Das Wesentliche: BBK Düsseldorf zeigt Schwarz-Weiß-Fotografie
Da guckt sie uns an mit ihren warmen dunklen Augen: unsere Herzensfreundin und Journalistenkollegin Anna Lewy, die im Frühjahr 2020 starb, viel zu früh. Aufmerksam ist sie, ein bisschen spöttisch, auf der Hut, typisch Anna. Zwischen den langen schlanken Fingern der rechten Hand hält sie eine Zigarette, wie fast immer in ihrem Leben. Es ist ein berückendes Porträt, dass die Fotografin Hanne Horn 1989 aufnahm. „Für Anna Lewy“ zeigt sie es nun im schwarz gerahmten Großformat bei einer Foto-Ausstellung im BBK Düsseldorf. Mit einem gedruckten Appell: „Nie wieder! Kein Antisemitismus in meiner Stadt, in meinem Land. Nie wieder ist jetzt!“
Fotografie ist politisch für Hanne Horn. Politik braucht Haltung. Und Haltung hat mit Gefühlen zu tun. Die Foto-Künstlerin glaubt, dass ihre Freundin Anna Lewy, die das Jüdisch-sein ungern zum Thema machte, in der Gegenwart selbst Stellung beziehen würde. Und so hängt das Lewy-Porträt neben einem Bild der Fotografin Horn als keckes kleines Mädchen, das allen „jüdischen und palästinensischen Kindern“ gewidmet ist. Jenseits von Kriegsberichten und Debatten stellen diese Fotoobjekte eine innere Verbindung zum Betrachter her. Man ist berührt.
Gegen die Bilderflut
So arbeitet Hanne Horn – emotional. Auf das Bild der einhändigen, sehr traurigen Skulptur „Knöchelspielerin“ im Rheingärtchen hat sie die atemlosen Worte des Afro-Amerikaners George Floyd gedruckt, dem 2020 von einem weißen Polizeibeamten der Hals zugedrückt wurde: „I can’t breathe …“. Sein Tod löste eine neue Protestbewegung aus: „Black Lives Matter“. Die Strenge der Schwarz-Weiß-Fotografie, die das Thema der Ausstellung mit fünf Positionen ist, schafft eine Konzentration, die in der bunten Bilderflut der Gegenwart oft verloren geht. Es geht um, so der Titel, „Das Wesentliche“.
Für Renate Scherra sind das Gesichter von Kindern und Männern, die sie 1989 im Jemen fotografierte und die nun aus der Vergangenheit in Erscheinung treten – auf Abzügen von Negativen, die noch im Labor entstanden, ganz Old School, jedes ein Unikat. „Vintage Prints“ nennt es die Düsseldorfer Künstlerin, die in ihrem Fotolabor auch für prominente Kollegen wie Helmut Newton und Thomas Ruff gearbeitet hat.
Räume und Menschen
Nicht leicht haben es dagegen die kleinformatigen Fotografien, die Eckhart Christensen 1995 zum Abschluss seiner Ausbildung an der Alanus Hochschule bei einer Exkursion nach Chicago aufgenommen hat. Schmuddelige Straßenecken, Schilder, Passanten wie Ameisen. Man muss schon sehr genau hinsehen, um Details zu erkennen. Auch Günter Claus verzichtet auf große Formate. Seine Architektur- und Industriefotografien aus den 1970er-Jahren zeigen ganz nüchtern das Unbeachtete, Vergessene: eine alte Fabrik mit zerborstenen Fenstern, die Ruine einer Villa, eine Halle voller Bauschutt.
Thomas Klingberg hingegen sucht den menschlichen Ausdruck. Und findet ihn unter alten Leuten, die er mit großem Respekt in ihrem bescheidenen Alltag fotografiert: drei betagte „Grazien“, die in der italienischen Provinz vergnügt vor dem Haus sitzen, eine „Korbflechterin“, die stolz ihr Werk präsentiert, eine melancholische „Rentnerin in Gelsenkirchen“, die zwischen Erinnerungen auf dem Sessel thront. Aus der Serie „Demenzportraits“ stammen die „Zustände 1-3“ im Antlitz einer alten Dame, die versucht, ihre Gedanken festzuhalten. Die Bilder sind stumm, wie Vernissage-Redner Stefan Skowron bemerkte. Was sie erzählen, entsteht im Betrachter.
Was, wann und wo?
„Schwarz-Weiß-Fotografie: Das Wesentliche im Fokus“ mit Bildern von Eckhart Christensen, Günter Claus, Hanne Horn, Thomas Klingberg, Renate Scherra: bis 21. Januar im BBK-Kunstforum Düsseldorf, Birkenstr. 47 (neben der Sammlung Philara). Fr. 17 bis 20 Uhr, Sa./So. 15 bis 18 Uhr. Eintritt frei. www.bbk-kunstforum.de