Hübsch hässlich: André Kaczmarczyk als „Richard III.“ im Schauspiel Düsseldorf
Ob Richard III. (1452-1485) so viel monströser war als andere königliche Tyrannen von England, darf bezweifelt werden. Aber 1593 hat der aufstrebende Dramatiker William Shakespeare den Ruf des historischen Herrschers lustvoll ruiniert. Er beschrieb ihn als die Bosheit schlechthin in abscheulicher Gestalt. Seither ist „Richard III.“ eine der begehrten Charakterrollen für große Schauspieler, Kinolegende Laurence Olivier und Germanys Top-Theaterstar Lars Eidinger gehörten dazu. Am Düsseldorfer Schauspielhaus zeigt jetzt André Kaczmarczyk seine furiose Verwandlungskunst unter der Regie von Evgeny Titov.
Nun mal ehrlich: Die endlosen Debatten des Original-Dramas und die Details aus den Schlachten der englischen Rosenkriege können ziemlich ermüdend sein. Titov und seine Dramaturgin Janine Ortiz haben beherzt auf Kompaktform gekürzt und die langweiligen Männer gleich ganz verschwinden lassen. Mit Ausnahme der zwei zarten Kinderprinzen, die der Horror-Onkel Richard im Tower ermorden lässt, sind Frauen die Kontrahentinnen des gewalttätigen Karrieristen. Und siegreich ist ein Mädchen ohne Text, die kleine Prinzessin von Yorck, im steifen weißen Gewand hergerichtet wie „Die Infantin“ auf dem berühmten Bild von Velazquez. Sie stößt einen Schrei des Entsetzens aus, als Richard sie zur Braut begehrt, und sie drückt den Knopf, der die Bildschirme der zeitlos altmodernen Kommandozentrale und seine Macht erlöschen lässt.
Schatten des Bösen
Im blutigen Hemdchen hockt er da, vergeblich bietet er sein „Königreich für ein Pferd“. Er ist erledigt. Kaczmarczik, inzwischen bundesweit prominent als queerer Kommissar im „Polizeiruf 110“, hat sich wieder mal verausgabt, um die Düsseldorfer Bühne zu rocken. Sein Richard hat weder Buckel noch Hinkefuß – niemand will heutzutage das Garstige mit einer Behinderung verbinden. Er zieht sich Schuhe mit goldenen Hufen an, erhebt sich sehr groß mit erhobenen Fersen. Wie ein Faun. Mit tänzerischer Anmut krümmt er den Körper, lässt die Hände zu Krallen werden und bedient sich lustvoll in der Trickkiste der Bösewichte. Sein Schatten erinnert an Murnaus „Nosferatu“ und sein Kopf an den schlangenhaften Magier Voldemort aus Harry Potter. Dafür hat er die dunklen Locken verschwinden lassen und einen Netzstrumpf über das Gesicht gezogen.
Das Hübsche ist hin. Aber ein guter Mime muss eben Mut zur Scheußlichkeit haben. Kaczmarczyk windet sich vor Spiegeln in einer Strumpfhose, die seinen Erregungsgrad offenbaren soll. Wäre nicht unbedingt nötig gewesen. Man versteht auch so, dass er sich selbst aufgeilt und an sich selbst verzweifelt, weil er, wie es in Thomas Braschs klarer Shakespeare-Übersetzung heißt, „den Liebhaber nicht spielen kann“. So hat er „beschlossen, hier den Dreckskerl aufzuführen“.
Die Rache der Frauen
Für den Thron mordet dieser Richard seine Brüder und Neffen. Zwischen grauen, betonhaften Wänden mehren sich die schwarzen Särge (Bühnenbild: Etienne Pluss). Die trauernden Frauen, zunächst eingeschüchtert und gelegentlich geschmeichelt von züngelnden Komplimenten, werden unversehens zu Rachegöttinnen, angeführt von einer grandiosen Manuela Alphons in der Rolle der Königinmutter, der Herzogin von York. „Er ist mein Sohn und damit meine Schande“, stellt sie fest, und aus den Schmerzen wächst der Zorn: „Du bist voll Blut, und blutig sei dein Schluss!“
Mit dunkel donnernder Stimme verflucht die Mutter den ungeliebten Richard – gefolgt von den anderen Frauen, die ihre Renaissance-Roben gegen schwarze Kutten getauscht haben (Kostüm: Esther Bialas). Die zarte Judith Rosmair bebt als Elisabeth, die Mutter der ermordeten Prinzen. Claudia Hübecker ragt empor als Lady Anne, die sich auf eine Heirat mit dem Fiesling eingelassen hatte. Friederike Wagner als furchtlose Queen Margret ähnelt mit kahler Stirn und hoher Perücke Elizabeth I., jener Königin, deren Gunst für Shakespeare in seiner Zeit so wichtig war. Denn das Spiel um Macht und Erfolg geht ja immer weiter.
Die nächsten Vorstellungen
Nach „Macbeth“ ist „Richard III.“ die zweite Produktion in einer Trilogie von Tyrannendramen, die der aus Kasachstan stammende und in Wien ausgebildete Regisseur Evgeny Titov für das Schauspielhaus Düsseldorf inszeniert. Nach der Premiere zur Eröffnung der Spielzeit sind die nächsten Vorstellungen am 7. und 10. September sowie am 1., 6., 14. und 16. Oktober. Informationen und Tickets: www.dhaus.de