Düsseldorf: Streetworker erfolgreich im Kampf gegen Gewalt in der Altstadt
Im Mai 2022 startete die Stadt Düsseldorf das Projekt “Sicherheit in der Düsseldorfer Innenstadt” (SiDI). Maßnahmen wie der verstärkten Einsatz von Einsatzkräften des Ordnungsamtes und der Polizei sowie ein neues Lichtkonzept und Kameraüberwachung gehören zu SiDI. Wesentlicher Bestandteil ist aber der Einsatz von Streetworkern. Denn für viele Zwischenfälle in der Altstadt und am Rheinufer waren Jugendliche verantwortlich. Durch die gezielte Ansprache der Jugendlichen, Intervention und Deeskalation sollte der Bereich sicherer werden. Das Konzept scheint aufzugehen. Der Oberbürgermeister und die Streetworker von kohleG zogen am Dienstag (12.9.) eine positive Zwischenbilanz.
Kein Sprint, sondern Marathon
Dass sich die Lage in der Altstadt nicht von heute auf morgen ändern lässt, war von Anfang an klar. Das mittel- und langfristige Ziel der Streetworker ist es, Gewaltpotentiale bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen abzubauen. Dafür muss zuerst Vertrauen bei der Zielgruppe (Menschen zwischen 12 und 27 Jahren) aufgebaut werden. Seit Juni 2022 sind die Streetworker im Einsatz und erste Erfolge stellen sich ein. Freitags, samstags und vor Feiertagen sind die Teams von 17 bis 2 Uhr präsent. Das Kernteam besteht aus fünf Streetworkern (drei Männer, zwei Frauen). Darüber hinaus gibt es acht zusätzliche Fachkräfte, die das Team regelmäßig in unterschiedlichem Umfang bei den Streetwork-Einsätzen am Wochenende auf Honorarbasis unterstützen. Durch niederschwellige Intervention versuchen sie Eskalationen im Keim zu ersticken, die sonst Körperverletzungen oder Einsätze von Polizei und Ordnungsamt nach sich ziehen könnten. Dazu beobachten sie die Lage und nehmen Kontakt zu Gruppen und Einzelpersonen auf. Sie schreiten ein, wenn sie Respektlosigkeiten, Provokationen oder Konflikten erkennen.
“Aufrüstungsspirale konnte gestoppt werden”
“Durch unsere kontinuierliche Beziehungsarbeit seit Beginn des Projektes tragen wir dazu bei, Gewaltpotentiale nachhaltig abzubauen”, erklärt Derick Addy von kohleG. “Wir sprechen die Sprache unserer Zielgruppe und konfrontieren die Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit ihrem Verhalten und ihren Einstellungen. Wir bieten aber immer auch ein offenes Ohr bei Problemen und bieten Beratung und Lösungswege an. Anhand der regelmäßigen Dokumentation unserer Arbeit können wir die Erfolge messbar machen – so sehen wir gerade in diesem Jahr, dass unsere kontinuierliche Beziehungsarbeit Früchte trägt und immer mehr junge Menschen unsere weiterführenden Unterstützungsangebote in Anspruch nehmen. Gleichzeitig beobachten wir in diesem Jahr schon deutlich weniger intensive Gewaltausbrüche und mussten deshalb auch seltener die Polizei hinzurufen. Die Bandbreite der Fälle erstreckt sich von Spaßkämpfen und dummen Sprüchen bis zu Beleidigungen und echten Handgreiflichkeiten. Wir greifen allerdings nicht immer sofort ein. In vielen Fällen klären sich die Konflikte von alleine. Junge Menschen müssen auch den Raum erhalten, selbständig zu lernen, Konflikte vernünftig auszutragen. Nicht selten verändern sie auch schon ihr Verhalten, wenn sie merken, dass sie unter unserer Beobachtung stehen.”
Positives Feedback
“Wir bekommen von Anwohnern und Unternehmern am Rheinufer zurückgemeldet, dass sich die Lage und vor allem das subjektive Sicherheitsempfinden deutlich gebessert hat”, sagt Tiemo Imhof von kohleG. Das können die Streetworker auch durch die Statistiken belegen, die sie führen. Seit Juni 2022 wurden 230 Konflikte, Provokationen oder Respektlosigkeiten beobachtet. In 123 Fällen intervenierten die Streetworker aktiv, in 21 Fällen wurde OSD oder Polizei hinzugezogen. Rund 750 Kontaktaufnahmen zu Jugendgruppen, davon 359 Erstkontakte hatten die Teams. 1.860 junge Menschen wurden kontaktiert, durchschnittlich 13,4 pro Einsatztag, 810 waren Erstkontakte, 1.050 Wiederholungskontakte.
Imhof und Addy merken auch, dass die regelmäßigen Kontrollen der Waffenverbotszone Früchte tragen. Im vergangenen Jahr erlebten sie selber in drei Fällen, dass Messer gezogen wurden, in 2023 noch nicht. Die Streetworker sichern sich selber mit stichfesten Westen und Selbstverteidigungstraining, aber wenn Waffen ins Spiel kommen, alarmieren sie sofort die Polizei. Ihre Arbeit beschränkt sich aber nicht nur auf die Einsätze in der Altstadt und am Rheinufer. „Oft haben die Jugendliche Probleme mit Job- und Ausbildungsplatzsuche, Wohnungssuche, Anträgen, Ämtergängen, aufenthaltsrechtlichen oder gerichtlichen Angelegenheiten. Wenn sie Vertrauen zu uns gefasst haben, kommen sie auch in der Woche in unser Büro und wir versuchen individuell zu helfen“, beschreibt Derick Addy. Bisher konnte kohleG 39 jungen Menschen weiterhelfen, 28 mal wurden sie zu anderen Facheinrichtungen begleitet und weitervermittelt.
“Die Gespräche mit uns bekannten Gruppen sind oft sehr intensiv und können im Einzelfall auch schon mal anderthalb Stunden dauern”, betont Addy. “Gerade im Winter, wenn weniger Menschen in der Stadt unterwegs sind, treffen wir immer wieder auf die uns bekannten Gruppen und können wichtige Beziehungspflege betreiben.”
Projekt soll weitergeführt werden
Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller ist froh, dass das Projekt so gut funktioniert. “Die Streetworker, die im Auftrag der Stadt unterwegs sind, leisten einen wesentlichen Beitrag dazu, unsere Innenstadt zu einem sichereren Ort zu machen. Mehr noch als es ordnungsbehördlich möglich ist, gehen sie das Problem im Kern an, bauen Vertrauen zur Zielgruppe auf und bieten weiterführende Hilfe an. Das Besondere an ihrer Arbeit ist aber der konfrontative Ansatz: Es wird Klartext geredet. Diese Ansprache, gepaart mit der methodischen und nachhaltigen Arbeitsweise, ist das Erfolgsrezept für die gute Arbeit der Streetworker, die daher auch über das Ende des Projektes SIDI hinaus weitergeführt wird,” betonte er. Die Mittel für den Einsatz sollen auch in Zukunft bereitgestellt werden, versicherte er.