Düsseldorf Oberkassel: Wehmut im Souterrain – das Muggel-Kino macht zu
Okay, Business geht anders: Am Dienstagnachmittag saßen nur drei ältere Damen im „Souterrain“, um „Empire of Light“ zu sehen, Sam Mendes’ Liebeserklärung an das Kino des 20. Jahrhunderts. Aber neulich, zur Wiederaufführung von Godards „Verachtung“, war’s richtig voll da unten, und auch für die Kultsatire „Triangle of Sadness“ füllten sich die 40 Plätze. Reicht alles nicht mehr aus. Mit der üblichen Klage über Stromkosten, Personalkosten und Inflation wird das Oberkasseler Kellerkintopp unter dem Café Muggel zum 30. Juni geschlossen.
Kalle Somnitz, seit 1998 Chef der Düsseldorfer Filmkunstkinos, erweitert das Metropol in Oberbilk und schließt dafür das kleinste, unrentabelste unter seinen Lichtspielhäusern, das er selbst übrigens 1994 nach einer Schließung wiederbelebt hatte. Dezent verkündet Somnitz das Ende auf der Website sowie in der Programmzeitschrift Biograph, die übrigens auch noch so herrlich von gestern ist: „Souterrain ade!“ Das Kino an der Dominikaner Straße hätte nach der Pandemie erst 75 Prozent seiner Besucher wiedergewonnen, und die „Kostenseite“ sei „nicht mehr beherrschbar“.
Cineastische Geborgenheit
Da seufzen die älteren Damen, die ja sowieso die bürgerliche Kultur aufrechthalten, während das junge Volk aufs Handy starrt und zu Hause Serien streamt. Wieder ein Stück Lebensqualität perdu. Nie mehr gucken, was im Souterrain läuft, nie mehr die Wendeltreppe nach unten gehen, wo die Unwissenden fälschlich das Klo vermuten, und durch die Schiebetür eintreten in die cineastische Geborgenheit unter dem großen Oberkasseler Party-Gebrabbel. Zierliche Stühle, ein paar runde Tischchen, Filmplakate an den Seiten, vorne unter der Leinwand hockt ein Teddybär. Man löst ein Abreißticket, zwei Euro billiger mit dem Gildepass, und macht es sich gemütlich mit einem Glas Bier oder Wein oder Bio-Limonade und Knabbereien, die liebevoll in Holzschalen geschüttet werden, damit es nicht so knistert.
Die kleine Theke wurde früher besonders in der Pause genutzt, während der Vorführer bedächtig die Rollen wechselte. Leider nicht mehr nötig seit der Digitalisierung der Projektion. Aber die kneipenhafte Gemütlichkeit blieb, auch wenn es mucksmäuschenstill ist, während der Film läuft. Denn die Souterrain-Besucher meinen es ernst mit der Kultur. Nicht wenige erinnern sich noch an die Zeit, als das Muggel noch eine alternative Kneipe war, Mitte der 1970er-Jahre, und der damalige Wirt Helmut Kettler in seinem Keller ein „Kleinkunstforum“ einrichtete, um das noch recht geruhsame Oberkassel ein bisschen aufzufrischen.
Mehr Platz fürs Muggel
Außer Filmvorführungen („Don Camillo“ oder „Flucht in Ketten“) gab’s zunächst auch Jazz und Pantomime im Souterrain. Erst später wurde ein reines Kino daraus. Damit ist es jetzt aus. Alex Esposito, Muggel-Wirt seit 1998, übernimmt die Räumlichkeiten mit Begeisterung, denn sein 364 Tage im Jahr geöffnetes Café, das auch ein Restaurant ist, eine Bar und ein Treffpunkt für tout Düsseldorf und staunende Gästescharen, platzt aus allen Nähten.
Mehr Raum wird dringend benötigt. „Ich war schon immer scharf darauf“, gesteht Alex. Aber er betont, dass er Somnitz niemals aus dem Souterrain vertrieben hätte. Und er möchte keineswegs, wie viele befürchten, nur Büro und Lager dort unten einrichten, sondern einen im Muggel-Stil renovierten Gästeraum für Gesellschaften. Auch ein loses Kulturprogramm könnte er sich vorstellen, Jazz zum Beispiel. Womit wir wieder bei den Anfängen wären…