißt eine Installation von Ko Hyeon Ung mit Teppichen, leuchtende orientalischen Lampen, Blumen aus Asien.
Es ist viel Unsicherheit in der neuen Kunst, passend zum Befinden der ganzen Gesellschaft. Man war zu lange auf sich selbst gestellt. Mit einem Wandobjekt aus geschlossenem Vorhang und schwerer Eisenkette illustriert das Meret Brosterhues, interdisziplinär arbeitende Fotografin aus der Klasse des Tiroler Bildhauers Martin Gostner. Kathi Irmen goss ihre Kleidung in Polyesterharz und machte daraus einen spinnenartigen „Erinnerungskörper“. Eine Figur des Kommilitonen Emmanuel Mazaud reißt sich das Gesicht ab und den Bauch auf: Selbstzerfleischung, aber in einer glatten, ästhetisch stilisierten Form.
Decke der Traurigkeit
Die neue Berliner Professorin Alexandra Bircken, Schöpferin krasser Objekte in Stahl und Leder, scheint ihre Schüler*innen anders zu inspirieren. Aus roher Schafswolle und einem Steigrohr konstruierte Anna Francesca Fuhrich „Dein Gegenüber“, ein drei Meter hohes, beunruhigendes Denkmal für Tierschutz oder was auch immer. Gleich daneben steht „Minna“, eine Skulptur aus einem LKW-Reifen mit Stahlbeinen von Madlin Bentlage. Hier machen sich junge Bildhauer bemerkbar. Andere kämpfen noch mit ihren Gefühlen, wie Selva Amelia Balta aus der Klasse Akdeniz, die ihre Depressionen in eine kleine schwarze Seidendecke nach türkischer Tradition gestickt – und gebannt hat. Ein Werk mit subtiler Ausstrahlung.
Professorin Yesim Akdeniz, eigentlich Malerin, ermuntert das Ausprobieren anderer Techniken. Vor großen Bildern, die von Träumen und häuslichen Rätseln handeln (Hyesu Jeong: „Something happened in the bathroom“), hat Manuel Betz einen Stahlrahmen für drei Videoarbeiten von Mariami Kavtaradze gebaut. Man sieht eine ausschreitende Person von unten: „Didn’t start the day, didn’t end the night“. Auch hier geht es um Befindlichkeit, wie bei der „Selbstjustiz“ von Amelie Strömer, die ein zartes Gitter aus Gummis in den Raum gespannt hat, worin sich etwas verfangen hat. Ein Flügel aus Federn und Wolle hängt jedenfalls schlaff herab.
Warum? Darum!
Die reine Malerei ist dem Gefühl des Betrachters oft direkter zugänglich, es lohnt sich, dafür in die oberen Stockwerke zu steigen. In der Klasse der Turner-Preisträgerin Tomma Abts sieht man, dass die Kunstgeschichte studiert wurde – von den Surrealisten bis hin zu Gerhard Richter. Ein großer Kopf von Max Sandfort hat expressive Kraft. Vielfalt gibt es auch bei Katharina Wulff, deren Klasse im Herbst gemeinschaftlich den Kulturbahnhof Eller ausmalte – und jetzt Individualität beweist. Neben einem Schiff mit blutroten Segeln von Jakob Albert („Ship 5“) und einem Frauenbildnis von Emily Dauphin hängt eine kandinskyhaft schwebende Abstraktion von Olivia Mai. Warum? „Darum“, antwortet keck der Titel.
Auch Frederik Ellerbrock aus der Klasse von Katharina Fritsch bevorzugt das Gegenstandslose, malt zu Musik und weiß noch keine Titel für seine Kompositionen: „Ich denke abstrakt.“ Das Figurative ist aber immer noch beliebter. Da wallen die Gespenster nächtlicher Empfindungen auf einem Großformat von Wulff-Schülerin Nina Hassert, Lara Werth malt die Welt als finsteres Wimmelbild aus Straßen, Häusern, Vergnügungen. Viel ist da zu entdecken. Vieles feiert fast trotzig das Leben wie in der Malklasse von Andreas Schulze, wo der Boden knallrot gestrichen wurde, damit die zerfließenden Rosen von Helena Doerfel und die glänzenden Schuhe von Tristan Frowein noch besser zur Geltung kommen.
Immer mehr Frauen
Ganz oben, im dritten Stock, nah der Aussichtsterrasse mit dem schönsten Blick auf den Rheinbogen, hat Annika Hoffmann aus der Klasse von Ellen Gronemeyer ihre Bilder in einem Bogen aufgestellt. Man sieht eine spirituell bewegte Traumlandschaft mit Wellen, Felsen, Sonnenaufgang, dramatischen Wirbeln aus Licht und Finsternis, schwarzen Vögeln – und ein paar Quietsche-Enten. Humor bricht das Pathos. Ulkige Fantasietiere (modelliert von Lea Weeber), Bilder und Mixed-Media-Ideen gehören zum übergreifenden „Rührstück“, das die Klasse von Maximiliane Baumgartner organisierte.
Und ja, die weibliche Seite der Kreativität überwiegt inzwischen an der Akademie, die immer mehr Professorinnen hat und Studentinnen anzieht. Das gilt auch für die Videokunst, die von Danica Dakic und Dominique Gonzalez-Foerster angeführt wird. Da geht es nicht um Handlungen, sondern um Happenings, die geduldig und mit einem Sinn für Fotografie festgehalten werden wie bei Angelina Askew, wo eine männlich gekleidete Frau mit Augenbinde im Wald sehr langsam und würdevoll eine lila Krawatte umbindet: „Trek-suit“, Wanderanzug. Es gibt zweifellos einen Aufbruch der Frauen an der Akademie. Ob sie sich später auf dem Kunstmarkt durchsetzen, ist eine andere Frage.
Was, wann und wo?
Die Kunstakademie Düsseldorf lädt zum Winter-Rundgang der Studierenden ein. Die Hochschule an der Eiskellerstr. 1 ist von Mittwoch, 31. Januar, bis Sonntag, 4. Februar, für das Publikum geöffnet. Jeweils 10 bis 20 Uhr. Der Eintritt ist frei. kunstakademie-duesseldorf.de