Düsseldorf: Für Demo der Wohlfahrtsverbände muss sogar die Bannmeile verschoben werden
Wie angespannt die Lage der Wohlfahrtsverbände im Bereich der Kitas, OGS, Kinder- und Jugendarbeit sowie der Betreuung von Senioren und Behinderten ist, konnte man am Donnerstag (19.10.) vor dem Düsseldorfer Landtag erleben. Über 20.000 Menschen waren zum Kampagnenauftakt „Rettung der sozialen Infrastruktur“ mit dem #NRWbleibsozial gekommen. Die Anmelder hatten rund 5000 Anmeldungen, aber offensichtlich ist die Not so groß, dass Beschäftigte, Eltern und Kinder aus ganz NRW gekommen waren. Der Platz vor dem Landtag reichte nicht für alle aus, so dass die Polizei die Bannmeile verkleinerte und mit ihren Einsatzfahrzeugen nur noch den Vorplatz des Landtages sicherte.
Die Demonstrierende waren kreativ und laut. Viele hatten Plakate gestaltet, Luftballons oder „Rettungsschirme“ dabei und mit ihren Stimmen und Trillerpfeifen machten sie ihre Not deutlich. Bewusst hatten sie den Zeitpunkt ihrer Demo auf 11:55 Uhr gelegt, denn dass es bereits jetzt bei vielen Wohlfahrtsverbänden 5 vor 12 ist, wurde deutlich. Drinnen im Landtag wurde parallel über den Entwurf des NRW-Haushalt für 2024 debattiert.
Jochen Ott, Vorsitzender der SPD-Fraktion und Oppositionsführer, kam zu den Demonstrierenden und gab ihnen recht. Er hofft, dass die Demo ein Weckruf für die schwarz-grüne Landesregierung ist. Strukturen müssten verbessert und finanzielle Unterstützung bereitgestellt werden, um Fachkräfte zu gewinnen und die qualifizierte Betreuung der Kinder sicherzustellen.
Auch Kinder, Eltern und Betreuer*innen der OGS Adam-Stegerwald-Straße waren aus Garath zur Demo gekommen. Sie hatten bereits im Juni vor dem Düsseldorfer Rathaus demonstriert. Beim Düsseldorfer-CDU-Landtagsabgeordneten Peter Blumenrath hatten zahlreiche Eltern der Schule bereits mit einer Eingabe versucht, ihn dazu zu bewegen, sich für eine gute Finanzierung der OGS einzusetzen. Weniger Betreuung bedeute für viele Eltern, dass sie ihre Arbeitszeiten reduzieren müssten, was beim aktuellen Fachkräftemangel allen schaden würde. Ulrich Mennekes, der als Honorarkraft in der OGS arbeitet, betont, dass die OGS zwar immer als „so wichtig“ besprochen wird, die finanzielle Ausstattung bisher immer „auf Kante genäht“ war.
Pfiffe kassierte die Vorsitzende der Grünen-Landtagsfraktion, Verena Schäffer. Zwar sprach sie davon, dass das System der Finanzierung für die soziale Infrastruktur geändert werden müsse, aber dafür müssten die Grünen sich gegenüber ihrem Koalitionspartner CDU durchsetzen. Und auch in Berlin scheitert diese Einsicht, dort an der FDP. Das Land NRW hatte zugesagt eine Überbrückungshilfe von 100 Millionen Euro in den Haushalt zu schreiben und versprochen, die Erhöhung von Pauschalen vorzuziehen. Doch in Anbetracht der Situation reicht dieses Geld nicht.
Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) sieht die Demonstration am Donnerstag nur als Auftakt. Sie ruft unter dem Motto „Es donnert in den Kitas – Kinder und Beschäftigte gefährdet!“zu wöchentlichen Mahnwachen bis Weihnachten in vielen Bundesländern auf. Die zuständige verdi-Landesfachbereichsleiterin, Andrea Becker betont, dass das Problem bereits seit langem bestehe. Laut ver.di Kita-Personalcheck fehlten im Sommer 2021 im Durchschnitt drei Fachkräfte, um in den Kitas fachlich angemessen arbeiten zu können, insgesamt rund 32.000 Fachkräfte. Dabei soll die Betreuungsdichte noch aufgebaut werden. Schon jetzt sei keine Verlässlichkeit für die Eltern mehr gegeben. Notgruppen, Reduzierung der Öffnungszeiten oder auch Schließungen von Gruppen seien an der Tagesordnung.
Das Land NRW sei gefordert, finanziell die Kindertagesstätten in Nordrhein-Westfalen zu stabilisieren. „Wir begrüßen grundsätzlich die Fortführung des Kita-Helfer*innen Programms und der Sprach-Kitas durch die Landesregierung in NRW. Die grundsätzliche Finanzierungssystematik der Kindertageseinrichtungen muss aber auf den Prüfstand“, so Becker weiter. Die verzögerte Anpassung der KiBiZ-Pauschalen zum August 2024 komme allerdings zu spät und die geplante Überbrückungsbeihilfe für freie Träger löse das grundsätzliche Problem nicht.