Alle mal staunen! Der Kunstpalast Düsseldorf ist so schön wie nie
Fangen wir mal mit den kleinen Gemeinheiten an: Der Eingang zum Düsseldorfer Kunstpalast bleibt hoch und eng, eine echte Hemmschwelle. Zu den Garderoben und Toiletten muss man weiterhin zwei Etagen in die Tiefe steigen, wie es Star-Architekt O. M. Ungers in den 1990er-Jahren nun mal geplant hatte. Aber oben, im ersten Stock, öffnet sich der Eingang zu einem vollkommen neu gestalteten Museum. 800 ausgewählte Schätze aus der 130 000 Stücke umfassenden städtischen Sammlung wurden von Generaldirektor Felix Krämer und zwei jungen Kuratorinnen in 49 top-sanierten Räumen auf das Schönste angeordnet.
Der Düsseldorfer Architekt Joachim Sieber hat es geschafft, die beiden gegenüberliegenden Häuser am Ehrenhof mit zwei zusätzlichen Wendeltreppen und einer Stabilisierung des Belvedere so raffiniert zu verbinden, dass der Rundgang durch die Sammlung ganz ohne Umherirren endet, wo er beginnt: im zentralen Saal des Ungers-Baus, dessen Kuppel ab sofort von Video-Künstlern mit bewegten Bildern bespielt wird. Von hier aus spaziert man ganz mühelos in den Museumsteil und kann sich stundenlang dort aufhalten, so viel Reizvolles ist zu entdecken.
Buddhas und Madonnen
„Eine Sammlung der Neugier und der Offenheit“ wollen Krämer und seine Kunsthistoriker-Kolleginnen Felicity Korn und Westrey Page präsentieren. Dabei bleiben sie bei einer chronologischen Ordnung, kombinieren aber kühn verschiedene Genres und Kulturen: Möbel mit Gemälden, Buddhas mit der Muttergottes, Liebermanns „Kartoffelernte“ mit dem Kimono eines japanischen Bauern. Krämer: „Wir möchten nicht das Trennende zeigen, sondern Gemeinsamkeiten betonen.“ Und, ganz wichtig, auch bildungsfernere Besucher nicht ausschließen. „Mehr Wow, weniger Gähn“ verspricht die bunte Werbekampagne. Die zweisprachigen Saaltexte sind deshalb erfrischend frei von hochgestochenen Fachbegriffen, schlicht und verständlich: „Welcome to the Kunstpalast!“
Thank you, dann gehen wir mal los. Vorbei an mittelalterlichen Heiligenfiguren, die gleichermaßen spirituelle Kraft und Ruhe ausstrahlen, und einem Monumentaltor aus Ägypten oder Syrien geht es zu einem italienischen Renaissance-Madonnenbild, dessen Putten mit der AR-Funktion in der Kunstpalast-App zu flattern beginnen. Ja, „Augmented Reality“ und andere Smartphone-Spielchen sind möglich in der Schau. Aber nicht nötig. Alles lässt sich ganz Old-school mit dem eigenen Auge betrachten. Das vielleicht berühmteste Bild zum Beispiel: „Venus und Adonis“ von Rubens, einzig verbliebene Herrlichkeit aus der legendären Sammlung des Kurfürsten Jan Wellem, die von seinen Erben schmählich nach München verfrachtet wurde.
Jan Wellem zu Pferd
Prächtig sitzt der Kurfürst selbst zu Pferd auf dem 1703 entstandenen Reiterporträt des Hofmalers Jan Frans Douven, das einst im Audienzsaal des Düsseldorfer Stadtschlosses hing, um die Untertanen zu beeindrucken. Funktioniert immer noch. Zierlich dagegen: zwei goldene Gottheiten aus dem Tibet des 17. Jahrhunderts. Wer auch noch in die Kabinette geht und zum Beispiel die kostbaren Kupferstiche aus der Sammlung des ersten Akademiedirektors Lambert Krahe bewundert, möchte vielleicht schon eine kleine Pause machen, im Belvedere die Aussicht auf den Ehrenhof bewundern und sich auf eine der grauen Sofas setzen. Eleganz und Wohlbefinden werden in diesem Kunstpalast mit seinem hellen Eichenparkett auf das Feinste vereint. Direktor Krämer verweist auch auf die Details: Es gibt keine sichtbaren Steckdosen, und die oft so störenden Notausgangs-Zeichen leuchten nur grün bei Alarm.
