Bestrickend: Cirkus Cirkör eröffnet das Düsseldorf Festival
Es ist sehr heiß diese Woche, 30 Grad, nicht nur Artisten schwitzen. Kaum zu glauben, „dass das Düsseldorf Festival mal Altstadtherbst hieß“, scherzt Oberbürgermeister Stephan Keller, tapfer im Anzug, bei seinem Eröffnungsgruß im vollen Theaterzelt. Während draußen der Guru Dudu aus Melbourne im kessen Trikot seine mit Kopfhörern ausgestatteten Fans zu einer Art Tanzgymnastik mit dem Titel „Silent Disco“ um den Burgplatz führt, warten drinnen 900 Gäste gespannt auf eine Premiere der besonderen Art: Der schwedische Cirkus Cirkör zeigt seine Show „Knitting Peace“, Frieden stricken.
Mag sein, dass man beim Düsseldorf Festival am Burgplatz schon tollere Akrobaten sah wie die „Humans 2.0“ aus Australien oder kühneres Tanztheater wie „La Baraka“ aus Südfrankreich (beide 2021). Aber die Truppe aus dem Norden hat unter der Leitung von Tilde Björfors eine wahrhaft bestrickende Performance in die Welt gesetzt. Gearbeitet wird nur mit hellen Fäden und Stricken, die immer neu verwoben werden, sich mitunter verheddern und einen fragilen Halt bieten, der sich schnell auflösen kann. Wie die Sicherheit im Leben, in der Welt.
Liebe und Balance
Es gibt also keine Glitzershow wie im Varieté, sondern eine eigensinnige Vorstellung mit vielen poetischen Gesten und einer mitreißenden Musik, live gefiedelt, georgelt und gesungen vom Komponisten Samuel „Looptok“ Andersson himself. Betörend. Aber nichts für Ungeduldige: Am Anfang steht ein weiß gekleidetes Mädchen auf der Bühne und häkelt mit den Händen aus dicker Wolle ein loses Netz, das sie sich umlegt, um es wieder fallen zu lassen. Aus einem Knäuel schält sie ein Männlein, handgestrickt. Viele dieser einfachen Puppen werden noch mitspielen, einige hängen an einer Schlaufe, über die ein Seiltänzer balanciert, während über ihm ein malerisches Gespinst aus dicken Fäden hängt.
Der Seiltänzer kann noch mehr. Wie sich nachher herausstellt, ist er auch ein Geiger, der das Gleichgewicht auf Stricken, Kugeln, einem Einrad hält, während er spielt. Und der dabei auch mal fallen kann und wieder auf die Füße kommt. „Wofür lohnt es sich zu kämpfen?“ fragt eine Frauenstimme: „Für die Liebe!“ Es ist rührend. Die Akrobaten laufen auf den Händen und nutzen riesige, als Knäuel gestaltete Kugeln zum Balancieren und Verstecken. Das Gespinst über ihren Köpfen fällt nieder und wird zu einer durchlässigen, wabernden Wand aus Fäden, an denen zwei Trapezkünstlerinnen atemberaubende Übungen machen. Eine von ihnen dreht und windet sich später auf einer Leiter aus Luftmaschen, die langsam aufgeribbelt werden. Mutig! Viele Nummern hätten mehr Szenenapplaus verdient, aber die Wahrnehmung des Publikums war ganz verstrickt in die Fäden der Inszenierung. Dafür gab’s am Ende tosenden Beifall.
Mehr vom Festival
Wer den Cirkus Cirkör mit seinem Stück „Knitting Peace“ noch erleben will, hat noch bis Samstag, 9. September, dazu Gelegenheit (Vorstellungen um 20 Uhr). Am Sonntag, 10. September, geht es im Theaterzelt auf dem Burgplatz weiter mit der Berliner Band Jembaa Groove. Die „Silent Disco Walking Tours“, tänzerisch befreiende Spaziergänge mit Kopfhörern und dem Vorturner Guru Dudu, stehen bis zum 23. September auf dem Programm des Düsseldorf Festivals. Alle Termine und Tickets unter www.duesseldorf-festival.de