Düsseldorf: 1000 gehen am 1. Mai für gerechte Löhne und eine soziale Energiewende auf die Straße
In Düsseldorf sind die Gewerkschaften Frauensache. Ob IG Metall, IG BCE – Bergbau, Chemie, Energie, die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di oder der DGB-Ortsverband Düsseldorf Bergisch-Land: Das große, straßenbreite Transparent mit dem diesjährigen 1. Mai-Motto „Ungebrochen solidarisch“ wird von Kämpferinnen durch die Stadt getragen. Gut 1000 Menschen haben sich am Montag (1.5.) bei der Mai-Demo auf den Weg gemacht, um eines ganz laut kund zu tun: Ohne Arbeitnehmer*Innen geht gar nichts.
Zwischen Anspruch und Realität
Wer gute Arbeit will, muss gute Löhne zahlen. Eine Selbstverständlichkeit, eigentlich. Wer es nicht macht, findet keine Mitarbeitenden mehr – wie beispielsweise das Gastgewerbe erfahren muss. Deshalb bleiben viele Betriebe an manchen Tagen geschlossen – notgedrungen. Frauen bekommen immer noch weniger Geld als Männer für die gleiche Arbeit. Das bekommt auch Oberbürgermeister Stephan Keller zu hören, der ein Grußwort spricht. Er steht aber auch für einen großen Arbeitgeber, die Stadtverwaltung Düsseldorf, und muss die Stadt zukunftsfest machen. Da sei noch viel zu tun, hört Keller.
Flucht aus der Tarifbindung
Nicht alle in der Wirtschaft sind der Meinung, dass das nur gemeinsam geht. Zahlreiche Unternehmen steigen aus der Tarifbindung aus, um weniger zahlen zu müssen und Geld zu sparen. Deshalb stellen die Gewerkschaften existenzsichernde Löhne, gute Arbeit und eine soziale Klima- und Energiewende in den Mittelpunkt.
Letztere ist in Düsseldorf nicht bloß Theorie, woran Sigrid Wolf, die Düsseldorfer DGB-Vorsitzende, bei der Kundgebung auf dem Johannes-Rau-Platz erinnert. In Düsseldorf Rath macht Vallourec das Werk dicht. Gemeinsam mit dem Betrieb in Mühlheim/Ruhr springen 2400 Arbeitsplätze über die Klinge des Profits. Mehr noch: Eine mehr als hundertjährige Düsseldorfer Tradition läuft damit aus: die Herstellung von nahtlosen Röhren. Sigrid Wolff schüttelt in ihrer Rede den Kopf: „Eigentlich bräuchten wir diese Röhren gerade jetzt – für die Energiewende.“
Fairer Wandel
Und weiter: „Um die Klimawende zum Erfolg zu führen und den Ausbau erneuerbarer Energien rasch voranzubringen, sind gewaltige öffentliche Investitionen erforderlich. Wenn Unternehmen davon profitieren wollen, müssen sie sich aus Sicht der Gewerkschaften auf die Sicherung von Beschäftigung verpflichten. Deutschland muss ein Paradebeispiel für eine nachhaltige, soziale und gerechte Transformation werden. Das bezieht mit ein, konsequent in die Qualifizierung und Weiterbildung der Beschäftigten zu investieren. Gute, existenzsichernde Löhne und faire Arbeitsbedingungen gibt es nur mit Tarifverträgen. Sie sind der Schlüssel für einen fairen Wandel und bieten den besten Schutz vor Krisen. Deshalb fordert der DGB von der Bundesregierung einen Aktionsplan zur Steigerung der Tarifbindung auf mindestens 80 Prozent. Statt über die Köpfe der Beschäftigten hinweg muss auch am Arbeitsplatz mit ihnen gemeinsam entschieden werden.‘‘
ver.di stärkt die Eisenbahner
Wirtschaftlich steht in diesen Zeiten schnell wechselnder Krisen – Corona, Ukraine, Energiemangel, Preissteigerungen – so einiges auf dem Kopf. Das macht die Mai-Rednerin Gabriele Schmidt deutlich. Sie ist die ver.di-Landesbezirksleiterin in Nordrhein-Westfalen. Und hat gerade mit ihren Kolleg*innen durchgesetzt, was aus Sicht der Gewerkschaften Not tut: Ordentliche Gehaltssteigerungen als Ausgleich gegen die extreme Inflation und die steigenden Energiekosten. Ihr Gruß geht auf dem Johannes-Rau-Platz an den blau-weißen Stand rechts von der Hauptbühne. Dort hat die Eisenbahnergewerkschaft EVG aufgebaut – und die befindet sich noch mitten in den Tarifverhandlungen.
Reiche sollen Vermögensabgabe zahlen
Schmidt fordert in Düsseldorf eine Vermögens-Abgabe der Reichen, um all die Lasten der öffentlichen Hand finanzieren zu können. „Die Älteren unter uns kennen den Satz: Stärkere Schultern können und müssen mehr tragen als schwächere.“ Aus Arbeitnehmersicht ist die „porschefahrende FDP“ in der Berliner Ampel der „Problembär“. In einer Demokratie lassen sich solche Webfehler bei der nächsten Wahl korrigieren. In der Ukraine und in Russland hingegen geht es um Leben und Tod. Kritiker werden in Russland hart abgestraft. Auch daran erinnern Wolff und Schmidt in ihren Reden.
Familienfest und Diskussionen
Dann geht es mit einem Sketch der Gewerkschaftsjugend auf der Bühne weiter, die darauf hinweist, dass die Arbeitgeber rund 40.000 Ausbildungsplätze gestrichen haben, obwohl sie zugleich über den Fachkräftemangel lamentieren. Während das Podium auf der Bühne Gewerkschaftsthemen diskutiert, gibt es auch an vielen der 60 Ständen Gespräche und der Duft von Leckereien vom Grill macht sich breit. Ein friedliches Familienfest und immer wieder bleiben Menschen stehen, die Bekannte und Freunde treffen.
Aber es gab auch den Rahmen, um Ärger Luft zu machen. So zog eine Abordnung von Aktivisten der Initiativen Fridays for Future, Ende Gelände, Alle Dörfer bleiben, Extinction Rebellion, Kirche im Dorf lassen, Letzte Generation und Interventionistische Linke in Mönchskutten vor den Stand von Bündnis 90/Die Grünen. Sie hatten im Januar das Grüne-Parteibüro auf der Oststraße besetzt und forderten ein Moratorium für die Räumung des Dorfes Lützerath am Rande des Braunkohletagebaus. In den frühen Morgenstunden ließen die Grünen am 12. Januar die Besetzung von der Polizei beenden und stellten Strafantrag gegen die Aktivisten. Bei der Aktion am Montag forderten die Aktivisten diese Anzeigen zurückzunehmen.
An diesem 1. Mai saßen die Menschen noch lange beieinander. Nach den Jahren im Lockdown war das mehr als überfällig.
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