Düsseldorf: Podiumsdiskussion über die neuen Herausforderungen des Antisemitismus
Im Rahmen des zweiten Paul-Gerlach-Forums der AWO Düsseldorf am Dienstag (9.5.) in der Mahn- und Gedenkstätte wurde zum Thema „Antisemitismus heute – neue Herausforderungen“ diskutiert. Moderiert von Katharina Knoll, nahmen auf dem Podium Dr. Bastian Fleermann (Leiter der Mahn- und Gedenkstätte), Dr. Joachim Schröder (HSD-Präsidiumsbeauftragter für den Erinnerungsort Alter Schlachthof), Sophie Brüss (fachliche Leiterin Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit Beratung bei Rassismus und Antisemitismus -SABRA ), Jörg Rensmann (Leiter Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus NRW -RIAS NRW) und Bürgermeisterin Klaudia Zepuntke, Platz.
Bei der Begrüßung durch AWO-Kreisgeschäftsführerin Marion Warden und dem Verwaltungsdirektor der Jüdischen Gemeinde, Bert Römgens, wurde an den Namensgeber des Forums, Paul Gerlach, erinnert. Er war Mitbegründer der AWO Düsseldorf und starb als Opfer des Nationalsozialismus.
Römgens erklärte, dass der 9. Mai ein Festtag für die Juden sei, die dann Lag Baomer feiern. Es sei für die jüdische Gemeinschaft wichtig ihre Traditionen zu leben, obwohl der Antisemitismus ein täglicher Begleiter sei. Der Judenhass sei mittlerweile salonfähig, was auch daran erkennbar sei, dass Israel-Hasser wie Roger Waters in Deutschland auftreten dürften, führte Römgens aus. Waters rufe nicht nur zum Boykott Israels auf, er stelle sich auch auf die Seite Putins.
Eine der zentralen Aussagen der Diskussionsrunde war, dass Antisemitismus in allen Milieus vorkommt und nicht daran gebunden ist, ob Kontakt zu jüdischen Menschen besteht. Dr. Bastian Fleermann, Leiter der Mahn- und Gedenkstätte, erklärte: „Antisemitismus braucht keinen Impuls, er ist wie ein eigener Dottersack, der sich aus sich selbst nährt“.
Auch wenn die jüdische Gemeinde mit Einrichtungen wie SABRA und RIAS kooperiert, betont Fleermann: „Der Kampf gegen Antisemitismus ist kein Problem der jüdischen Gemeinde, er ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“. Dabei sei Antisemitismus keine Reaktion auf ein Verhalten jüdischer Menschen, Antisemiten bräuchten Juden für ihre Feindschaft nicht.
Jörg Rensmann berichtete, dass es bei RIAS NRW ein Meldeportal für antisemitische Vorfälle gebe. So ist es auch bei SABRA. Anfang Juni 2023 wird der erste RIAS NRW Jahresbericht veröffentlicht und dieser bestätige den Bundestrend, der täglich sieben Vorfälle benennt. Dabei könne man davon ausgehen, dass die Zahl der nicht gemeldeten Vorfälle sehr hoch ist.
Die internationalen Allianz zum Holocaustgedenken (IHRA) definiert: „Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Jüdinnen und Juden, die sich als Hass gegenüber Jüdinnen und Juden ausdrücken kann“. SABRA und RIAS engagieren sich in Präventionsarbeit, aber auch bei der Sensibilisierung von Polizei und Justiz. Denn die Wahrnehmung von Antisemitismus sei sehr unterschiedlich ausgeprägt. Ein Plakat der rechtsextremen Partei „Die Rechte“ bei der Europawahl trug den Text „Israel ist unser Unglück“ in Anlehnung an die NS-Parole „Juden sind unser Unglück“. Nach Anzeige wurde dies von den Richtern als von der Meinungsfreiheit gedeckt beurteilt – ein Schock, nicht nur für die jüdische Gemeinschaft.
Bürgermeisterin Klaudia Zepuntke ist sehr für das Thema sensibilisiert und betroffen, wenn sie besonders von älteren Menschen hört „jetzt muss es aber auch mal gut sein“. Viele Senioren empfänden es als Last sich mit Antisemitismus zu beschäftigen. Zepuntke freut sich, dass der Katalog an Maßnahmen immer weiter wächst. „Ich werde alles in meiner macht stehende tun, um mich gegen Antisemitismus einzusetzen“, betonte sie.
Einen neuen Weg beschreitet auch Dr. Joachim Schröder, der mit seinem Team der Hochschule Düsseldorf im Erinnerungsort Alter Schlachthof, versucht durch das Aufzeigen von einzelnen Schicksalen Präventionsarbeit zu leisten. Schröder ist es wichtig, dass der Blick von der großen Gruppe auf die Individuen gelenkt wirkt. Zielorientierte Bildungsarbeit sei wichtig, die müsse bereits im Kindergarten beginnen, um Vorurteilen gegenüber Menschengruppen zu begegnen.
Sophie Brüss von SABRA bestätigt, dass Prävention auf die Zielgruppen abgestimmt sein müsse. Gerade haben sie mit dem mobilen Live-Escape-Room “Fixing the Boat – Finding Identity” ein ganz neues Projekt gestartet. Sie appellierte aber auch an alle Bürger*innen Zivilcourage zu zeigen, wenn sie antisemitische Vorfälle beobachteten. Dabei solle man sich nicht selber in Gefahr bringen, aber Intervention fange nicht erst bei der Polizei an.