„Weiterdenken“: Düsseldorfer Kunstprogramm im Jahr 2024
Die Zeit der alten weißen Kunstherren ist für Susanne Gaensheimer endgültig vorbei. Die Direktorin der Kunstsammlung NRW hat die von Werner Schmalenbach aufgebaute Landesgalerie in den letzten Jahren energisch verändert. In die Ruhmeshallen für Chagall, Picasso, Kandinsky & Co. sind mehr und mehr Werke von Frauen und aus anderen Kulturkreisen eingezogen. Politisch äußerst korrekt klingt Gaensheimers Ziel: „eine vielstimmige, plurale und inklusive Erzählung der Moderne“. Ihr Kollege Felix Krämer im städtischen Kunstpalast nebst NRW-Forum will vor allem sein Publikum begeistern. Entsprechend sehen die Pläne der Düsseldorfer Institute für 2024 aus.
Cragg im Kunstpalast
Noch stehen „Tod und Teufel“ mit Kultur und Mode auf dem Programm, aber nach der Wiedereröffnung der neu durchmischten Sammlung und anderen Kraftanstrengungen geht es im nächsten Jahr im Kunstpalast am Ehrenhof etwas ruhiger zu. Aber nicht weniger spannend. „Size Matters. Größe in der Fotografie“ heißt die erste Schau vom 1. Februar bis 20. Mai, bei der Wirkung und Bedeutung von Lichtbild-Formaten untersucht werden. „Please Touch!“, Anfassen erlaubt, ist der Titel einer Ausstellung der Skulpturen von Sir Tony Cragg, dem emeritierten Rektor der Düsseldorfer Akademie, Chef eines eigenen Skulpturenwaldes und Vorsitzenden des Künstlervereins Malkasten (22. Februar bis 26. Mai). Nach der traditionellen „Großen“ im Sommer wird Platz gemacht für Weltstar Gerhard Richter und seine Werke aus rheinischen Privatsammlungen (ab 5. September). Mit dem „Fokus Farbe“, einem Fest abstrakter Malerei, soll das Jahr im Herbst ausklingen.
Superhelden im NRW-Forum
Um Lifestyle und Jugendkultur geht es im zweiten Haus, das zum Kunstpalast gehört. Mit „Sneaker“, einer Show über das Design und die Faszination des einst für Sportler geschaffenen Schuhtyps, sorgt das NRW-Forum sicher wieder für Andrang (17. Februar bis 26. Mai). Zugleich präsentiert der künstlerische Direktor Alain Bieber die spektakulären Mixed-Reality-Installationen von Tim Berresheim – mit allen Sinnen erlebbar, wird versprochen. Ende September kommen dann die „Superheroes“, die aus den Comics kamen und die Welt eroberten, im ewigen Kampf gegen die ebenfalls anwesenden Superschurken. 1000 Exponate auf 1200 Quadratmetern – ein kleines Universum für Fans und Experten.
Mehr Frauen im K20
Es lohnt sich, mal wieder in die Sammlungsetagen des K20 am Grabbeplatz aufzusteigen. Dort zeigen die Frauen ihr Profil: „Female Global Modern“ ist das neue Motto, mit dem Susanne Gaensheimer die Sammlung „weiterdenken“ möchte. Nachdem sie bei ihrem Start vor sechs Jahren lediglich zwei Künstlerinnen in der Sammlung fand, hat sie gezielt die Werke von Frauen angekauft und scheut nicht den Vergleich mit den vertrauten Meistern. So hängen jetzt einige leuchtende Abstraktionen der libanesisch-amerikanischen Malerin und Poetin Etel Adnan (siehe Bericht vom 29. März) neben dem ikonischen „Intérieur rouge“ von Henri Matisse. Darüber schwebt ein Matisse-Zitat: „Die Farbe ist eine Befreiung“. Ein düsteres „Mädchen in Dämmerung“ von Paula Modersohn-Becker (1904) behauptet sich neben dem kubistischen „Durchblick auf den Eiffelturm“ von Robert Delaunay (1910).
