Mack und die Jungen: Galerien an der Heine-Allee Düsseldorf
Vernissage an der Heine-Allee. Frühsommerlich gehobene Düsseldorfer Stimmung. Perlende Getränke. Ausschau nach Bekannten. Plauderei hier, Küsschen da. Ach ja – und da wäre noch die Kunst. Durchs Gedränge leuchten neue Aquarelle, die Altmeister Heinz Mack bei Geuer & Geuer verkauft: „Malerei im Licht“. Ein paar Häuser weiter, in der ehemaligen Galerie Maier, wo sich einst Beuys und Warhol begegneten, präsentieren Bärbel und Matthias Kellermann währenddessen den zweiten Teil ihrer ambitionierten, kunsthallenreifen „Academy Selection“. Es geht um „Shifts in Nature“, Veränderungen in der Natur.
Ansprachen gibt’s bei Dirk Geuer nicht. Würde im Stimmengewirr nur stören. Aber, haben Sie’s gehört? Der Künstler persönlich soll erscheinen. Und tatsächlich: Auftritt Heinz Mack, 92, Charakterkopf. Die Handys schnellen in die Höhe, vielleicht ergattert man sogar ein Selfie an der Seite des weltberühmten Malers und Bildhauers, der Ende der 1950er-Jahre in Düsseldorf mit seinem Kollegen Otto Piene (1928-2014) die Zero-Bewegung erfand. Nach all den Katastrophen in der Wirklichkeit und dem Pathos in der Kunst wollten die jungen Männer neu beginnen – mit Licht und Losgelöstheit: „Zero ist die Stille. Zero ist der Anfang.“
Himmelwärts strebend
Die Gruppe, zu der auch Günther Uecker gestoßen war, löste sich nach ein paar Jahren auf. Blieb aber eine Legende. Und Mack feiert das Schwebende bis heute, braucht keinen Gegenstand. Himmelwärts streben seine leuchtenden Farben, die er mit leichter Hand über- und nebeneinander setzt. Auch das dunkle Raster einiger schwarz-weißer Zeichnungen spielt mit dem durchscheinenden Licht. Die vorwiegend kleinformatigen Blätter sind zwar nur eine Ahnung von Macks großen Ideen und flirrenden Aktionen, die 2021 im Kunstpalast gewürdigt wurden, aber sie können, fünfstellig dotiert, die gehobene häusliche Sammlung mit abgesegneter Moderne bereichern.
Bei Kellermanns nebenan hingegen geht es derzeit um das Neue, Unbekannte. Statt mit dem Marktwert wird hier mit der Entdeckungsfreude spekuliert. Auf der Suche nach Talenten hat das Galeristenpaar die Rundgänge und Jahresausstellungen der Kunsthochschulen in ganz Deutschland besucht und 53 junge Positionen aus 13 Akademien für die diesjährige „Academy Selection“ ausgesucht. Nach einem ersten Teil, der vom Menschen handelte („Human Society“), ist das übergeordnete Thema nun die Natur – geliebt, gefährdet, geschändet.
Der Duft des Waldes
Wie ein Zeichen hängt hinter der Glasfassade eine Fichte, entwurzelt, mit der Spitze nach unten im Raum. Sie hat keine Chance, wird mit rieselnden Nadeln allmählich vertrocknen. Und verbreitet dabei ihren wunderbaren Duft nach Weihnachten. Man möchte diesen Baum am liebsten umarmen, bewahren. Geht aber nicht, ein kleines Weh entsteht. Die Kielerin Melina Bigale (31) hat mit diesem konzeptuellen Objekt der Vergänglichkeit von Mensch und Natur ein emotionales Denkmal gesetzt. Dahinter an der Wand zeigt die westfälische Malerin Maria Antonia Köster, Absolventin der Hochschule Essen, freie Farbstrukturen, die an dichte Gewächse erinnern – irgendwo zwischen Gras und Birkenhain.
In den Wald zieht es auch die Koreanerin Jina Shin, die seit 2018 an der Stuttgarter Akademie studiert. Mit Naturlatex formt sie Rinden ab und macht daraus Kleidungsstücke. „Die Haut der Bäume wird zur zweiten Haut des Menschen – oder ist sie das nicht längst?“ Fragt der Katalog. Zur Vernissage trägt die hochgewachsene blonde Karin ein solches Objekt wie eine Robe. Sieht ganz selbstverständlich aus, als könnte sich die Dame gleich einer Nymphe aus antiken Sagen jederzeit in ein Stück Natur verwandeln.
Asche und Träume
Bei Jina Shins Landsmann Jinseok Lee, der in Düsseldorf studiert, scheint es schon aus zu sein mit der Landschaft. Sein Gemälde „Hidden in plain light“ versteckt seine Botschaft hinter Asche und Stroh, womit er, wie der große Kollege Anselm Kiefer, seine Farben mischt. Mit einer überdimensionalen Maispflanze aus lackiertem Stahlblech kritisiert der Münchner Student Georg Weyerer das durch Biotechnologie forcierte „Wachstum“. Miles Sjoegren, Flensburger von der Dresdner Akademie, hat der Naturdarstellung subtil den Garaus gemacht. Das dunkel gekräuselte Wasser auf seinem vermeintlichen Seestück „Sightline“ ist eine trickreich modellierte und fotografierte Folie.
Doch es gibt auch Beschwörungen einer besseren Welt. Der romantische Wasserfall auf einem Video-Objekt der Chinesin Dingliu Yang (die 2022 als Meisterschülerin von Rita McBride ihr Studium in Düsseldorf abschloss) ist aus verschiedenen Aufnahmen künstlich zusammengesetzt und „wuyou“, was so viel bedeutet wie „nicht existent“. Träumen darf man ja mal. Dabei helfen auch einige große schöne Malereien wie die feurig fliegenden Elemente auf Solveig Schapers Diptychon „Firing“, die wolkenleichte Figur auf der Komposition „Feeling Easy“ von Hyeonjin Park oder das pure Licht, das in einer transparenten Abstraktion von Max Welz aufscheint. Womit wir fast schon wieder bei Mack wären …
Was, wann und wo?
Die Galerie Geuer & Geuer an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Allee 19 präsentiert bis zum 24. September „Heinz Mack – Das Licht in mir“. Geöffnet Di.-Fr. 11 bis 18 Uhr (www.geuer-geuer-art.de). Nicht weit entfernt an der Heine-Allee 12 zeigt die Galerie Kellermann bis zum 8. Juli den zweiten Teil ihrer „Academy Selection“ mit dem Thema „Shifts in Nature“. Die Besucher können für die Verleihung eines mit 5000 Euro dotierten Förderpreises ihre Favoriten bestimmen. Geöffnet Di.-Fr. 11 bis 13 und 15 bis 18.30 Uhr, Sa. 10.30 bis 16 Uhr. www.galerie-kellermann.de