Kunst und Wohlbehagen: Alle lieben die Art Düsseldorf
Im letzten Jahr war die Freude noch maskiert und von Corona-Befürchtungen blockiert. 20 000 Besucher, halb so viel wie 2019, kamen zur Art Düsseldorf. Jetzt wird aufgeatmet. Die fünfte Kunstmesse im Areal Böhler am Meerbuscher Stadtrand fühlt sich, so Direktor Walter Gehlen, schon fast so an „wie vor der Pandemie“. 95 Galerien sind dabei – die meisten aus dem Rheinland und Berlin. Auch 16 Düsseldorfer mit nahen Geschäften präsentieren ihre Kunst gern hier. Die hiesige Art mag nicht so groß und global sein wie andere Messen. Aber sie ist die schönste.
Es macht einfach Freude, durch die luftigen, wundersam verwandelten Fabrikhallen zu bummeln: Die historischen Mauern, Eisenträger, Fenster, sogar der schimmernd lackierte Boden sorgen für Loft-Atmosphäre. Hier möchte man wohnen, inmitten von Kunst. Tatsächlich wirken die Arrangements in den großzügig gestalteten Kojen und die acht Skulpturenplätze wie eine liebevoll kuratierte Gesamtschau, die auch länger Bestand hätte als für ein paar Business-Tage. Ganz nach dem Willen von Direktor Gehlen soll die Art Düsseldorf „nicht nur ein Marktplatz“ sein, sondern auch ein Ort der Auseinandersetzung über Kunst, ihren Sinn, ihre Ästhetik.
Wichtiger Hotspot
Zum Auftakt einer ganzen Reihe von Gesprächsrunden in der Talk Lounge (Halle 1) plauderte Gehlen vor der Presse mit Düsseldorfs wichtigsten Museumschefs: Felix Krämer vom Kunstpalast und Susanne Gaensheimer von der Kunstsammlung NRW, die beide auf der Messe nach Stücken für ihre Schatzkammern suchen und für ihre aktuellen Ausstellungen werben: Etel Adnan im K20, Refik Anadol am Ehrenhof – unter anderem. In diesen Tagen, meint Gaensheimer, wird Düsseldorfer zu „einem der wichtigsten Hotspots“ für ein kunstinteressiertes Publikum.
Und gleich vor der Talk Lounge geht es los mit dem Kunsthallen-Gefühl. Die Galerie Dittrich & Schlechtriem aus der Hauptstadt macht eine Solo-Show mit dem „Berliner Künstler und Sprücheklopfer“ (Tagesspiegel) Monty Richthofen. 1995 in München geboren, studierte er Design in London und wurde eine Berühmtheit in der Tattoo-Szene, bevor er mit seinen Ideen den Raum eroberte. Mit Acryl malt Monty frech-skurrile Sätze auf farbig gestaltete Lichtboxen. „Jesus loves me (from behind)“ zum Beispiel oder: „Ich bin ein dummer Junge, aber dumm bin ich nicht“. Gibt’s mit Sound für den coolen Sammler. Preis: 7500 Euro.
In Richters Spiegel
Max Mayer, Sohn und Kollege des kürzlich verstorbenen legendären Düsseldorfer Galeristen Hans Mayer, mag es hingegen reduziert. In einer weitgehend leeren Koje holt er einzelne Werke aus einem kleinen Lagerregal und stellt sie zur Einzelbetrachtung auf ein Bördchen. Wie zum Beispiel ein malerisches Gewächs des 1966 geborenen Argentiniers Nicolás Guagnini. Auch die kleinen Skulpturen und Tuschzeichnungen des ehemaligen Düsseldorfer Akademierektors Norbert Kricke (1922-1984) bei Aurel Scheibler sind auf diskrete Weise erbaulich.
Vorbei an Bronzefrauen von Thomas Schütte vor Spiegeln von Gerhard Richter und „Freundinnen“ von Sigmar Polke geht es zur großen Fläche der Galerie Beck & Eggeling, die in ihrer reichen Auswahl besonders den Fotokünstler Thomas Wrede würdigt. „Weiß war der Schnee“, jetzt sind es Tücher und Vliesabdeckungen, die das schmelzende Eis der Gletscher schützen sollen und die dem Fotografen zum geheimnisvollen Motiv wurden.
