Düsseldorf: Rheinbahn stellt weiterhin Strafanzeige bei Beförderungserschleichung
Derzeit ist es eine Straftat nach Paragraph 265 a des Strafgesetzbuches, wenn man sich eine Beförderungsleistung erschleicht, das heißt ohne gültiges Ticket Bus oder Bahn nutzt. Wird man drei Mal erwischt, stellt die Rheinbahn Strafantrag und eine Gefängnisstrafe droht. So ging es Gisa M., deren Fall bundesweit für Diskussionen sorgte.
Die Unverhältnismäßigkeit des Vergehens zu der Bestrafung führte auch im Rat der Stadt Düsseldorf zu einer Debatte. Das mündete im November 2022 in einem Ratsbeschluss, nach einem interfraktionellen Antrag der Grünen, SPD, FDP, Linke und die Partei-Klima. Darin wurden die Vertreter*innen der Stadt im Aufsichtsrat der Rheinbahn AG aufgefordert, sich gegenüber der Geschäftsführung dafür einzusetzen, dass die Rheinbahn auf Strafanzeigen wegen Fahrens ohne gültigen Fahrschein verzichtet. Davon unbenommen sei die Möglichkeit, das erhöhte Beförderungsentgelt zivilrechtlich einzutreiben.
Auf Nachfrage der Fraktion Die Linke erklärte Kämmerin Dorothee Schneider bei der Ratssitzung am 15. Mai, man habe die Rheinbahn über den Ratsbeschluss informiert. Ihr wurde mitgeteilt, dass der Punkt auf der Sitzung des Aufsichtsrates im Dezember besprochen werden sollte. Allerdings informierte sie auch, dass die Rheinbahn seit Oktober 2022 230 Strafanträge wegen Beförderungserschleichung gestellt habe.
Die Menge der Strafanträge ließ Ddorf-aktuell bei der Rheinbahn nachfragen, da offenbar der Ratsbeschluss keine Konsequenzen auf das Vorgehen gehabt hat. Als Antwort verwies man auf die Zuständigkeit des Rheinbahn-Vorstands, über das Stellen von Strafanzeigen zu entscheiden. Dort sieht man keinen Grund zur Änderung, da man sich an geltendes Gesetz halte.
Kommentar: Vorgehen mit Augenmaß wäre sympathisch
Die Regelung der Beförderungserschleichung im Strafgesetzbuch stammt aus dem Jahr 1935 und ist nach Meinung vieler nicht mehr zeitgemäß. Warum soll es eine Straftat sein, wenn man Ärger mit der Rheinbahn hat, aber lediglich eine Ordnungswidrigkeit, wenn man mit dem Auto in der Stadt falsch parkt? In NRW kommen pro Jahr rund 100.000 Menschen ins Gefängnis, davon seien rund die Hälfte Ersatzfreiheitsstrafen, berichtet der ehemalige Gefängnisseelsorger Pater Wolfgang Sieffert. Das seien Fälle, in denen die Richter eine Geldstrafe verhangen haben, die Verurteilten diese aber nicht bezahlen konnten und stattdessen in Haft gehen. Viele davon sind Fälle von sogenannter „Beförderungserschleichung“. Im Durchschnitt kostet ein Hafttag 150 Euro pro Gefangenen. Pater Wolfgang ist keineswegs dafür, das Fahren ohne Ticket nicht zu bestrafen. Aber im Sinne der Verhältnismäßigkeit würde es reichen, dies als Ordnungswidrigkeit zu ahnden, wie es auch bei Verkehrsdelikten gemacht wird. Dies erfolgt derzeit parallel, denn es wird ein Zahlungsbescheid mit Mahnstufen durch die Rheinbahn versendet, der dann an ein Inkassounternehmen weitergegeben wird, wenn der Betroffene nicht zahlt. Damit verbunden ist auch ein negativer Eintrag in die Schufa.
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Zanda Martens berichtet, dass der Bundesjustizminister einen Gesetzentwurf vorbereitet, den Paragraph 265 a des Strafgesetzbuches zu ändern. Darin gibt es außerdem keine Festlegungen über das Strafmaß bei Beförderungserschleichung. Es ist Ermessenssache der Richter, was dazu führt, dass die Strafen sehr unterschiedlich ausfallen.
Der Rheinbahnvorstand könnte mit einer Änderung ihres Vorgehens dazu beitragen, dass die nicht zeitgemäße Bestrafung geändert wird. Er könnten eine Vorreiterrolle übernehmen und stattdessen zivilrechtlich ahnden. Dazu sehen die Verantwortlichen aber keine Veranlassung. Sie betonen ihr soziales Engagement beispielsweise durch Straßenbahnen im Design für Brauchttum, Solidarität mit der Urkaine, Nachhaltigkeit und “Respekt und Mut”, aber dieses hört offenbar bei bedürftigen Menschen, die aus Armut ohne Fahrschein fahren, auf.