Zarte Töne: Düsseldorf hat jetzt ein Schumann-Haus
Noch ist das kulturinteressierte Düsseldorf im Rausch wegen der Wiedereröffnung des Kunstpalastes mit seiner spektakulär aufgemischten Sammlung. Alle sind zu Recht begeistert und posten was auf Instagram. Aber die Stadt darf sich auch zutiefst über etwas viel Kleineres und Zartes freuen. Am ersten Adventswochenende wird an der Bilker Straße 15 das Schumann-Haus eröffnet – voller Romantik, Musik und Geschichten zwischen Glück und Traurigkeit. Nach langer privater Nutzung konnte das zeitweilige Domizil von Clara und Robert Schumann endlich in ein intimes Museum verwandelt werden. Die Kosten? Vergleichsweise bescheiden: 7,7 Millionen Euro.
Wie man weiß, hatte die wenige Jahre dauernde Düsseldorf-Story der Familie Schumann kein Happy End. Nachdem der 1810 in Zwickau geborene und in Leipzig und Dresden unzufriedene Komponist auch als Städtischer Musikdirektor am Rhein glücklos blieb und immer wieder den Ärger mit Chor, Orchester und Kritikern beklagte, verschlimmerten sich seine manisch-depressiven Zustände. In selbstmörderischer Absicht sprang er von der Oberkasseler Pontonbrücke, wurde knapp gerettet und ließ sich freiwillig in die Bonner „Anstalt für Behandlung und Pflege von Gemütskranken und Irren“ einweisen. Dort starb er über zwei Jahre später, im Juli 1856 – 40 Jahre vor seiner Ehefrau Clara, die selbst eine erfolgreiche Pianistin und tatkräftige Mutter von sieben Kindern war.
Keine Note ohne Ton
In einer Vitrine liegt Claras Witwenschleier aus schwarzer Spitze. Aber der Ton im Schumann-Haus ist keineswegs trist, sondern vorwiegend heiter und inspirierend. Schließlich soll ein Besuch „Spaß machen“, erklärt die ebenfalls im Heine-Institut regierende Chefin Sabine Brenner-Wilczek. Hall und Saal wie im Kunstpalast gibt es bei Schumanns natürlich nicht. Gerade einmal 225 Quadratmeter Ausstellungsfläche inklusive modernem Einbau stehen als Ausstellungsfläche zur Verfügung. Etwa 100 Exponate sind zu sehen – von Claras Elfenbein-Medaillon mit einem Porträt des geliebten Gatten bis zum Notizbuch aus Roberts Dresdner Zeit. 1000 Objekte umfasst die Düsseldorfer Sammlung. Es kann also immer wieder Variationen geben.
Besonders schön ist das Prinzip: „Keine Note ohne Ton.“ Überall klingt es auf Wunsch romantisch, schon im modernen hellen Eingangsraum, der mit einem Aufzug zu erreichen ist. Robert und Clara erscheinen auf historischen Fotografien als freundliche Geister hinter den Fenstern. Ein himmelblaues Wandrelief im damals modischen Scherenschnittstil passt zur hoffnungsvollen Stimmung der Düsseldorfer Neubürger. Robert Schumann trat die Stelle des Musikdirektors 1850 mit großem Elan an. Er war zu Anfang, wie der zweisprachige Raumtext zitiert, ganz begeistert, „einmal von der Tüchtigkeit der Kräfte, namentlich des Chors, dann von der Bildung des Publicums, das nur gute Musik will und liebt.“
Von artigen Kindern
Immerhin entstand in Düsseldorf ein Drittel seines kompositorischen Schaffens und wurde an Ort und Stelle uraufgeführt – darunter auch, Anfang 1851, die berühmte Dritte Sinfonie Es-Dur, Opus 97, „Die Rheinische“ genannt. Die Erstausgabe mit Schumanns eigenhändiger Widmung für den Kollegen Franz Liszt ist sicher ein besonderer Schatz für Experten. Andere interessieren sich vielleicht mehr für den Lebensstil im Hause Schumann. Clara, die mit fünf Kindern nach Düsseldorf kam und hier zwei weitere, Eugenie und Felix, zur Welt brachte, war keineswegs ein Hausmütterchen, sondern eine berufstätige, emanzipierte Frau. Sie gab selbst viele Konzerte, hatte zahlreiche Klavierschüler und fungierte zugleich als Managerin ihres nicht sehr belastbaren Mannes.
