Düsseldorf Oberbilk: Khalifa Zariouh schreibt an die rassistischen Schildbürger von der Ellerstraße
Khalifa Zariouh wurde in Marokko geboren, lebt seit mehr als einem halben Jahrhundert in Düsseldorf und setzt sich in besonderer Weise für die Integration in Düsseldorf Oberbilk ein. Er gehört zu den Organisatoren des Maghreb-May-Festes. In einem offenen Brief wendet er sich direkt an jene Rassisten und Neonazis, die das Schild der Ellerstraße in arabischer Sprache für ihre fremdenfeindlichen Parolen missbrauchten:
An die besorgten Schildbürger!
Bis 1973 sind tausende von Marokanern im Zuge des Anwerbeabkommens, das in diesem
Jahr 60 Jahre alt wird, nach Düsseldorf gekommen, um hier zu arbeiten.
Ich selber bin 1972 nach Deutschland gereist, ich bin seit 51 Jahren in Düsseldorf, über dreißg
Jahre war ich Eismeister im Eisstadion an der Brehmstraße.
Viele von uns, die damals hier eine Zwischenheimat gefunden haben, die dann nach und nach
zur zweiten und nunmehr ersten Heimat geworden ist, haben bei der Müllabfuhr und im
Klärwerk gearbeitet, nicht wenige der zweiten, dritten und vierten Generation sind immer
noch bei diesen Unternehmen.
Wir haben offenbar nun unsere Schuldigkeit getan, haben beim Aufbau Deutschlands
geholfen, die Drecksarbeit gemacht und können nun entsorgt werden.
Entsorgt. Beseitigt. Weg mit uns.
„Remigration“ wird diese Entsorgung genannt. Klingt besser, tut genauso weh. Nein, weher,
denn dieser Begriff klingt professionell, durchdacht, wissenschaftlich. Klingt so nach „es gibt
keine Alternative“. Die Geschichte wird zitiert, Karl Martell.
Es tut sehr weh.
Wir haben damals in Kellerlöchern gehaust und sind ausgenutzt worden.
Seit ein paar Tagen hängt das ein Straßenschild auf Arabisch über dem Straßenschild auf
Deutsch. Auf beiden Schildern steht „Ellerstraße“.
Die Ellerstraße. Meine, unsere Heimat. Die Heimat von Deutschen, Marokkanern, Türken,
Russen undundund. Die Ellerstraße kennt jeder im Königreich Marokko, besonders in der
Provinz Nador, da kommen die meisten von uns her.
Für mich, der ich in den ersten Jahren hier tatsächlich im Keller gelebt habe, hat dieses Schild
eine starke Symbolik.
Ja, wir sind aufgestiegen aus dem Keller, sind mit dem Schild symbolisch nicht mehr im
Keller, sondern, endlich, wir sind angekommen, dieser Staat und diese Stadt bekennen sich
ganz offiziell zu uns. Ein Straßenschild ist was Offizielles und Öffentliches.
Die Politik hat das – nach kontroverser Diskussion – beschlossen und die Verwaltung hat das
umgesetzt und die Schilder angebracht.
Und irgendwelche besorgten Bürger haben die Straßenschilder nun, nur wenige Tage später,
mit anderen Straßenschildern überdeckt. Aus der Ellerstraße wurde die Karl Martell-Straße,
und man sieht einen mit einem Speer bewaffneten Reiter Menschen vor sich hertreiben.
„Der Marokkaner hat seine Arbeit gemacht, der Marokkaner kann gehen!“, so lautet die
Botschaft, im Sinne, nur nicht so fein formuliert wie von Muley Hassan in Friedrich Schillers
„Verschwörung des Fiesco zu Genua“, dritter Akt, vierter Auftritt.
Schiller gilt als der deutsche Freiheitsdichter.
Ich empfehle den Leuten, die diese Schilder und damit unsere Freiheit und Würde
missbraucht und besudelt haben, dringend die Lektüre der Werke von Friedrich Schiller. Und
die Lektüre von Yassin Adnans Schriften. Und zwischendurch mal Goethes „West-östlichen
Divan“.
Und dann können wir über Freiheit und Würde sprechen. Gerne bei einem Glas
Pfefferminztee. Gerne hier, auf der Ellerstraße.
Herzliche Einladung, aber bitte nicht nachts, dann haben die Cafes hier geschlossen. Oder
zum nächsten Maghreb-May-Fest, am Samstag, 20. Mai 2023!
Khalifa Zariouh
„Bürgerinitiative zur Begegnung statt Entfremdung im Düsseldorfer Ellerstraßenviertel“ (e.
V. in Gründung)