Schauspiel Düsseldorf: Mit „Peer Gynt“ das Klima retten
Schluss mit der Verschwendung am Theater! Das Programmheft gibt’s nur digital. Das Bühnengerüst wurde gebraucht gekauft. Spiegel, Bretter, Lichtbogen spielten schon mal woanders mit. Und die Kostüme, nun ja, das sind eh Schlabberhosen und Unterhemden sowie aus dem Fundus gefischte Klamottenteile. Bernadette Sonnenbichler, leitende Regisseurin am Schauspielhaus Düsseldorf, hat Ibsens „Peer Gynt“ als erste „klimaneutrale Produktion“ inszeniert. Man will ein Vorbild sein und den CO2-Ausstoß der kulturellen Handlung dauerhaft reduzieren. Damit, bemerkte Intendant Wilfried Schulz bei der Premiere, „stehen wir erst am Anfang“.
Immerhin wird dieser Anfang großzügig gefördert. Der Fonds Zero der Kulturstiftung des Bundes hat dem Haus eine sechsstellige Summe für klimafreundliche Sonderausgaben zur Verfügung gestellt. Mit der gelernten Bühnenbildnerin Susanne Hoffmann gibt es nun eine „Koordinatorin der Klimabilanz von Peer Gynt“, deren Hauptaufgabe nach eigener Aussage „eine aufwendige Dokumentation der Arbeitsabläufe“ ist. Das fängt schon an bei der Anfahrt von Personal und Publikum. Viel zu viel CO2-Ausstoß! Der schnaufende Mensch mit seinem Gestaltungs- und Bewegungswillen ist ja grundsätzlich schlecht für die Umwelt.
Neue Bürokratie
In der Tat wäre es am klimaneutralsten, überhaupt kein Theater zu machen. Das wurde zum Glück noch nicht erwogen. Emissionsbudgets für Ensembles und Produktionen hingegen schon, wie die künstlerische Projektleiterin Cornelia Walter in der Projektdokumentation verrät. Auch, wenn die künstlerische Freiheit aufjault: Aus guter Absicht entsteht eine ganz neue Art von Bürokratie mit pingeliger Kontrolle, Tabellen und Tortendiagrammen. Jedes Scheinwerferlicht, jedes Kulissenstück, aber auch die Lampen in den Werkstätten und die Materialzusammensetzung von Kostümteilen werden überprüft. Die Kreativität muss sich anpassen.
Apropos: Auf die Inszenierung an sich sollte man vielleicht auch noch eingehen. Ibsens „Peer Gynt“, immer wieder gern ausgesucht, eröffnet einen weiten Spiel-Raum. Denn anders als in seinen realistischen Psycho-Dramen wie „Nora“ oder „Baumeister Solness“ benutzte Henrik Ibsen hier Mythos und Märchen seiner norwegischen Heimat. Der Hallodri Peer, ein verarmter Bauernsohn, erfindet fantastische Geschichten und erlebt eine wahnwitzige Karriere, die ihn übers Meer und durch die Wüste bis ins Reich der Trolle und ins Irrenhaus führt. Bald ist er Kaiser, bald Bettelmann. Die Liebste wartet treu auf ihn, und der Teufel will ihn holen.
Helle Aufregung
Angesichts solcher Wirrnisse wünscht man sich Klarheit in der Inszenierung. Aber Bernadette Sonnenbichler lässt die Theaternebel wallen (damit wird nicht gespart) und sorgt für helle Aufregung. Sieben Männer und ein kleiner Junge, die allesamt ein bisschen Peer Gynt sind und außerdem sämtliche anderen Rollen übernehmen, turnen auf einem sich drehenden Gerüst und drum herum, während sie durch permanente Tanz- und Gymnastikübungen ihre körperliche Fitness unter Beweis stellen. Die Musiker Tobias Vethake und Karla Wenzel hoch auf dem Gestänge machen dazu Musik und Geräusche, auch ein, zwei Songs werden geschmettert („I let you run“, ich lass dich laufen). Auf die romantisch wallende „Peer Gynt“-Musik von Edvard Grieg wird verzichtet. Das ist ja hier kein Wohlfühl-Theater.
Das Ensemble verausgabt sich physisch, wie so oft. Heiko Raulin in der Titelrolle, bei der Voraufführung böse gestürzt, lässt sich seine Beinverletzung nicht anmerken. Er rennt und purzelt, als wäre nichts, und schreit sich durch den Text. Anstrengend, nicht nur für ihn. Jürgen Sarkiss überschlägt sich unter anderem als Mutter Aase und als Hoftroll, Raphael Gehrmann kokettiert als Solveig mit wehendem Röckchen und Gesang. Im Gewusel profilieren sich der 77-jährige Charakterkopf Rolf Mautz, ein herrlich garstiger Trollkönig, der sich nicht durch seine Auftritte hetzen lässt, sowie Kilian Ponert als eleganter fremder Passagier und Löffelgießer, der die verkorkste Seele des Peer Gynt mit anderen verschmelzen will. Zum Applaus nach knapp drei Stunden jubeln die Fans, die anderen gehen erschöpft nach Hause.
Nächste Vorstellungen
„Peer Gynt“ von Henrik Ibsen in der Regie von Bernadette Sonnenbichler ist die erste klimaneutrale Inszenierung am Düsseldorfer Schauspielhaus. Die nächsten Vorstellungen sind am 19. und 27. Januar, am 4., 18. und 28. Februar sowie am 21. März im Großen Haus. www.dhaus.de