Weiter geht es ins 19. Jahrhundert, der „Zeit der Innerlichkeit“. Mein persönlicher Raum der Rührung. Denn vor Wilhelm von Schadows Bildnis seiner Kinder (1830) mit dem allerliebsten weißen Kaninchen hat mir mein Großvater vor 60 Jahren in diesem Museum die Düsseldorfer Malerschule nahegebracht und meine Liebe zur Kunst begründet. Im neuen Museum wird das romantische Gemälde mit länglichen Vitrinen voller Netsuke kombiniert, jenen winzigen japanischen Gürtelfiguren, die zu Schadows Zeiten sehr in Mode waren.
Leuchtende Beispiele
Durch eine Galerie, in der dicht gedrängt allerlei schnörkelig gerahmte Beispiele für Salonmalerei des 19. Jahrhunderts hängen, vorbei an Böcklins „Schlafender Diana“ und Rodins „Ehernem Zeitalter“, nähert man sich langsam der Moderne – und dem Mittelpunkt des 1926 von Wilhelm Kreis an der Rheinseite erbauten Kunstmuseums. Eine kraftvolle „Stehende weibliche Figur“ von Wilhelm Lehmbruck weist den Weg zum Expressionismus, für den es einige leuchtende Beispiele gibt: Franz Marcs „Akte unter Bäumen“, Kirchners „Unterhaltung“, Corinths einst von den Nazis beschlagnahmten und 2022 zurückgekauften „Blumenstilleben mit Flieder und Anemonen“, Wollheims „Abschied von Düsseldorf“.
Mit Staunen sieht man, dass der spätere Nazi-Bildhauer Arno Breker in den 1920er-Jahren noch die sensible Skulptur einer „Knieenden“ schuf, die sich jetzt durchaus mit der „Quappi in Blau und Grau“ des von den Nazis verfolgten Malers Max Beckmann verträgt. Nach 1945 wird es abstrakt – die Künstler haben genug von der Figürlichkeit, die von der Propaganda so übel missbraucht worden war. Es leuchtet das Blau von Yves Klein, es glitzern die kinetischen Objekte der ZERO-Gruppe, bis es die Pop-Art in den 60er-Jahren wieder bunt treibt.
Fast wie damals
Auch der Alltag und die Lebensart haben ihren Platz in der modernen Abteilung. Ein VW-Käfer, ein Fahrrad, Lampen, Stapelstühle und Birkenstock-Schlappen gehören zu den zahlreichen Design-Stücken, die gezeigt werden. Eine der mit Wallpapers verkleideten Wände verweist auf die berühmte „Afri Cola“-Kampagne von Charles Wilp: „Super-Flower-Pop-Op-Cola“ mit falschen sexy Nonnen. Typisch 1968. Nam June Paiks alte Videos flimmern an der Decke, und in der Kunst-Kneipe „Creamcheese“ kann am Wochenende echtes Bier getrunken werden. Die einst von Günther Uecker und Kumpels gegründete und 1978 geschlossene Kultbar an der Neubrückstraße wurde im Museum rekonstruiert. Für nostalgische Gefühle …
Quengelnde Kinder wird es kaum geben im neuen Kunstpalast. Denn es gibt nicht nur eine über coole Tonie-Boxen abspielbare Audio-Tour, sondern auch spezielle Räume für die Kleinen, wo hinter Türen mit niedrigen Klinken allerlei von Christoph Niemann gestaltete visuelle Erlebnisse warten. Die ganze Familie muss allerdings noch auf das neue Abenteuer warten. Der Kunstpalast ist erst ab 21. November für das Publikum geöffnet.
Was, wann und wo?
Der von der Stadt Düsseldorf mit 50 Millionen Euro finanzierte Um- und Ausbau des Sammlungsteils im Kunstpalast ist nach drei Jahren vollendet. Auf über 5000 Quadratmetern werden 800 Werke gezeigt, die gelegentlich ausgetauscht werden sollen. Zurzeit gibt es Vorbesichtigungen, für das breite Publikum ist das Museum ab Dienstag, 21. November, geöffnet. Di.-So 11 bis 18 Uhr, Do. bis 21 Uhr. Bis 26. November ist der Eintritt frei, danach kostet er 16 Euro, wobei Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren nichts zahlen müssen.
Mit einem „Palastfest“ am Samstag, 25. November, soll auch das neue, von außen zugängliche Museumsrestaurant Anna Maria im Erdgeschoss des Belvedere zugänglich sein. Ein großformatiger, sinnlich illustrierter, nicht textlastiger Sammlungskatalog ist im Wienand Verlag erschienen und kostet broschiert 29,90 Euro, gebunden 49,90 Euro. www.kunstpalast.de
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