Zwischen Kirchners „Zwei Frauen auf der Straße“ und Franz Marcs „Drei Katzen“ hat es ein dezenter Webteppich von Marcs Frau Maria etwas schwer. Und ob der 1998 aus bunten Stoffresten genähte „Yellow Tree“ der Israelin Noa Eshkol der grandios schwebenden „Komposition X“ von Wassily Kandinsky (1939) ebenbürtig ist, darf diskutiert werden. In der ersten großen Wechselausstellung des nächsten Jahres im K20 (16. März bis 11. August) wird Kandinsky mit einer anderen Kollegin zusammengeführt: der Schwedin Hilma af Klint (1862-1944), die sich, wie Kandinsky, „mit geistigen Dimensionen“ beschäftigte. Auch in den „Visionen von morgen: Geschichten der Abstraktion“ (ab 6. Juli) werden Frauen wie Etel Adnan und Alice Neel gewürdigt. Als „Highlight 2024“ kündigt das Haus eine Schau um Yoko Ono an, Witwe des ermordeten Beatles John Lennon und Künstlerin, Musikerin, Filmemacherin, Fluxus-Pionierin (ab 28. September).
Geister im K21
„Experimentell, opulent und irritierend“ sei das Werk des Amerikaners Mike Kelley (1954-2012). In seinen Performances und Installationen verarbeitete er unter anderem zahllose Kuscheltiere als Zeichen für psychische Abhängigkeiten. Im K21 zeigt die Kunstsammlung NRW vom 23. März bis 8. September eine umfassende Retrospektive mit dem Titel „Ghost and Spirit“ (Gespenst und Geist) – in beeindruckender Zusammenarbeit mit der Londoner Tate Modern, der Pariser Pinault Collection und dem Stockholmer Moderna Museet. „O Mensch“ seufzt der Titel einer Ausstellung mit den Smartphone-Bildern des Berliner Star-Schauspielers und Künstlers Lars Eidinger (ab 31. August). Zu Weltruhm hat es die Düsseldorfer Fotokünstlerin Katharina Sieverding mit ihren malerischen Großformaten gebracht. Im K21 wird sie im nächsten Winterhalbjahr (ab 1. November) mit einer Überblicksausstellung gewürdigt.
Luxus Kunstgenuss?
Noch ein Wort: Nach der Wiedereröffnung des Kunstpalastes mehren sich Stimmen, die sich über zu hohe Eintrittspreise beschweren. 16 Euro kostet das reguläre Ticket im Kunstpalast (eine Erhöhung um 33 Prozent), der ermäßigte Preis von 12 Euro gilt in Düsseldorf nicht für Senioren. Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre haben erfreulicherweise freien Eintritt, aber das wünschen sich auch viele Düsseldorfer Rentner*innen und Menschen, die rechnen müssen, zumal der Preis für die pauschale ArtCard inzwischen auf 100 Euro angehoben wurde. Im K20 kostet das Einzelticket ebenfalls 16 Euro, für ein Kombi-Ticket mit K21 zahlt man sogar 20 Euro. Die Institute weisen gern daraufhin, dass es Sondereinlasszeiten mit reduzierten Preisen gibt. Den Kunstpalast zum Beispiel kann man mittwochs von 14 bis 18 Uhr für 8 Euro besuchen, und jeden 1. Donnerstagabend im Monat (18 bis 21 Uhr) ist der Eintritt in die Sammlung frei, Wechselausstellungen kosten dann immer noch 13 Euro. Wer eine Sparkassen-Scheckkarte besitzt, heißt es außerdem, kann samstags eine zweite Karte kostenlos erwerben. Aber das ist alles recht kompliziert und macht für viele den spontanen Kunstgenuss unmöglich. Da sieht man mit Neid nach London, wo der Eintritt in die Sammlung der National Gallery ganz einfach für alle frei ist und die Bürger sich immer wieder gerne dort aufhalten, um ihre Lieblings-Kunst zu besuchen.