Kleiner Spaß mit Dostojewski am Schauspiel Düsseldorf
Hand aufs Herz: Dostojewski lesen ist anstrengend. 800 Seiten „Schuld und Sühne“ vergilben gerne unberührt im Bücherregal, neben anderen Schwergewichten der Weltliteratur. Das Theaterpaar Barbara Bürk und Clemens Sienknecht hat Erbarmen und erfrischt das Publikum mit kleinen, schrulligen Klassikershows, die in zwei Stunden erledigt sind. Nach Goethes „Faust“ in Hannover und Tolstois „Anna Karenina“ in Hamburg inszeniert das Duo nun am Düsseldorfer Schauspielhaus seine Version von „Schuld und Sühne – allerdings mit anderem Text und auch anderer Melodie“. Das Publikum hat seinen Spaß.
Eine tiefere Beschäftigung mit der 1865 entstandenen Erzählung um den verkrachten Jurastudenten, Raubmörder und Moralphilosophen Raskolnikow ist in diesem Format nicht zu befürchten. Die Handlung wird etwa so straff zusammengefasst wie in Michael „Sommers Weltliteratur to go“ mit Playmobilmännchen (auf YouTube, auch sehr lustig). Bürk und Sienknecht, beide Ende 50, haben ihr eigenes Konzept: die Radioshow. Sie verwandeln das Kleine Haus in ein altmodisches Kellerstudio: Sperrmüllsofa, Palmentapete, Bar und Klavier. Es gibt Schnurtelefone, Plattenspieler, herrlich grausige Brillen und Perücken aus der Mottenkiste der 70er-Jahre. Bühnen- und Kostümbildnerin Anke Grot hat ganze Arbeit geleistet.
„Nur die Knüller“
Sienknecht erscheint selbst als musikalisches Allround-Talent, spielt Gitarre, Klavier und wechselnde Rollen. Mit fünf Kollegen und einer Frau, der zierlichen, stimmstarken und überaus flexiblen Nadine Schwitter, präsentiert er „Radio Raskolnikow – nur die Knüller, keine Füller“. Da gibt’s Hits mit DJ Muckel (oder so), Blitzer-Check und Brüllwitze („Die Stradivari unter den Arschgeigen“), Wunschkonzert für Omi mit hängender und leiernder Plattennadel, live nachgemacht, dazu regelmäßig Reklame („Wäsche waschen wunderbar und weich“) und vor allem: „Non-Stop-Crime“ und den „Dauerbrenner Schuld und Sühne“.
Und weil dieses Radio im Theater zu sehen ist, zeigt die Truppe auch mal ein Tänzchen und wuppt den „Raskolni-Pop“ mit „wisch, wisch, kick“. Zum Piepen. Und tatsächlich wird auch der Dostojewski erzählt, als Krimi. Zwischen Originalzitaten überspringt man beherzt die langatmigen Beschreibungen und konzentriert sich auf die Action. In einer Art Kasperletheater, einem Kasten mit Vorhang, schwingt der abgebrannte Raskolnikow die Gummi-Axt und meuchelt die geizige Pfandleiherin (von Sienknecht selbst gemimt) sowie deren zufällig erscheinende Schwester.
Schuld und Gelächter
Der junge Moritz Klaus, der soeben sein Schauspielstudium beendet und schon eine Filmkarriere begonnen hat („Im Westen nichts Neues“), zeigt vollen Bühneneinsatz als reue- und angstvoller Mörder. Fassungslos starrt er auf seine blutbefleckten Hände. Fast könnte man in ernsthafte Stimmung geraten, doch dann wird der nächste Werbejingle geflötet, und alles löst sich im Gelächter. Thiemo Schwarz spielt mit großem Vergnügen nicht nur den DJ, Ansager und Sänger, sondern auch den unglücklichen Säufer Marmeladow sowie den perfiden Untersuchungsrichter Petrowitsch, der den Sünder mit Psychotricks zum Geständnis treibt.
Während sich Nadine Schwitter als Witwe, Schwester und Liebchen Sonja bewährt, trägt Raphael Rubino trägt mal den Rautenpulli als Raskolnikows braver Freund Rasumichin und mal den weißen Anzug als schurkischer Swidrigailow. Das klingt verwirrend, ist aber in der Show ganz klar. Kleine Rollen übernimmt ein dezenter älterer Herr namens Berthold Klein, und Friedrich Paravicini spielt dazu Cello, Orgel, Bass. Dostojewski light und locker. Herzlicher Applaus.
Die nächsten Vorstellungen
„Schuld und Sühne – allerdings mit anderem Text und auch anderer Melodie“, geschrieben und inszeniert von Barbara Bürk und Clemens Sienknecht nach dem Roman von Fjodor M. Dostojewski, wurde im Kleinen Haus des Düsseldorfer Schauspielhauses am Gründgens-Platz uraufgeführt. Weitere Vorstellungen sind am 15., 20., 22. und 29. Mai sowie am 14. Juni. Die Vorstellung dauert knapp zwei Stunden, ohne Pause. www.dhaus.de