Kunstpreis der Düsseldorfer Jonges für Andreas Gursky

Kann schon sein, dass die nationalen Feuilletons die Nase rümpfen: Andreas Gursky (68), den man durchaus als einen der berühmtesten Fotografen der Welt bezeichnen kann, hoch geehrt, sehr hoch gehandelt, nimmt den mit 3000 Euro dotierten Kunstpreis der Düsseldorfer Jonges an? Lässt sich feiern von den Heimatfreunden? Wie ’ne leewe Jong? Bei der Verleihung im Henkel-Saal hat man es verstanden. Gursky liebt die Stadt, hat hier studiert, gelebt, reüssiert – und erfolgreich um die Einrichtung des Deutschen Fotoinstituts gekämpft.
Und genau dafür, sein großes Herzensprojekt, will der Künstler und emeritierte Akademie-Professor bei den einflussreichen Herren des Vereins tüchtig Reklame machen. Die Entscheidung für Düsseldorf ist nach jahrelangem Gerangel mit Essen zwar gefallen, aber Andreas Gursky wünscht sich hier am Rhein mehr gesellschaftliche Begeisterung für das Fotoinstitut. Vielleicht muss besser kommuniziert werden: „Wir haben uns unter Wert verkauft.“ Jetzt gibt es ein Büro und einen internationalen Architekturwettbewerb.
Alles ist offen
Wie das neue Kulturinstitut, das die Grünen-Bürgermeisterin Clara Gerlach in ihrem Grußwort als „Hauptgewinn“ für Düsseldorf bezeichnete, am Ende aussehen wird, ist, wie Gursky betont, überhaupt noch nicht entschieden. Für den umstrittenen protzigen Entwurf am Ehrenhof, der bereits veröffentlicht wurde, hat der Künstler nur Spott übrig: „.. als hätte Roman Abramowitsch seine Luxusyacht am Hofgarten geparkt.“ Im Wettbewerb könnten sich ganz andere Perspektiven ergeben, Gebäudeteile könnten sogar diskret unter der Erde verschwinden: „Alles ist offen.“

Am Vorstandstisch der Düsseldorfer Jonges: Andreas Gursky (vornüber gebeugt) im Gespräch. Foto: bikö
Herzlich bedankte sich Gursky für den Preis: „Es hat mich sehr gefreut!“ Der Henkel-Saal, in vielen bierseligen Feierlichkeiten verschlissen, liegt für Gursky gewissermaßen in einem magischen Territorium. Denn um die Ecke, an der Ratinger Straße, begann, wie er erzählt, „die Sozialisation meiner Jugend“. Bis in die Teenagerjahre verbrachte der 1955 in Leipzig geborene und in Düsseldorf aufgewachsene Sohn eines Werbefotografen seine Freizeit im bürgerlichen Milieu des Gerresheimer Tennisclubs DSC 99. In den frühen 1970er-Jahren entdeckte er die Freuden der Altstadt, und: „Der Ratinger Hof wurde mein Wohnzimmer.“
Zu Hause in der Altstadt
Von hier aus fuhr er als Student jahrelang Taxi. Hier entdeckte er das künstlerische Milieu der Düsseldorfer Akademie, wo er, nach einigen Semestern Visueller Kommunikation in Essen, in die legendäre Klasse von Bernd & Hilla Becher eintrat. 1985 war er deren Meisterschüler – und heute ist er das vielleicht prominenteste Vertreter der von den Bechers initiierten „Düsseldorfer Photoschule“. Dabei arbeitet Gursky so ganz anders als seine Lehrer, die mit äußerster Strenge und in Schwarz-Weiß ihre Serien von Industriebauten aufnahmen.

Kunsthallen-Direktor Gregor Jansen hält die Laudatio und lässt einige Werke projizieren, hier: die Supermarktszene „99 Cent“. Foto: bikö
Gursky schafft, wie sein Laudator, Kunsthallenchef Gregor Jansen, formulierte, „monumentale Wimmelbilder“, auf denen das Reale „zum letzten Mysterium“ wird. Er findet seine Motive wie jeder Fotograf in der Wirklichkeit, arbeitet in Landschaften, Städten, öffentlichen Räumen. Aber er verwandelt die Dinge, greift ein, „ordnend und ästhetisierend“ (Jansen). Niemand weiß, aus wie vielen Einzelbildern das fertige Werk entsteht, auf dem alle Details gestochen scharf zu sehen sind, wie eine, so Jansen, „verdichtete Realität“, aus der Distanz betrachtet.
Rhein ohne Romantik
Projizierte Abbildungen gaben den versammelten Jonges einen Eindruck der Gursky-Motive – vom gespenstischen Warenangebot im 99-Cent-Supermarkt (ein Original-Abzug wurde 2007 für 3,3 Millionen Dollar verkauft) bis zum „Rhein II“, der ohne eine Spur von Romantik als stählernes Band zwischen Streifen aus Wiese, Asphalt und Himmel fließt, fast abstrakt. 4,3 Millionen Dollar hat Christie’s bei einer Auktion 2011 dafür erzielt – Rekordpreis für eine Fotografie.

Maskierter Fan vor Gurskys „Montparnasse“: Während der Pandemie 2021 präsentierte das Duisburger Museum Küppersmühle die letzte große Gursky-Ausstellung. Foto: bikö
Umso rührender, dass sich Andreas Gursky, Million-Dollar-Darling der internationalen Society, gefeiert vom New Yorker MoMA und dem Pariser Centre Pompidou, sich so wohl fühlt im Kreis der Düsseldorfer Jonges. Baas Wolfgang Rolshoven übergab dem Künstler stolz die Preis-Urkunde und hatte beeindruckende Blumen für Gurskys Frau Annika organisiert. Zum Schluss sangen alle zufrieden das Jonges-Lied: „Nirgends op die schöne Welt mich dat Lääwe so gefällt / als wo ich minn Heimat fong, als ne Düsseldorfer Jong!“