Spuren suchen: Peter Piller in der Kunsthalle Düsseldorf
Peter Piller lebt in Hamburg, St.-Pauli-Fan. Aber er arbeitet trotzdem gern als Professor in Düsseldorf, wo er 2018 die Akademie-Klasse von Andreas Gursky übernommen hat. Die Fotografie gehört bei Piller allerdings nur zu den möglichen Mitteln für sein Fach: Freie Kunst. Kommt gut in Düsseldorf. Denn, wie Piller zu Recht bemerkt, der Rheinländer ist „aufgeschlossen“. Vielleicht auch ein bisschen indifferent. Im Grunde wird jedes künstlerische Konzept goutiert, man findet es am liebsten stark, zumindest aber interessant. Wer traut sich schon zu sagen, dass etwas langweilig ist? Zum Beispiel Pillers Ausstellung in der Kunsthalle?
Selbst dem Künstler war die Sache nicht ganz geheuer. Denn seine Serien von Zeichnungen, Scans und Fotografien sind klein und unauffällig, die Säle groß. Aber Gregor Jansen, der freundliche Hausherr, begrüßt es, dass die Kunsthalle mal wieder „konzeptueller“ erscheint – „fast protestantisch“. Und ein zittrig markiertes Proust-Zitat im Blitzrahmen (aus der Serie „Anstreichungen“) nimmt der Kritik erst mal den Wind aus den Segeln: „Vielleicht gibt es Meisterwerke, die unter Gähnen entstanden sind.“
Ungeklärte Fälle
Das mag sein. Aber nicht alles, was konsequent bis zur Ermüdung durchgehalten wird, wird zum Meisterwerk. Dem Professor ist das eigentlich egal: „Sie müssen es nicht verstehen.“ Ihm geht es um seinen „persönlichen Zugang“. Zu Bildern, Phänomen. Der Titel „there are a couple of things that bother me“ (ein paar Dinge ärgern mich) führt in die Irre. Denn Piller bewertet die Dinge gar nicht. Er sammelt, ordnet, katalogisiert sie. Dazu hat ihn früh sein Studentenjob in einem Hamburger Ausschnittdienst inspiriert.
Seitdem hortet er Bilder, die in die Kategorien seines Archivs passen. Oder auch nicht, wie die Serie „Ungeklärte Fälle“, für die er einen verschachtelten Einbau entwarf, der dem hohen Kinosaal wenigstens etwas Struktur gibt. Darin sieht man auf ungerahmten Fotodrucken zum Beispiel eine ölige Pfütze, einen Waldesrand, ein Auto im Kornfeld. Keine tollen Aufnahmen, das verweigert der Künstler. Systematisch. Für die Serie „Behind Time“ spürte er Vögel auf wie ein Ornithologe, drückte aber erst auf den Auslöser, wenn sie wieder davonflogen, aus dem Blickfeld verschwanden. Verspätung als Konzept. Das ist immerhin kurios.
Nimmt Schaden
Meistens allerdings benutzt Piller gar keine eigenen Fotos, sondern Vorgefundenes. Wie zum Beispiel Repros von Meeresoberflächen aus einem Lehrbuch der 1920er-Jahre oder die Fotos von Schadensfällen aus dem Archiv einer Schweizer Versicherung, deren Kunstpreis er 2006 gewann. Schimmel an der Wand, Ruß an der Decke und manchmal auch nichts Erkennbares, das ist Pillers Repro-Reihe „Nimmt Schaden“. Auf weitaus schlimmere Verwüstungen verweisen Bilder verlassener Schlachtfelder oder das aus verschiedenen Zeitungen kopierte, nur leicht verschobene Nachtfoto von der Bombardierung Bagdads, das die Deutsche Presseagentur im März 2003 in die Welt setzte.
Wer will, kann sich stundenlang mit den Andeutungen Peter Pillers beschäftigen. Die Ausstellung umfasst über 400 Einzelblätter in 15 Gruppierungen aus den vergangen 25 Jahren – darunter auch sehr introvertierte, spurenhaft wirkende Skizzen, die er auf Akademie-Briefbögen und nach sogenannten „Peripheriewanderungen“ spontan anfertigte. „Ein Versuch, Räume zu rekapitulieren“, wie er sagt. Entziffern kann das allerdings nur der Zeichner selbst.
Leerstellen beachten
Der Kunstverein, unabhängiger WG-Partner der Kunsthalle im ersten Stock, präsentiert derweil Konzepte mit deutlicherer Absicht. Der 1983 geborenen schwarzen New Yorkerin Jessica Vaughn geht es um gesellschaftliche Missstände. Oder, wie es die neue Direktorin Kathrin Bentele intellektuell formuliert, „Vaughns Arbeit … verhandelt die Beziehungen von Arbeit, Race und Raum und den tiefgreifenden Einfluss von Infrastrukturen auf den arbeitenden Körper“. Der Titel der Schau bezieht sich maliziös auf Unternehmensparolen: „I love Customers“, ich liebe Kunden, mit Herzchen. Eingängig zeigt ein Video „Visible Hands“ von arbeitenden Menschen im Nagelstudio, am Fließband, beim Putzen und Nähen. Hände von Frauen, die klaglos gering bezahlte Jobs machen.
Frauen sind es vermutlich auch, die den schlimm gemusterten Stoff für Bahn-Sitzbezüge ausschneiden. Aus den Resten hat Vaughn einige Bodenobjekte gemacht, die, so Bentele, „klaffende Absenz“ ausdrücken. Fehlstellen, Abwesenheit. Davon soll auch eine Rauminstallation aus versifften Arbeitsplatz-Trennwänden und Türmen mit typischen Büro-LED-Leuchten erzählen. Fast hübsch wirkt dagegen ein Kabinett, in das Vaughn unter anderem ein Gruppenbild nach dem Foto eines 70er-Jahre-Gleichstellungsbeirats hat malen lassen – mit lauter geschwärzten Köpfen, damit wirklich alle mal gleich sind.
Was, wann und wo?
„Peter Piller: there are a couple if things that bother me“: bis 21. Mai in der Kunsthalle Düsseldorf. Der Kunstverein im ersten Stock zugleich präsentiert zugleich „Jessica Vaughn: I love Customers“. Di.-So 11 bis 18 Uhr. www.kunsthalle-duesseldorf.de und www.kunstverein-duesseldorf.de