Düsseldorf steht auf: 100.000 demonstrieren gegen die AfD ( mit Kommentar)
Linie U 76, Samstag, 27. Januar – kurz nach 11 Uhr: Es wirkt, als ginge es zu einem Spiel der Fortuna. Die Straßenbahn ist rappelvoll. Ob in Düsseldorf Holthausen oder in Wersten – an jeder Haltestelle steigen viele Menschen ein. Junge. Alte. Viele schieben Kinderwagen. Die Gespräche in der Bahn kreisen um „die Demo“. „Es darf nicht dabei bleiben“, sagt ein älterer Herr. „Wir müssen mehr tun.“ Und in der Vierersitzgruppe nebenan spricht eine Seniorin mit ihrem Partner: „Morgen, am Sonntag, demonstrieren sie in Neuss gegen rechts. Da fahren wir aber auch hin.“
Unterste Schublade – sagt das Kom(m)ödchen
Tausende kommen zum Startpunkt der Demo gegen rechts – dem DGB-Haus auf der Friedrich-Ebert-Straße. Dort zeigt das Kom(m)ödchen Flagge. Chefin, Ensemble-Mitglieder, Beschäftigte und Freunde. „Die AfD passt noch nicht mal in unsere unterste Schublade“ steht da drauf. Viele hundert weitere Demonstrierende haben sich für die braunen Widerlinge etwas einfallen – von der Kackehaufen-Mütze bis hin zur Ankündigung, notfalls werde man auch Kölsch trinken, wenns gegen die Rechtsextremisten helfen würde. Die Ddorf-aktuell-Bildergalerie zeigt eine Auswahl der Transparente.
Es kommen viel mehr Anti-AfD-Demonstranten als die Straßen fassen können. Abschnittsweise rücken Menschen, Fahnenträger*innen, Transparent-Aufspanner*innen vor, auf die Oststraße, Richtung Graf-Adolf Straße. So war der Plan der Organisatoren und der Polizei. Dort wird gewartet. „Warum ziehen wir denn nicht weiter?“, fragt eine Frau. Es ist noch gar nicht losgegangen.
Zustrom der Teilnehmenden
Als sie starten, rücken unaufhörlich Teilnehmende aus dem Hauptbahnhof nach. Und an den Straßenrändern sieht es aus, wie beim Karnevalsumzug – überall stehen Menschen, mit Transparenten und reihen sich ein. Das Ziel: die Rheinwiesen in Düsseldorf Oberkassel – zwischen der Rheinkniebrücke und der Oberkasseler Brücke. Dort ist platz für 390.000 Menschen, sagt die Düsseldorfer Polizei. Als nach zwei Stunden alle vor der Bühne an der Kniebrücke angekommen sind, schätzen Veranstalter und Polizei so die Teilnehmerzahl. Es sind 100.000.
Düsseldorf DGB-Chefin Sigrid Wolf und Superintendent Heinrichs Fucks führen durch die Kundgebung. Selten zuvor waren so viele, so unterschiedliche Gruppen in einer Sache geeint: Ob Opernensemble oder die Broilers, ob Düsseldorf stellt sich quer, Dssq, oder das amtierende Karnevalsprinzenpaar, ob jüdische Gemeinde oder Düsseldorfer Muslime – die menschenverachtenden Pläne von der millionenfachen Deportation von Menschen machen vielen tausend Düsseldorfern Angst, aber sie schweißen die Stadtgesellschaft zusammen. Alle Parteien waren dabei an ihren Fahnen erkennbar. Stopp, nicht alle. Die Düsseldorfer CDU hatte ihre Banner und Flaggentücher offenbar in der Wäsche. Weit und breit nichts zu sehen.
„Düsseldorf bietet kein Forum für Rechtsradikale“
Immerhin eröffnet Oberbürgermeister Stephan Keller, CDU, die Liste der Redner. Das Stadtoberhaupt schimpft, dass die Wannseekonferenz-Nachfahren mit ihrer Brandenburger Landpartie den Namen der Stadt in den Dreck ziehen: „Düsseldorf bietet eben kein Forum für solch ein Gedankengut und solche Pläne“, ruft Keller. „Lasst uns alle unsere Stimme erheben. Lasst uns alle wählen gehen. Lasst uns Werbung machen für unsere Demokratie. Lasst uns zusammenarbeiten, um die Probleme zu lösen. Und lasst uns Zivilcourage zeigen. Dazu sind wir hier alle bereit.“ Denen, die nun von der rechtsextremen AfD außer Landes geschafft werden sollen, verspricht der OB den Schutz gegen Extremisten: „Wir sind mehr. Und wir sind die Mitte.“
Aufstehen gegen „Inakzeptable“
Die stellvertretende Ministerpräsidentin des Landes NRW und Wirtschaftsministerin, Mona Neubaur von den Grünen, stellt klar: „Die Mehrheit stehe nicht auf gegen Meinungen und Meinungsverschiedenheiten, sondern gegen Hass. Die Mehrheit stehe auf – nicht gegen Unbequeme, sondern gegen Inakzeptable. Die Mehrheit stehe nicht auf gegen Pluralität, sondern gegen jene, die die Pluralität abschaffen wollen und dafür die Mittel unserer Demokratie nutzen wollen.“ Wie, so fragte Neubaur, mag es denen gehen, die als sogenannte Gastarbeiter nach Deutschland kamen und das Land mit aufgebaut haben, wie mag es Geflüchteten gehen, oder Menschen die anders aussehen oder eine andere sexuelle Orientierung hätten? „Wenn jemand deren Freiheit angreift, dann greift er die Freiheit von uns allen an. Deswegen steht die Mehrheit auf.“
„Turbo für Demokratie“ zünden
Die nordrhein-westfälische DGB-Chefin Anja Weber sagte, die AfD wolle Einfalt statt Vielfalt. Wer soziale Ungerechtigkeit in Deutschland kritisiere, der müsse wissen, dass diese Ungerechtigkeiten mit einer AfD noch größer werden würden. Denn die sei gegen Erbschaftssteuer und gegen die Vermögenssteuer. Auch deshalb sei es an der Zeit, den Turbo für die Demokratie anzuwerfen.
Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Dr. Thorsten Latzel, bedankte sich dafür, dass so viele Menschen zur Demo gekommen seien. Mindestens genauso wichtig sei es aber, dass alle in den kommenden Wochen in den Familien, an Arbeitsplätzen, in Schulen und Universitäten gegen Hass und Hetze und gegen Ausgrenzung von Menschen aufstehen müssten.
Aus „Nie wieder“ wurde „Schon wieder“
Aus dem „Nie wieder“ sei längst „Schon wieder wie immer“ geworden, warnte Michael Szentei-Heise, ehemaliger Verwaltungsdirektor der Jüdischen Gemeinde in Düsseldorf. Er sprach am Sabbat für die jüdischen Menschen in Düsseldorf. Szentei-Heise sagte, schon einmal habe man der deutschen Bevölkerung eingeredet, dass bestimmte Gruppen von Menschen nicht zu Deutschland gehören. Ähnliche Muster seien auch heute zu beobachten. Dies könne man an der wachsenden Zahl antisemitischer Vorfälle seit dem Angriff der Hamas auf Israel beobachten.
Unmittelbar im Anschluss sprach Dalinc Dereköy, Vorsitzender des Kreises der Düsseldorfer Muslime, KDDM. Für ihn ist es wichtig, die Dinge beim richtigen Namen zu nennen: „Das waren Gedanken und Planspiele für eine groß angelegte, ethnische Säuberung.“ Diese dürfe nicht mit Begriffen wie „Remigration“ verharmlost werden. Als Vertreter der von den Deportationsplänen Betroffenen dankte Dereköy allen Teilnehmenden, dass sie mit der Demonstration ein klares Zeichen dagegen gesetzt haben.
Boden für rechten Terror
Oliver Ongaro und Maren Gatzke von „Düsseldorf stellt sich quer“ erinnerten daran, wie am 27. Januar 1945 Soldaten der Roten Armee die Überlebenden des Konzentrationslagers Auschwitz befreit hätten. Dieser Jahrestag sei heute Erinnerung Mahnung zu gleich. Es sei gut, dass nun hunderttausende Menschen in ganz Deutschland gegen des Rechtsruck aufbegehrten. Die AfD vertrete allerdings nicht erst seit gestern rechtsextremes Gedankengut. Seit vielen Jahren bereite sie mit ihrem Hass und ihrer Hetze den Boden für rechtsextreme Gewalt und für rechtsextremen Terror. Der Protest in Düsseldorf sei also längst überfällig und mehr als notwendig. Ähnlich äußerten sich Vertreter der Gewerkschaftsjugend und des Jugendrates der Stadt Düsseldorf.
Auf der Bahnfahrt nach Hause erkannten Mitfahrende Sigrid Wolf, als ihr ein Teilnehmer für die Organisation der Demo dankte. „Plötzlich klatschen alle Umstehenden“, berichtet Wolf. Abschluss eines knapp anderthalb Wochen währenden Dauereinsatzes der Organisatoren. Sie wollen in den nächsten Tagen darüber beraten, wie es in Düsseldorf weitergehen soll.
Am 25. Februar gibt es im zakk Düsseldorf einen Workshop unter dem Titel „Was tun gegen die AfD?“ – mit Blick auf den bevorstehenden Europawahlkampf.
+++
Kommentar
Tschüss, AfD
Liebe AfD-Anhänger,
sollten Sie sich in die Partei der Rechtsextremisten und Deportationsfantasierer verirrt haben, wäre jetzt eine Gelegenheit, auf Abstand zu gehen. Jeder macht mal einen Fehler. Aber den muss man dann auch selber korrigieren. Lassen Sie die Höckes, Weidels und wie diese Führer auch heißen mögen, ihre braune Brühe doch allein auslöffeln. Denn um eines kümmert sich die durch Gold aus der Schweiz und Spenden desorientierter Millionäre und Oberkasseler Zahnärzte finanzierte AfD am Allerwenigsten: um die Nöte und Sorgen der Menschen. Sie tun nur so. Tatsächlich ist das Programm der AfD eines, das Reiche noch reicher macht. Dass Deutschland wirtschaftlich in den Abgrund stößt, weil man die EU auflösen will. Und dass Deutschland aus der Nato in die Arme von Putin treiben will. Ach, das alles finden Sie gut? Wie armselig. Dann wird sich eine Mehrheit der Deutschen gegen Sie wehren. Die 100.000 Demonstrierenden auf den Düsseldorfer Straßen war nur eine Demo von vielen in diesen Tagen. Weitere werden folgen.