Natürlich gab es eine Nanny, und die Kinder hatten zu parieren. Nach einem „Guten Morgen“ frühstückten sie getrennt von den Eltern, sahen den Vater erst am Mittagstisch. Abends bekamen sie „eine Suppe und ein Butterbrot, die Eltern eine kleine Fleisch- oder Eierspeise“. Nachher wurde Domino gespielt oder vorgelesen. „Manchmal spielte uns der Vater auch ein Stückchen auf dem Klavier“, so wird Schumann-Tochter Marie zitiert. Die Familie lebte bürgerlich-bescheiden in den gemütlichen kleinen Salons, deren alter Dielenboden behutsam restauriert und dezent grau gestrichen wurde.
Häusliche Stunden
Da es keine Schumann-Möbel mehr in Düsseldorf gibt, wird die Atmosphäre liebevoll inszeniert. Im Arbeitszimmer steht zum Beispiel ein schlichter Sekretär anstelle des Original-Schreibtischs, den das Schumann-Haus in seinem Geburtsort Zwickau besitzt. Man darf sich dort hinsetzen oder auf dem Kanapee ausruhen und über Kopfhörer Musik hören und sogar eins der antiquarischen Bücher aufschlagen, die aus Schumanns Bibliothek sein könnten: Jean Pauls gesammelte Werke, Shakespeares Dramen oder der damals neue und brisante Roman über Sklaverei in Amerika: „Onkel Toms Hütte“ von Harriet Beecher Stowe.
Hinter einem historischen Tafelklavier hängt an der Wand eine bläuliche Vergrößerung des vielgedruckten Bildes, auf dem eine nachdenkliche Clara am Klavier sitzt, die linke Hand auf den Tasten, die rechte Hand im Schoß, während der Gatte mit aufgestütztem Ellenbogen daneben steht. Wie man aus dem Raumtext lernt, gingen die beiden nicht gern zu großen rheinischen Geselligkeiten. Sie empfingen lieber Besuch in ihrem Zuhause, wo geplaudert und musiziert wurde. Besonders gern hatte Clara den jungen Kollegen Johannes Brahms, der „wie eigens von Gott gesandt“ bei den Schumanns aufgenommen wird.
Ein bisschen Technik
Mit Papieren und Objekten in Vitrinen kann man heutzutage kein Publikum mehr locken. Der Esprit des 19. Jahrhunderts braucht ein bisschen Pep. Mit moderner Technik, behutsam eingesetzt, wird das Düsseldorfer Schumann-Haus belebt. Das beginnt mit einem großen Touchscreen, der die Besucher in das Düsseldorf vor 170 Jahren versetzt. An Notenständern kann man smarte Bücher aufklappen, die mit Projektionen von den Freundschaften und Beziehungen der Schumanns erzählen.
Robert, kann man sagen, war so etwas wie ein Poet unter den Musikern. Er liebte besonders die Vertonung von Lyrik, ob Eichendorff („Mondnacht“) oder Heine („Dichterliebe“). Im Salon an der Wand erscheinen wie durch Lichtzauber einige Tempobezeichnungen in Schumanns Handschrift, so, als schriebe er sie in diesem Moment: „ziemlich langsam, mit melancholischem Ausdruck, mit zartem Vortrag.“ Mit dem Rundgang ist man schnell am Ende. Aber wenn es nicht zu voll ist, möchte man gerne noch ein bisschen bleiben, mehr lesen, mehr hören, mehr entdecken im Düsseldorfer Schumann-Haus.
Was, wann und wo?
Das Schumann-Haus Düsseldorf an der Bilker Straße 15 wird am ersten Adventswochenende von Freitag, 1. Dezember, bis Sonntag, 3. Dezember, eröffnet. Am Eröffnungswochenende gelten für die beiden Museen in der „Straße der Romantik und Revolution“, Schumann-Haus und Heine-Institut, Sonderöffnungszeiten von 10 bis 19 Uhr. Der Eintritt ist kostenlos, im Beiprogramm gibt es kleine Konzerte, Vorträge und Lesungen. Regulär wird das Haus danach Di.-Fr. von 11 bis 17 Uhr, Sa. von 13 bis 17 Uhr und So. von 11 bis 17 Uhr geöffnet sein. Der Eintritt wird vier Euro kosten, das Kombi-Ticket mit Heine sechs Euro (ermäßigt halb so viel). Für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre ist der Eintritt auf Dauer frei. Kostenlos für alle: der Besuch in der Happy Hour ab 16 Uhr und an Sonntagen. www.duesseldorf.de/schumannhaus