Heiliger Bimbam: Religionsshow von Bonn Park im Schauspiel Düsseldorf
Die Gegenwart ist eine Zumutung. Kriege, Krisen, Klimawandel, und die Pizza wird auch immer teurer. Diffuse Ängste quälen viele Menschen, sogar den munteren Theatermacher Bonn Park (36). Ein bisschen Trost muss sein. Und so erfand er, nach der vom Fernseh-Raumschiff Enterprise inspirierten Weltraumoper „Zurück zu den Sternen“, kurzerhand einen eigenen Glauben. Für die Bühne. Mit großem Gesang. Die von ihm selbst inszenierte Uraufführung seines Show-Gottesdienstes „Keine Sorge (Religion)“ im Düsseldorfer Schauspielhaus wurde von Fans mit Jauchzern umjubelt. Skeptiker saßen ratlos da.
Wie Bonn Park freimütig erzählt, ist er in Berlin „so heidnisch aufgewachsen“, womit er atheistisch meint. Das Gymnasium habe humanistisch-aufgeklärte Werte vermittelt. Aber die, meint er, hätten sich „überdreht“ und „das Haltbarkeitsdatum überschritten“. Nun spüre er wie viele andere „eine Sehnsucht nach einfachen Antworten“. Für Inspiration sorgte ein mit Hallelujas aufgemischter Song des frommen, (wenngleich politisch nicht ganz korrekten) Rappers Kanye West („Selah“), den Bonn Park beim Spazieren über die Schadowstraße gehört hatte. Gänsehaut-Gefühl! Die Musik schenkte dem studierten Dramatiker nach eigener Aussage „eine Mischung aus totaler Geborgenheit und völliger Ehrfurcht“.
Ballast abwerfen
Wow! So etwas wollte er auch in die Welt setzen, aber ohne die doofe alte Kirche. Warum nicht eine Religion erfinden, „die den Ballast der Vergangenheit abwirft“? Das genügte offenbar als Plan fürs Düsseldorfer Schauspielhaus. Generalintendant Wilfried Schulz (71) lässt die jungen Leute machen. Wie ein guter Papa des Theaters. Auch, wenn’s ihm vielleicht nicht immer ganz geheuer ist, wie man beim Vorgespräch heraushören durfte: „Wir verabreden uns, aber man kann kein Stück lesen.“
Das Stück entstand, mit Hilfe der beteiligten Schauspieler*innen, im Laufe der Proben. Und ist nur anderthalb Stunden lang, wobei zwischen kuriosen Predigten und herzerwärmenden Chorälen sehr viel geschwiegen wird, geschritten und hantiert. Wie im wirklichen Kirchenleben. Bühnenbildnerin Jana Wassong hat weiße Kulissen gebaut, die aussehen wie die Ikea-Version eines Sakral-Raums, und tatsächlich: Die Glaubensgemeinschaft nutzt eine kurze, für das schwedische Möbelhaus typische „Anleitung“ als Bibel und baut damit zusammen den „Altaår“. Block in der Mitte, Treppchen rechts und links. Riesige Inbusschlüssel werden zum Schrauben geschwungen.
Bloß keine Sorge
Das ist ganz witzig. Es darf mitunter gekichert werden. Aber Bonn Park hat leider keine Satire im Sinn. Er meint es vollkommen ernst und will den anwesenden Seelen „Ruhe“ und „Ordnung“ schenken. Dabei helfen ihm die an klassischer Kirchenmusik orientierten, von adäquaten Orgeltönen untermalten Choräle, die sein Komponistenfreund Ben Roessler geschrieben hat. Etwa 30 Sänger*innen aus der hiesigen Hochschule und dem Jungen Kammerchor, verkleidet mit steifen Perücken, lila Handschuhen und irritierenden Visieren in Eierform geben ihr Bestes: „Keine Sorge! Sorg dich nicht! Sei unbesorgt! Wehe, du sorgst dich!“ schmettern sie uns entgegen, die Worte werden zur Bekräftigung am Rand als Leuchtschrift gezeigt. Denn so lautet im Wesentlichen die Botschaft. Die Dinge sind zwar schwierig, der Mensch hat Angst, der Tod kommt gewiss, aber das ist normal, und man ist nicht allein. Oder, um es mal rheinisch zu sagen: Et kütt, wie et kütt.
Das klingt sehr allgemein, entsprechend ist die Show. Bonn Park hat sich keine Geschichte ausgedacht, es gibt keine handelnden Figuren mit Schicksal und Charakter. An der Rampe stehen lediglich vier Priestergestalten in steifen Gewändern aus einer katholisch geprägten Fantasie und halten kurze Predigten in dem typisch gestelzten Ton, mit leichtem Hall. Minna Wündrich muss ihre schauspielerischen Fähigkeiten zurücknehmen, um als „Priesterin des Unkomplizierten“ in sehr schlichten Worten ihr Verständnis für die Schäflein zu formulieren: „Alle anderen sind blöd. Niemand versteht dich.“
Alles einwandfrei
Aber, kein Problem. Denn: „Das Wunder kommt.“ Lioba Kippe schlüpft als solches aus einem Riesenei (daher die Eier-Visiere des Chors). Sie wurde irgendwie von der „Großen Freundin“, die hier als Gottheit wirkt, in die Welt gesetzt. Chor und Priester futtern die Eierschale wie eine Hostie, ziehen das Wunder blitzschnell groß und entlassen es ins Leben, wo es der „Wollust, Völlerei und Faulheit“ frönt. Das ist aber keine Sünde in Bonn Parks entspannter Religion. Am Ende wird das Wunder nach dem Tode auferstehen und eine neue Welt dabei haben. „Du bist weg“, heißt es, aber: „Alles geht sich aus. Alles ist einwandfrei.“
Na prima. Nur mussten zuvor noch Lücken zwischen den Gesängen überbrückt werden. Es gibt langatmig zelebrierte Putzvorgänge mit Gummihandschuhen, Wischmopp und Handfeger. Caroline Cousin als Priesterin der Anmut trägt würdevoll ihr Bischofshäubchen. Kilian Ponert als Priester der Demut entzieht sich einer vollständigen Gesichtspflege ohne Spiegel und legt hernach eine goldene Maske auf. Sehr hübsch. Aber was soll das Ganze? Ich weiß es nicht. Macht nichts, versichert mir Jürgen Sarkiss als Priester der Ahnungslosigkeit, und der Chor singt: „Keine Ahnung ist normal, schäm’ dich nicht!“ Normal ist offenbar auch der heilige Kokolores.
Die nächsten Vorstellungen
Das Stück „Keine Sorge (Religion)“ von Bonn Park mit Musik von Ben Roessler wurde im Großen Haus des Düsseldorfer Schauspielhauses in Parks eigener Regie uraufgeführt. Weitere Vorstellungen sind am 24. Oktober und 18. November, 19.30 Uhr. Am 5. November gibt es eine Nachmittagsvorstellung um 16 Uhr. Die Show dauert anderthalb Stunden, keine Pause. Karten und Infos unter www.dhaus.de