Museum bei Ludorff
Mut zur Vielfalt hat die Galerie Schönewald mit den rotbackigen, taubefeuchteten Äpfeln der Malerin Karin Kneffel, die über den lackierten „Trashstones“ von Wilhelm Mundt hängen. Bei Löhrl aus Mönchengladbach zieht eine riesige schwarze Katze auf reliefartig strukturierter Holzplatte die Blicke auf sich – ein weiteres populäres Werk des Figurenbildhauers Stephan Balkenhol. Die Düsseldorfer Galerie Van Horn präsentiert unter anderem die starken Gestalten auf den Malcollagen von Anys Reimann, die man aus der Sammlung Philara kennt.
Ein wahres kleines Museum hat die Galerie Ludorff eingerichtet. Unter dem Titel „Coming Home – Art of the Rhineland now and then“ präsentiert die renommierte Kunsthandlung Foto-Arbeiten der Bechers und ihres Schülers Thomas Ruff, eine kleine Maus von Biennale-Star Katharina Fritsch, heilige Werke der Zero-Dreieinigkeit Mack, Piene, Uecker und einige Kostbarkeiten aus der Klassischen Moderne. Da hängen Aquarelle und Zeichnungen des Expressionisten August Macke und ein Ölbild des Surrealisten Max Ernst („De But en Blanc“), der bekanntlich als junger Mann zu den Schützlingen der Düsseldorfer Künstler-Mutter Ey gehörte. Mit einem Preis von 750 000 Euro ist das Bild eines der exklusivsten Stücke auf der Art Düsseldorf.
Zartes und Hartes
Wer Hall und Saal zur Verfügung hat, könnte auch an einer der Großskulpturen auf der Messe interessiert sein. Aus verbeulten, rot lackierten Leitplanken hat die Deutsch-Iranerin Bettina Pousttchi für die Buchmann Galerie ein markantes Raumzeichen gebaut. Ruhig und fein wirkt eine Installation aus 49 glasierten Schalen („Sieben mal sieben“) der koreanischen Keramikkünstlerin Young-Jae Lee (bei Jahn und Jahn). Mit ganz anderen Mitteln imponiert die aus Müll und Schrott konstruierte Plastik des Belgiers Peter Buggenhout bei der Galerie Konrad Fischer in der alten Kaltstahlhalle.
So vieles ist noch zu entdecken: subtile „Water Lilies“ des finnischen Fotokünstlers Santeri Tuori zum Beispiel oder die Fensterblicke aus europäischen Moscheen, die Marwan Bassiouni nach strengem Konzept aufgenommen hat. Da wären auch die historisch anmutenden, aber sehr heutigen Tintenarbeiten und Aquarelle von Andreas Chwatal und Andrew Gilbert, die beim Münchner Jo van de Loo in witziger Reihe hängen. Oder die tänzerische Video-Arbeit „Beyond the Substrata“, die der schwarze Engländer Larry Achiampong in einem leeren Shoppingcenter aufgenommen hat. In der Koje der Londoner Galerie Copperfield darf das Publikum auf umgekippten Einkaufswagen Platz nehmen. Aber vielleicht muss man auch mal Pause machen in einem der lockenden Art-Cafés.
Was, wann und wo?
Die Art Düsseldorf kann bis 2. April im Areal Böhler besucht werden, Hansaallee 321 (nicht weit von der Haltestelle Lörick). Geöffnet: Freitag 12 bis 19 Uhr, Samstag 11-19 Uhr, Sonntag 11 bis 18 Uhr. Tagestickets für 26 Euro können nur online gekauft werden. Es gibt keine Kasse vor Ort. Kinder bis elf Jahre haben freien Eintritt. Für Rentner, Jugendliche, Studenten, Auszubildende sowie Leute mit Düsselpass und Schwerbehindertenausweis gilt ein ermäßigter Preis von 19 Euro. www.art-dus.de