Düsseldorf: Bauverbände NRW befürchten Auftragsrückgang im Baugewerbe
Die Baubranche war eine der wenigen, die in der Coronazeit fast ohne Einschränkungen weiterarbeiten konnte. Niedrige Zinsen und der steigende Bedarf an Wohnungen, Wirtschaftsbauten und Straßen bescherte der Branche volle Auftragsbücher. Doch die stark steigenden Energie- und Rohstoffpreise, steigende Zinsen und die zögerlichen Förderzusagen von Land und Bund lassen die Verantwortlichen in eine düstere Zukunft schauen. Der Hauptgeschäftsführer der Bauverbände NRW, Hermann Schulte-Hiltrop, und Vizepräsident Rüdiger Otto befürchten: “Bauen kann sich heute kaum noch jemand leisten“.
Rund 5000 Mitglieder sind in acht Verbänden in den Bauverbänden NRW organisiert. Sie alle haben aktuell noch gut zu tun, sehen aber mit Schrecken, dass neue Aufträge ausbleiben. Rund 80 Prozent der Aufträge umfassen den Wohnungs- und Wirtschaftsbau, zwanzig Prozent dem Straßenbau. Steigende Zinsen, explodierende Baukosten und unklare Förderprogramme sorgen bei den Auftraggebern für Verunsicherung und Zurückhaltung. Noch im Jahr 2020 waren die Preise für Erdölprodukte, Stahl, Holz oder Kunststoffe einigermaßen stabil. Danach setzte ein konstanter Anstieg ein, der im Sommer 2022 seinen Höchststand erreichte. Hinzu kommen die ständig steigenden Zinsen. Planten private Bauherren die Finanzierung noch mit einem Prozent Bauzins, sind diese allein in der Zeit, die die Baugenehmigung brauchte, auf drei bis vier Prozent gewachsen. Und auch die Baulandpreise sind in den vergangenen zehn Jahren in NRW um knapp 50 Prozent gestiegen.
Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) hat das Ziel von jährlich 400.000 neuen Wohnungen ausgerufen. Eine Zahl die weder in 2022 noch in 2023 erreicht werden wird. Die Bauverbände kritisieren, dass sowohl die Bundesregierung wie auch die NRW-Landesregierung die Notwendigkeit von neuen Wohnungen betonen, aber der Bauwirtschaft ständig neue Hindernisse aufbauen.
So wurde die Energiekennzahl (KFW) für Neubauten von 55 auf 40 gesenkt. Das bedeutet, dass ein Effizienzhaus nur 40 Prozent Primärenergie benötigt, verglichen mit einem Referenzgebäude. Dies wird durch zusätzliche Dämmung von Dach, Fassade und Geschossdecken erreicht, sowie Wärmepumpe statt Gasheizung und ggf. eine Photovoltaikanlage. Hermann Schulte-Hiltrop erklärt, dass allein dadurch für ein Einfamilienhaus rund 100.000 Euro zusätzlich fällig werden. Bauherren, die 2022 noch auf eine Förderung nach KFW 55 rechneten, gingen leer aus.
Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen plant 2024 eine steuerliche Abgabe auf Sand und Kies einzuführen. „Dadurch wird der Zugang zu Sand und Kies weiter verknappt“, warnt Otto. „Somit wird das Material noch deutlich teurer werden.“ Anstatt auf Nachhaltigkeit zu setzen und die Verwendung von Erdaushub und recycelten Baumaterialien zu erlauben, bremst die Bundesregierung auch hier. Erdaushub wird nicht analysiert und bei guten Ergebnissen gleich vor Ort wieder verwendet, sondern muss auf die Deponie gebracht werden. Dies bedeutet nicht nur zusätzliche Transporte, auch der preiswerte, recycelte Baustoff wird in der Verwendung erschwert, da die Klassifizierung „Abfall“ lautet.
Die hohen Baukosten haben mittlerweile direkte Auswirkungen auf die Bauwirtschaft. „Seit Juni 2022 beobachten wir vermehrt Auftragsrückgänge in diversen Bausparten, die sich ungebrochen im 1. Quartal 2023 fortgesetzt haben“, macht Präsident Otto klar. Im Wohnungsbau ist der Trend sogar schon seit April festzustellen. Immer mehr Wohnungsunternehmen und Wohnungsbaugenossenschaften haben sich bereits aus dem Neubaugeschäft zurückgezogen. Die Zahl der erteilten Baugenehmigungen ist im ersten Quartal 2023 um satte 43 Prozent eingebrochen. Tendenz weiter fallend.
„Trotz aller Krisen ducken sich unsere Unternehmen nicht weg, sondern bauen sogar noch Personal auf. Im letzten Jahr hat das Baugewerbe die Anzahl seiner Beschäftigten um vier Prozent gesteigert“, betont Otto. „Damit tragen unsere Unternehmen den wichtigen gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen Verantwortung. Denn nur ein stark aufgestelltes Baugewerbe kann den bestehenden Wohnraummangel beheben und die ambitionierten Klimaziele im Gebäudesektor auch praktisch umsetzen.“
Von der Schwarz-Grünen NRW-Landesregierung fordern die Bauverbände unter anderem eine Senkung der Grunderwerbssteuer, da diese mit 6,5 Prozent zu den höchsten in Deutschland gehöre. Außerdem müsse eine Förderung über den mietpreisgebundenen Wohnraum hinaus erfolgen. Zwar sind die Bauverbände sehr zufrieden mit der Aufstockung der öffentlichen Wohnraumförderung, die bis 2027 rund 9 Mrd. von Landesseite in den Wohnungsbau investiert. Allerdings lasse sich Wohnungsbau für mittlere Einkommen oder zum Eigentumserwerb mit dieser Förderung nicht realisieren. Hier müsse die Landesregierung nachbessern.